Dieter Bohlen hatte vor kurzem Geburtstag, er ist 58 Jahre alt geworden. In dem Alter gehen andere in Rente oder am Rollator. Aber der Dieter ist "Poptitan" ein selbsternannter Superstar mit Kreisch-Stimme. Da kann man nicht einfach so gehen, da bleibt man dabei. Schade. Denn mit blöden Sprüchen lässt sich zwar vieles überspielen, aber eines eben doch nicht: dass Bohlen langsam zu alt ist für eine Sendung wie "Deutschland sucht den Superstar" - und "DSDS" zu schwach für die geballte Casting-Konkurrenz.
Die zweite Motto-Show macht das mehr als deutlich. Sie steht zwar im Zeichen der "Party-Hits", fröhliche Feier-Stimmung kommt dennoch nicht auf - was aber weniger an dieser einen speziellen Sendung liegt, sondern vielmehr an der Langeweile und Austauschbarkeit, die sich im mittlerweile neunten Jahr der Show eingestellt hat.
Immer schön rein in die Schublade
Da wären zuallererst die Kandidaten dieser Staffel. Deren musikalisches Talent entspricht insgesamt etwa dem eines quietschenden Eichhörnchens. Alle quälen sich mehr, meistens aber minder erfolgreich durch ihre Songs und lächeln erleichtert, wenn sie es unfallfrei bis zum letzten Takt geschafft haben.
Manche von ihnen haben sich offenbar einen letzten Rest Selbsterkenntnis bewahrt und versuchen dementsprechend, mit aufwendiger Background-Show von ihren stimmlichen Defiziten abzulenken. Da wackeln Transvestiten in gelben, federgeschmückten Badeanzügen herum, Tänzer schwenken einen "Yeah!"-Schriftzug in der Luft, damit auch dem letzten Zuschauer in Hintertupfingen klar wird, dass hier echt total gute Stimmung herrscht.
Schon in der zweiten Motto-Show haben alle Kandidaten ihre Rolle gefunden. Da gibt es Kristof, den schwulen Schlagersänger, der grundsätzlich grinst und sich ins Bild drängelt, sobald er eine Kamera auch nur riecht. Außerdem dabei: die schöne arrogante Zicke Silvia, das süße blonde Küken Fabienne, Daniele mit der schwierigen Kindheit, Bravo-Poster-Boy Luca und der intellektuell stets überfordert wirkende Joey, der über seine eigenen Sätze stolpert, aber trotzdem sympathisch ist. Schön, wenn die Schubladen so deutlich zugeteilt sind und das Drehbuch längst geschrieben ist.
Außerdem sagen sie alle auch noch brav ihre Sätze auf: "Die Leute sind so lieb und so Gänsehaut" (Joey), "Ich hatte solche Angst, dass ich rausfliege" (Daniele), "Ich will Menschen berühren" (Jesse). Alles läuft nach Plan.
Geballtes Mittelmaß
Aber RTL hat trotzdem ein Problem, denn: Das gab's alles schon mal. Genau so und besser. Die Teilnehmer dieses Jahr bieten einfach nicht genug Skandal-Potenzial, Talent, Witz. Und weder Jury noch Moderator haben dem geballten Mittelmaß etwas entgegenzusetzen.
Marco Schreyl gibt sich wie immer alle Mühe, seine Kündigung wegen akuter Moderations-Unfähigkeit zu erhalten. Er wirkt so charismatisch wie ein Toastbrot und ist sich nicht zu schade für Weisheiten wie "Wer schneller anruft, kommt auch schneller durch".
Die Jury ist zahm, lobt hier und dort, tut wie erwartet. Natalie Horler beurteilt das Aussehen der Kandidaten, lässt sich aber musikalisch zu keiner konkreteren Aussage als "Das war geil" hinreißen. Bruce Darnell weint nicht. Stattdessen umarmt er wehrlose Menschen, stößt entzückte Schreie aus und gibt dann die Entscheidungsgewalt an Bohlen weiter: "Dazu kann Dieter besser was sagen."
Bohlen nicht ganz bei der Sache
Und Dieter sagt was, aber er ist wohl selber nicht mehr richtig bei der Sache. Im neunten Jahr nur verständlich - schließlich hat das Format noch nie einen echten Superstar hervorgebracht. Oder auch nur einen richtigen D-Promi. Da kann der Enthusiasmus schon mal nachlassen.
Bohlen trägt einen schwarzen Anzug zum weißen Hemd, unauffällig für seine Verhältnisse. Die gefürchteten Kommentare sind zu seichten Sprüchlein geworden ("Da haut es dem stärksten Schwein den Kringel aus dem Schwanz"). Er wirkt, als wäre er lieber zu Hause auf der Couch denn im Studio.
Als ihn Bruce zu einem Tänzchen auf der Bühne überreden will, quält Bohlen sich sichtbar, er streckt ein paar Mal die Ärmchen aus, dann rennt er wieder zu seinem Platz zurück. Und als schließlich Zicke Silvia rausfliegt, ist Bohlen nicht mal mehr im Bild zu sehen. Vielleicht ist er schon gegangen - in einem Anflug von Altersweisheit.