"Wetten, dass..?"-Abschied Sonnenkönig auf der Großbaustelle

  • von Ingo Scheel
Gar nicht überzogen: Thomas Gottschalks letztes Mal "Wetten, dass...?"
Gar nicht überzogen: Thomas Gottschalks letztes Mal "Wetten, dass...?"
© Alexander Hassenstein / Getty Images
Schillernde Stars, schräge Wetten, Schweigsteiger-Tüddel-Thommy und Gags zwischen hui und pfui – alles wie gehabt. Eigentlich.

"Es fühlte sich für mich heute Abend nicht wie ein Abschied an". Nein, es war nicht Thomas Gottschalk, der das sagte, ganz am Ende dieser Show. Sondern Frank Elstner, der Erfinder himself, der zuvor drei Stunden in Reihe eins mittendrin gewesen war. "Für mich war es eher, als wäre ich in eine Sendung zur besten Zeit von Thomas Gottschalk eingeladen worden", sagte Elstner. Natürlich legte sich da auch ein Schleier der Verklärung über die Ereignisse und sicher auch eine große Portion Sentimentalität. Aber zum einen stand Frank Elstner nie im Ruch der Schönfärberei, zum anderen hatte der Mann ja auch Recht, irgendwie.

Die letzte Ausgabe von "Wetten, dass..?" war alte Schule Gottschalk, bis auf ein kleines Detail, aber dazu später. Offenburg hatte zum Halali geladen, der Saal hatte Bock, das spürte man. Die Row Zero verströmte adäquaten Glanz, Gottschalk selbst beging das feierliche Ereignis in etwas tanten-, aber nicht unvorteilhaftem Bordeauxrot-Anzug mit passenden Puschen, oder ‚Samt-Loafer‘, wie Guido Maria Kretschmer wohl sagen würde. Minutenlanger Applaus, erstklassiges Entrée.

Wetten, dass...-Gefühl: Omma knipst die elektrische Heizdecke an

Und schwupps, war man drin im Gäste-, Smalltalk-, Wetten-Wahn, es fühlte sich aus dem Stand ein bisschen an wie früher. Samstagabend, Badewanne, Bademantel, Russisch Brot und eine Schwipp-Schwapp. Omma knipst die elektrische Heizdecke an. Tüddel-Thommy machte Matthias Schweighöfer umgehend zu Matthias Schweinsteiger, ein dezent-dementer Spoiler Alert auf kommende Gäste. Die Sache mit den Namen würde ein bisschen brauchen, bis sie sich halbwegs einrenkt. Schweighöfer präsentierte einen Film und sich selbst als Frank Farian, Milli Vanilli ein Kopftuch, das zum Hemd vom Thommy passte, und Horst, der Hühnermann, erkannte Hähne mit Namen wie Otto Waalkes und Bruce Lee am Kräh-Code. Die Rückkehr der Todeskralle. Ei, ei, ei, ein solider Start.

In diese "Wohlfühl-Sauna" tunkten sich anschließend die Best Ager von Take That, oder besser, das, was davon noch übrig ist. Der gute Gary, der Hüne Howard und Mark Owen, der die Frisur von Frank Farian aufträgt. Zweimal durften Take That singen, einen tollen alten und einen nicht so tollen neuen Song, später dann verdingte sich das Trio als Zuckerwatte-Bäcker. "Candy Cotton", so wurde Thomas Gottschalk aufgeklärt, hieße das auf Englisch. "Candy Cotton … bis sie kotzen.", war sein Kommentar. Soll keiner sagen, der Mann sei nicht mehr schlagfertig.

Thomas Gottschalk: "German Numbers or English Numbers"

Mit Bastian Schweigsteiger und Ana Ivanović ging das Promi-Karrussell schließlich weiter. Ob ihr Ehemann im Haushalt helfen würde, wollte Gottschalk von Ana Ivanović wissen. Soll keiner sagen, der Mann sei nicht mehr wissensdurstig. Felix, der Rolli-Fahrer, versenkte anschließend Menthos-Dragees in Cola-Flaschen, per Helm und Skateboard, das sah packend aus, auch wenn er es nicht ganz packte. Danach schlug die Stunde für das vierbeinige Superhirn Amie. Der Hund konnte Zahlen erkennen – "German Numbers or English Numbers? – Hauptsache arabische Numbers, hätte man Gottschalk noch gerne zugerufen. Für Amie gab es jede Menge Leckerli. Und die Take Thats – an dieser Stelle ein Gruß an meine selige Oma, mit der ich wirklich sehr gern "Wetten, dass..?" und einiges andere zusammen geguckt habe, und die einen Hang zum universellen Musikgruppen-Plural hatte, also sowas wie "die Abbas", "die Slades", "die Sweets" sagte – die Take Thats also mussten, natürlich, den Flieger bekommen. "Wir werden dich vermissen!", sagte Mark Owen und man musste schon ein wenig schlucken. Den Flieger verpasst hatten augenscheinlich die Rolling Stones, daher nur ein Gruß per Videobotschaft, locker vorgetragen, mit einem Keith Richards, der nach vorn ins Bild stapfte, als hätte er bereits sieben, acht Persico drin, bester Dinge und mit einem breiten Grinsen. 

I know It’s only "Wetten, dass..?", but I like it. Hicks.

Irgendwas war noch dazwischen. Genau: Helene Fischer und Shirin David gaben die Jubi-Version zum zehnten Geburtstag von "Atemlos" zum Besten, Gottschalk outete sich als Feminist und schmetterte den Figaro, während Hazel Brugger – "dass ich das noch erleben darf" – die Schweizer Außenwette präsentierte, bei der ein Haufen zünftiger Buam eine Seilbahn nur mit Muckipower eine Seilbahn den Berg hochhievte. Gab es im letzten Jahrtausend wohl schon mal die Wette, schön, wenn man sich auf diese Weise wiedersieht, diesmal sogar mit Erfolg. Den hätten die sympathischen Gabelstaplerfahrerinnen – noch so ein schwieriges Wort – Antonia und Michelle auch gern gehabt, doch die bekamen die Nummer mit dem Handy und dem Ladekabel nicht ganz hin. Kennen wir ja alle, das Problem.

Und die Gäste strömten weiter. Cher sang einen Song von ihrem soeben veröffentlichten, ersten Christmas-Album überhaupt. Legendär ihr Schurz-Auftritt vor einigen Dekaden, diesmal trug sie ein blickdichtes, risikoloses, aber ebenso schmuckes Paillettengelöt. "Ich habe Cher an der Hand", frohlockte Thommy und bekannte "scherzhaft", dass man heute zutage ja nicht mehr überall so einfach hinlangen könne: "Nowadays youre afraid to touch a girl". Für Cher, das 77-jährige Girl, galt das diesmal dann wohl nicht, aber die beiden kennen sich ja auch schon ein wenig länger, waren immerhin schon mal in Malibu zusammen im Schuhladen.

Das finale Goodbye

Jan Josef Liefers und seine Brille liefen anschließend auf, dazu Stefanie Stappenbeck und ihr Kleid. Zusammen erzählten sie von der gemeinsamen TV-Arbeit und wie dufte das alles sei und gaben dann auch noch eine Version von "I Got You, Babe" zum Besten. Wo ist der Flieger, wenn man ihn wirklich mal braucht? 

Großartig natürlich die Meta-Wette to end all Meta-Wetten: Julia Reichert, die an farbigen Strichcodes verschiedene "Wetten, dass..?"-Folgen erkannte und sich nicht einmal aus der Konzentration bringen ließ, als Thommy Gottschalk diese verstörenden Episode vom geschmolzenen und wiedergefrorenen Schmerz-Zäpfchen bei der Malle-Show erzählte. Die logische Folge: Julia wurde "der letzte Wettkönig" der Gottschalk-Ära bei "Wetten, dass..?".

"Danke, Thomas" - zum Abschluss gab es für Thomas Gottschalk eine Baggerschaufelfahrt
"Danke, Thomas" - zum Abschluss gab es für Thomas Gottschalk eine Baggerschaufelfahrt
© Philipp von Ditfurth / DPA

Und dann war es auch fast schon wieder vorbei. Den kurzen Moment der Bitterkeit, als Gottschalk im kurzen Abschiedswort die Gründe für seinen Abschied angab – 1. Irgendwann kennt man die Gäste nicht mehr, 2. Man kann gar nicht mehr reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist – wischte Frank Elstner dann flugs weg. Nicht nur indem er Thommy sowas wie Bestform attestierte, sondern auch gleich noch das Pappamobil zum Abtransport hereinkomplentierte: Einen echten Bagger, an Bord kein geringerer als Mike Krüger. Piratensender Powerplay wiedervereint. Zwei Nasen tanken super. Und Thomas Gottschalk auf der Baggerschaufel, wie der Sonnenkönig auf der Großbaustelle. Was für ein Finale. Ob es nicht vielleicht doch ein bisschen hätte weitergehen sollen? Ein Abend wie dieser könnte vielleicht zu diesem Gedanken verleiten. Bademantel, Kekse, die albernen Buchstaben tanzen durchs Bild. Omma legt das Kreuzworträtsel-Heft beiseite und Oppa stellt den Kööm auf den Tisch. 

Alles wie immer? 

Aber dann schaut man am Ende auf die Uhr und stellt fest: 

Der Gottschalk hat diesmal ja gar nicht überzogen. 

Vielleicht dann doch der richtige Moment, um zu gehen. 

Time to say goodbye. 

Tschüss, Thommy, man sieht sich.

PRODUKTE & TIPPS