Jetzt gibt es die Doku-Soap zum demografischen Wandel: "Rock statt Rente! Das Beste kommt zum Schluss", nennt Sat.1 die neue Serie, die seit diesem Mittwoch ein gutes Dutzend Senioren bei seinem Aufstieg zu Popstars nachzeichnet. Allerdings verzichten die 25 Damen und Herren weder auf die Rente, noch sieht es danach aus, dass nach dem Abschlusskonzert des Sechsteilers mit den Deutschrockern von Pur auch Schluss sein soll.
"Setzen Sie sich mal an einen Tisch mit älteren Leuten. Wovon sprechen Sie? Vom Sterben und über die Vergangenheit", sagt Wilhelm Tromm (95). "Ich umgebe mich lieber mit jüngeren Menschen", sagt der gebürtige Dresdner und frühere Koch und Hotelwirt laut Pressetext des Privatsenders. Tromm hat keine Angst vor Pop, so wenig wie Hartmut Engler künstlerische Berührungsängste mit den Omas und Opas hat. Der 48-jährige Pur-Sänger ist Mentor der Altrocker-Combo, die in den kommenden Wochen vor laufender Kamera etwa AC/DCs "Highway To Hell" oder deutsche Punk-Klassiker von den Ärzten einstudiert.
"Für mich ist das auch Neuland", sagt Engler, der von den Sat.1- Machern nicht lange überzeugt werden musste, um bei dem Projekt mitzumachen. "An einer Casting-Show hätte ich nicht teilgenommen." Bisher hatten einige Senioren etwas Gesangserfahrung, als Popsänger sind sie alle blutige Anfänger. Die musikalische Leitung hat der Chorleiter Carsten Gerlitz (43), der an vielen Musical-Produktionen mitgewirkt hat.
Seniorenbands sind allerdings nicht völlig neu. Zuletzt hatten die Briten von The Zimmers mit dem 60er-Jahre-Hit "My Generation" von The Who für Furore gesorgt. Im Videoportal YouTube wurde der Song bereits mehr als fünf Millionen Mal abgerufen.
In sechs Teilen verfolgt die Fernsehdokumentation den Weg der Senioren vom zurückgezogenen Rentnerleben in die TV- und Aufnahmestudios - etwa von Melita Moritz (73). Die gelernte Gartenbauerin aus Mecklenburg spürt nach Hochzeit, dem Aufziehen von sieben Kindern und Scheidung noch immer Unternehmungslust. "Solange der Mensch sehen und gehen kann, soll er raus!", sagt sie.
Oder Hans-Dieter Wolf (72). Mit sieben Jahren verlor er auf der Flucht vor der Roten Armee das Gehör. Nach dem Krieg wurde er operiert und konnte wieder hören. "Ich bin ein Rock'n'Roller", sagt der gelernte Kaufmann. Schon jetzt seien seine Mitbewohner im Seniorenheim "verdammt stolz" auf ihn.
"Jeder spricht von der alternden Bevölkerung, aber im Fernsehen sind Menschen jenseits der 70 nahezu unsichtbar", sagt Engler. Musikalisch würden diese Bürger mit Volksmusik-Sendungen "ruhiggestellt".
Der Frontmann der Popgruppe Pur ("Abenteuerland") blickt in die Zukunft. "In den kommenden 10, 15 Jahren wird die Zahl der Menschen, die wie ich heute um die 50 sind und mit Rock und Pop aufgewachsen sind, enorm zunehmen." Das Interesse an Sendungen, die an das Lebensgefühl der jüngeren Jahre erinnern, werde wachsen, sagt Engler - Dauer-Rock statt "Blauer Bock" sozusagen.