Füller-Eklats Ja, er ist verwöhnt – aber König Charles hat sich ein dünnes Nervenkostüm verdient

Füller-Eklats: Ja, er ist verwöhnt – aber König Charles hat sich ein dünnes Nervenkostüm verdient
© Liam McBurney / WPA Pool / Getty Images
König Charles III. ist genervt von Tintenfass und Füller – gleich zweimal. Die Nerven liegen blank, aber das ist bei diesem Pensum auch nur allzu verständlich.

Herrisch gestikuliert König Charles III. in Richtung eines Bediensteten, deutet auf das Tintenfass. Er fletscht die Zähne, stößt es ungelenk zur Seite. So gesehen während seiner offiziellen Proklamation zum neuen Monarchen. In Nordirland läuft Tinte aus seinem Füller. "Ach Gott, ich hasse es. Ich kann dieses blöde Ding nicht leiden", schimpft er und sieht auf seinen beschmierten Finger. Szenen, die den neuen König in einem neuen Licht zeigen. Schreiben zumindest zynische Beobachter.

Zwei Tatsachen stehen dem gegenüber: Charles ist sehr privilegiert aufgewachsen und er trauert um seine Mutter – deshalb ist er überhaupt König. Wie muss sich das anfühlen, dass sich die eigene Bestimmung erst erfüllt, wenn man seine "Mummy" verliert? Von uns "Normalsterblichen" wird sich keiner dies je vorstellen können. Wir können uns – zumindest für eine gewisse Zeit – in der Trauer verlieren. Wir haben das Privileg, zu entscheiden, ob wir vor die Tür gehen oder uns mit einer großen Box Taschentücher ins Bett legen. Wenn wir nicht sprechen wollen, können wir schweigen, mit den Menschen um uns, die uns am nächsten sind.

Charles hat diese Wahlmöglichkeiten nicht. Er muss raus, denn es ist sein Schicksal.

König Charles III. absolviert nach dem Tod der Queen ein beeindruckendes Pensum – mit 73 Jahren

Und so hält der neue König kaum einen Tag nach dem Tod von Queen Elizabeth II. eine Ansprache ans Volk. Mit geröteten Augen und einem tieftraurigen Blick sitzt Charles vor der Kamera. Gerade zu Ende der Rede ist zu spüren, wie sehr er mit seinen Gefühlen ringt. Der Schmerz sitzt sehr tief. Aber der neue Monarch darf nicht im Privaten um seine geliebte Mutter weinen, er muss es vor den Augen der Weltöffentlichkeit tun. Hinzu kommen Reisen nach Schottland und Nordirland. Er schüttelt unzählige Hände, begrüßt Würdenträger, hält Reden. Bewegender Höhepunkt ist die Totenwache in der St. Giles Kathedrale in Edinburgh. Rund zehn Minuten steht der König mit seinen drei Geschwistern neben dem Sarg, den Kopf gesenkt, sichtlich bewegt. 

Bei diesem Pensum inmitten der Trauer darf nicht vergessen werden, dass Charles bereits 73 Jahre alt ist. Andere Männer sind in diesem Alter längst Rentner und hätten Zeit, um den Verlust ihres Elternteils in Ruhe zu verarbeiten. Aber das Protokoll erlaubt keine großen Pausen. Und so ist es kein Wunder, dass die Nerven blank liegen.

Zahnpasta, Schnürsenkel und Toilettensitz – das müssen angeblich Bedienstete für Charles tun

Hinzukommt die "royale Note". Charles ist trotz allem kein gewöhnlicher Mensch. Er ist sein Leben lang privilegiert behandelt worden. Ausgenommen die Zeit im Internat von Gordonstoun. Der Königssohn ist in Schlössern und Palästen aufgewachsen. Er hatte ständig Bedienstete um sich herum, die ihm alles abnahmen. Er muss keine Koffer und Aktentaschen tragen, nicht einmal seine eigene Autotür zuschlagen. Vor ein paar Jahren erzählte Prinzessin Dianas ehemaliger Butler Paul Burrell in der Dokumentation "Serving the Royals: Inside the Firm", dass sich Charles seine Schnürsenkel bügeln, Zahnpasta auf die Bürste drücken lasse und seinen eigenen Toilettensitz auf Reisen mitnehme. Ob das stimmt? Wer weiß. 

Schon bei früheren Auftritten ist zu beobachten gewesen, dass der damalige Prinz von Wales genaue Vorstellungen hatte, wie bestimmte Dinge laufen. Er ist aber auch ein Profi in dem Geschäft und weiß spätestens seit dem Ehe-Desaster mit Diana Anfang der 90er Jahre, wie er sich in der Öffentlichkeit zu benehmen hat. Charles hat am eigenen Leib gespürt, wie kleine Ausrutscher in der knallharten Presse auf der Insel hochgejazzt werden können. 

In dem Video aus Nordirland gibt es auch einen Moment, wo Charles vor sich hin schimpft und direkt in die Kamera sieht. Ihm dürfte klar geworden sein, was passieren würde. 

Wie schön wäre es, wenn wir alle mit etwas Empathie und Verständnis auf diese Szenen blickten. Hier steht ein Mann, der trauert. Dessen Zukunft vom Tod der Mutter abhing, der genervt ist von einer alltäglichen Sache, der niemanden angreift.

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