Bruce wird zu Caitlyn Jenner Die Geschichte einer wunderbaren Verwandlung

Bruce Jenner ist jetzt Caitlyn Jenner. Es war ein langer Weg, bis Kim Kardashians Stiefvater endlich seinen Gefühlen folgen konnte.

Welch eine Befreiung muss es sein. Welch ein Gefühl der Freiheit. Endlich! Bruce Jenner ist Caitlyn. Der Name ist wohl gewählt, er steht für das Wort "rein".

Lange wellige Haare, eine weiße Korsage, dezenter Lippenstift, den Blick selbstbewusst in die Kamera gerichtet, so präsentiert sich der Stiefvater von Kim Kardashian auf dem Cover der amerikanischen "Vanity Fair".

Eine wunderhübsche und reife Frau, nur die Augen erinnern daran, welcher Mann sie einmal war. Die Verwandlung ist so gut gelungen, dass selbst Jenners Stiefsohn Rob ihn nicht erkannte. Als seine Schwester ihm Bilder des Titelblattes per E-Mail schickte, antwortete er: "Wer ist diese Frau? Warum schickst du mir das? Warum sollte mich das interessieren?" Caitlyn Jenner sagt: "Ich wollte auf keinen Fall aussehen, wie ein Mann in einem Kleid."

Bruce Jenner war nicht nur der Stiefvater eines It-Girls, sondern ein amerikanischer Held. 1976 gewann er als Zehnkämpfer bei den Olympischen Spielen in Montreal Gold. Er galt als Übermann, Sinnbild der absoluten Männlichkeit. Eine Ikone, wie der Marlboro-Mann. Und ein Superstar, dessen Gesicht in den 70er Jahren auf Müsli-Boxen in ganz Amerika prangte. Sogar als Hauptdarsteller für einen Superman-Film war er im Gespräch. Wie er nun einem Reporter der "Vanity Fair" gestand, rang er schon damals damit, im falschen Körper geboren zu sein.

Es war ein stilles Leiden. So trug Jenner unter seinen Anzügen bei öffentlichen Auftritten oft Damen-Unterhosen und BH. Er habe sich wenigstens ein bisschen wie ein Frau fühlen wollen. Er lebte extrem zurückgezogen in einem kleinen Haus in den Bergen von Malibu. Nach außen sah alles perfekt aus. Ehefrau, Kinder, viel Geld. Aber schon damals unterzog sich Jenner heimlich einer Hormontherapie und ließ sich die Barthaare in einer schmerzhaften Prozedur dauerhaft entfernen. Als er eines Morgens aus der Dusche kam, schrie sein kleiner Sohn: "Mama, Papa hat Brüste."

Wie er jetzt gesteht, beendete er die Behandlung, aus Angst davor, wie die Welt darauf reagieren würde. Es waren noch andere Zeiten, viel konservativer als heute. Über Themen wie Transsexualität sprach man einfach nicht. Und schließlich war er Vater von vier Kindern und wollte ihnen eine öffentliche Beschimpfung nicht antun.

Es gab erste Gerüchte, dass irgendetwas Sonderbares mit ihm im Gange sei. Sie verstummten, als er 1991 Kris Kardashian, die Mutter von Kim, heiratete. Die Ehe hielt 23 Jahre und brachte die Töchter Kendall und Kylie hervor. Vor einem Jahr trennte sich das Paar.

Kris Jenner sagt heute, sie haben nichts von den Sehnsüchten ihres Ehemannes gewusst. Kaum zu glauben. Nachdem Anfang dieser Woche mit dem Erscheinen der "Vanity Fair" bekannt wurde, wie Bruce Jenner fortan als Frau leben möchte und aussieht, meinte sie: "Warum sollte man verheiratet sein und Kinder haben, wenn es dies ist, was man sein will, seit man ein kleiner Junge war?"

Jetzt ist Caitlyn frei und muss nicht mehr lügen

Caitlyn Jenner sagt in einem Video: "Bruce musste immer eine Lüge erzählen. Caitlyn hat keine Geheimnisse. Sobald die "Vanity Fair" erscheint, bin ich frei."

Es war ein harter Weg bis dahin. Nach der Trennung wurde offen in amerikanischen Medien darüber spekuliert, dass er eine Frau werden wollte. Die Kommentare waren oft hämisch und böse.

Als Bilder von Jenner mit Verband am Hals auftauchten, nachdem er sich offensichtlich den Kehlkopf operativ hatte verkleinern lassen, gab es kaum mehr ein Halten. Paparazzi lauerten ihm auf, riefen ihm zu: "Bist du jetzt eine Frau?" Und: "Hast du deinen Penis noch?" Es war eine Hatz, die ihren Tiefpunkt erreichte, als ein Klatschmagazin das zu einer Frau retuschierte und entstellte Bild Jenners auf dem Titel druckte.

Es waren die Geister, die die Familie gerufen hatte, die Jenner das Leben zur Hölle machten. Mit der Reality-Serie "Keeping up with the Kardashians" waren sie zu einer Marke geworden und hatten Millionen verdient. Sie hatten alle an ihrem Leben teilhaben lassen. Das öffentliche Interesse an jedem Schritt war riesig. So schalteten 16,9 Millionen Amerikaner ein, als Bruce Jenner vor vier Wochen in einem Fernsehinterview zur besten Sendezeit sagte: "Ich bin eine Frau."

Am nächsten Morgen waren die Schlagzeilen voll mit dem Geständnis. Zum ersten Mal überwog die Bewunderung, vor einem 65-Jährigen, der sich endlich traute, seinen Gefühlen nachzugeben. Der die Jahre des Versteckens beenden wollte. Der den mutigen Auftritt gewagt hatte.

Der größte Schritt lag aber noch vor Jenner. Weil er die Verwandlung zur Frau möglichst perfekt machen wollte, entschied er sich zur einer Schönheitsoperation, die seinem Gesicht möglichst weibliche Züge verleihen sollte. Bei Dunkelheit, damit er nicht von Paparazzi gesehen wurde, fuhr er dafür in eine Klinik in Beverly Hills. Zehn Stunden dauerte der Eingriff. Es waren die Geburtsstunden von Caitlyn.

Bruce ist für Caitlyn wie ein entfernter Bekannter

Die Tage danach waren geprägt von Schmerzen, die Operation hatte doppelt so lange gedauert wie geplant. Der emotionale Stress war so groß, dass er sich in einer Panikattacke seinen Weg bahnte. Caitlyn, so "Vanity Fair", lief durch die Gänge ihrer Villa am Meer und fragte immer wieder "Was habe ich nur getan? Was habe ich mir selbst angetan?"

Zum Glück dauerte dieser Moment des Zweifelns und der Schwäche nicht lange. Vielleicht war er auch nur eine Folge der Medikamente, deren Einnahme Jenner immer verweigerte hatte, aber diesmal waren die Schmerzen einfach unerträglich gewesen. Die Gedanken seien seitdem nie wiedergekommen, so Jenner. Stattdessen sagt sie: "Wenn ich auf meinem Totenbett liegen würde und ich hätte das Geheimnis für mich behalten und hätte nie etwas dagegen getan, dann würde ich sagen, ich habe mein ganze Leben verpfuscht."

Heute redet Caitlyn über Bruce, als sei er ein entfernter Bekannter. Die Distanz ist in jedem Wort spürbar. Mit seiner geschundenen und gequälten Seele will sie nichts zu tun haben. Es ist ihr Neuanfang. Caitlyn will die Fehler von Bruce nicht wiederholen. Nach zwei Scheidungen war der Kontakt von Bruce zu seinen ersten vier Kindern abgebrochen. Nicht mal an ihren Geburtstagen meldete er sich bei ihnen. Vielleicht gelingt es Caitlyn wirklich, diese Wunden, die Bruce verursacht hat, zu schließen. Sein Sohn Bruce hofft darauf. Er sagt: "Ich habe große Hoffnungen, dass Caitlyn eine bessere Person ist als Bruce. Ich freue mich darauf."

Einer großer amerikanischer Athlet ist verschwunden, eine Frau ist an seiner Stelle erschienen. Vermutlich der wichtigste Moment im Leben von Caitlyn. Auf jeden Fall das Ende einer langen und kräftezehrenden Suche. Für viele Transsexuelle in den USA und weltweit ist Caitlyn schon jetzt eine gefeierte Heldin und wichtige Pionierin. Ihre Reise begann, als sich Bruce mit zehn Jahren in den Kleiderschrank seiner Mutter schlich und ihre Kleider anprobierte. Die Angst, entdeckt zu werden, war überwältigend. Es dauerte fast 20 Jahre bevor er seiner ersten Frau Chrystie von seinen Gefühlen erzählte. Als Zehnkämpfer rang er weiter mit sich und hatte die Hoffnung, dass seine Sehnsucht eine Frau sein zu wollen, irgendwann verschwinde. Er habe immer gedacht: "Es wird schon.", so Jenner. Fast wäre er daran zerbrochen.

In einem Porträt über den Olympiasieger Jenner schrieb die "New York Times" 1976: "Nach seinem Rekord beim Olympischen Zehnkampf kann er alles werden, was er will." Bis der Satz des Reporter wahr wurde, dauerte es fast 40 Jahre.

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