Neues Cruise-Video Tom und wie er die Welt sah

Im Internet ist ein neues Scientology-Video von Tom Cruise aufgetaucht. Diesmal redet er so wirres Zeug, dass ganz Amerika sich mittlerweile über den Hollywoodstar lustig macht. Mit allen Mitteln versucht Scientology, die Videos zu verbannen.
Von Jörg Isert

Boom! Boing! Pfff! Wenn Tom Cruise über sein Lieblingsthema spricht, benutzt er gerne die Comic-Buch-Sprache. "Ein Scientologe ist jemand, der sich die Welt anschaut - und sie wirklich wahrnimmt, wie sie ist. Und der sie dann nicht nur wahrnimmt. Sondern dann auch fähig ist, 'Pffff!' zu machen und effektiv zu sein. Und deshalb etwas zu machen. Und er fragt nicht um Erlaubnis." Cruise kommt kurz ins Stocken, grübelt. Dann geht es weiter in seiner abgedrehten Religionsstunde: "Warum um Erlaubnis fragen? Schließlich sind wir die Autoritäten!" Schon macht es "Wuuussssch" und ein aufgedrehter Sprecher plappert aus dem Off: "Wenn Tom Cruise Stellung bezieht, dann heißt es bis zur Ziellinie Pedal to the metal - Vollgas geben! Und nein, er fragt nicht um Erlaubnis!"

Es ist ein Ausschnitt aus einem weiteren Cruise-Video, das im Internet kursiert. Weil Bilder mehr sagen als tausend Worte, haben sich die US-Medien in den vergangenen Tagen weniger auf die Biografie von Andrew Morton gestürzt, sondern voller Bestürzung auf die firmeninternen PR-Clips der Scientology, die Cruise in der Rolle seines Lebens zeigen: Als messianischen Verbreiter einer verquasten Lehre, die seriös daher kommt, aber ein Kessel Gebrabbel ist. Geschrieben von einem Mann namens L. Ron Hubbard, dessen Gedankengut es in den USA zum Status einer Religion brachte. Es ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Je mehr man zuhört, desto weniger versteht man

Je mehr Cruise-Clips im Internet auftauchen, desto schriller scheinen sie auszufallen. Cruise über Psychiater: "Bei diesen Jungs werde ich wirklich eiskalt. Psychiater. Ich habe es satt. Ich habe es wirklich satt. Es widert mich an. Wie sie versuchen, das, was sie machen, zu rechtfertigen. Und plötzlich wird das Ganze als selbstverständlich akzeptiert - als ob es okay ist. Ich habe kein Erbarmen mit ihnen. Keines."

"Es", "etwas", "das Ganze" - Cruises Märchenstunde hat eine tragische Note. Je mehr man zuhört, desto weniger versteht man. Wovon redet der Mann? Er wirft nur so mit Buchstaben und Abkürzungen um sich. "Äs-Piis" sind die Gegner der Gemeinschaft, "Si-Si-Ar-Eitsch" ein sogenanntes Antidrogenprogramm. Aber wer soll das wissen? Es klingt nach pseudowissenschaftlichem Star-Trek-Jargon - Sciencefictionology. Dann wieder ist es ein einziger Boom-Boing-Pfff-Overkill. Ein Weltstar als Lachnummer.

Amerika macht sich über Cruise lustig

Eine Lachnummer ist Cruise inzwischen wirklich. Niemand hat seine wahnsinnigen Auftritte besser auf den Punkt gebracht als der Comedian Craig Ferguson. In einem Eineinhalb-Minuten-Film in seiner "Late Late Show" auf CBS nahm der Schotte, mit einer braunen Perücke ausgestattet, die verirrt-verwirrten Cruise-Manierismen aufs Korn. Fuchtelt wild mit den Armen, lacht wie von Sinnen - genau wie das Vorbild. Mittlerweile ist der Clip ein Renner auf youtube.

Das Erstaunliche: Dank des absurden Verhaltens von Cruise fällt es sogar den toleranten Amerikanern immer mehr auf, dass Top Tom Hilfe dringend Hilfe braucht. Bei CNN und anderen Sendern beschäftigen sich Moderatoren ausführlich mit Cruise und seinem Unternehmen, das in den Vereinigten Staaten als Religion läuft. In TV-Specials wie "Inside Scientology: Ein Glaube unter Beschuss" wird die Gruppe gehörig angegangen. Es ist ein medialer Supergau.

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Dass die Scientology verzweifelt versuchte, die Filme von Websites wie gawker.com entfernen zu lassen, hat alles nur noch schlimmer gemacht. Spätestens dadurch wurden die Medien auf die Filme mit Namen wie "Tom Cruise über Tom Cruise" oder "Tom Cruise über Scientology" aufmerksam. Während Scientology-Anwälte Gawker Media vorwerfen, das Video ungenehmigt veröffentlicht zu haben, beruft sich Gawker nämlich auf das sogenannte "Fair Use"-Recht. Danach kann das unautorisierte Publizieren geschützten Materials gestattet sein, wenn das gezeigte Material eine nachrichtliche Relevanz hat. Gawker sieht diese Bedingung bei den Cruise-Filmen erfüllt.

Tom Cruise will aufräumen

Weshalb auf der Seite inzwischen fast alles rund um Toms Tag 2004 zu sehen ist. Als Cruise mit der "Freiheitsmedaille für Heldenmut" von seinen frommen Freunden ausgezeichnet wurde - für, ha ha, "Erreichtes im Bereich der Exzellenz". Laut gawker.com ist das Gezeigte der "director's cut". Cruise schick im Anzug, eine Plakette baumelt an einem Band um seinen Hals. Der Meister redet auf ein großes Publikum ein, hinter ihm befindet sich ein gigantisches Scientology-Fantasy-Logo. "Jetzt ist die Zeit, Leute! Die Zeit, an die wir später einmal so zurückdenken werden: Wart Ihr damals ein Teil davon? Was habt ihr gemacht?"

Dann wird Tom noch emotionaler: "Ich denke ihr wisst, dass ich für euch da bin. Und ihr liegt mir wirklich sehr, sehr, sehr am Herzen." So viel sehrs sind fast schon beunruhigend. Cruise ruft: "Was denkt ihr, werden wir diesen Platz aufräumen?" Der gesamte Scientology-Saal ruft begeistert. "Yeahhh." Was ist "dieser Platz"? Die Erde, die Scientology nach eigenem Verständnis "säubern" will?

Zuletzt umarmt Cruise den Oberscientologen David Miscavige. Der steuert seit 21 Jahren die Geschicke der ominösen Organisation. Ex-Scientologen erzählen die unglaublichsten Geschichten über ihn: Dass er Gegner der Gruppe als "Eichhörnchen" bezeichnet, die es fertig zu machen gilt. Dass er missliebige Mitglieder am Kragen packte und heftig schüttelte, ihnen ins Gesicht schlug. Sie schlicht und ergreifend misshandelte. Das ist der Mann, den Cruise voller Inbrunst umarmt. So lustig seine verpeilten Auftritte auch wirken - so lustig ist das alles dann doch nicht.

Vielleicht können sich Deutschlands Kinobetreiber im Sommer ja dazu durchringen, diesen kurzen Cruise-Clip vor "Walküre" zu zeigen: Der künftige Graf von Stauffenberg salutiert vor dem Bild eines alten Mannes und spricht stramm stehend die Worte "Für El-Ar-Eitsch." Lafayette Ron Hubbard hätte sich sicher gefreut. 1986 hat er den Abgang ins scientologische Himmelreich gemacht. Wahrscheinlich liegt es irgendwo im Weltraum.

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