50 Jahre Brigitte Kuchen und Karriere

Am allerbesten ist es ja, ziemlich alt zu sein und dennoch ziemlich jung auszusehen. Für die Brigitte überhaupt kein Problem: Sie feiert ihren 50. Geburtstag.

Es geschah zu der Zeit, als die Beziehung zu meiner Frisur ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Es hatten sich bereits unschöne Szenen auf meinem Kopf zugetragen - ausgelöst durch ruppiges Toupieren, missglückte Hochsteckaktionen und einen Versuch mit Zuckerwasser, von dem ich mir schwungvollen Halt versprochen hatte, der aber mit einer Art asymmetrischer Beton-Mütze endete. Das war 1985. Ich war, nun ja, ungefähr weit unter zwanzig, und die "Brigitte" trat in mein Leben mit dem "Sonderheft Schönheit und Frisuren" für 6 Mark 50.

Ich wollte exakt so aussehen wie die Frau auf Seite 41. Das ist mir aber bis heute nicht gelungen. Was damit zusammenhängt, dass der lachsfarbene Lippenstift auf meinem lachsfarbenen Teint verschwindet wie Taubenkacke auf einer weißen Motorhaube. Außerdem hat Frau Seite 41 dunkle Haare, eine schmale Gesichtsform und braune Augen, na ja, egal.

"Brigitte" hat das "Brigitte Extra-Modell"

Ich blieb fortan der "Brigitte" treu. Die ersten Jahre bekannte ich mich nie öffentlich zu ihr. Meinen modischen, scheußlichen Plastikzeitschriftenständer dekorierte ich mit der italienischen "Vogue". Weil die "Vogue" ist nämlich Avantgarde. Ja, ich denke, so nennt man das, wenn man die Mode auf den Modefotos grundsätzlich nicht erkennen kann, wenn die Mode, die man nicht erkennen kann, immer mehr als 1500 Euro pro 100 Gramm kostet und nur von Frauen getragen werden kann, deren Beine länger sind, als eine durchschnittliche Frau groß ist. Die "Brigitte" dagegen hat seit 1969 das "Brigitte Extra-Modell", und das gibt es bis Größe 44. Und das ist nicht Avantgarde, das ist das Leben. Die "Brigitte" lesen ist, wie wenn dich deine Mama von der Party abholt. Irgendwie bis du froh, dass du heil nach Hause kommst, aber du bittest sie trotzdem, zwei Ecken weiter zu warten.

Wir sind beide älter geworden. Ich bin mittlerweile, nun ja, etwas über dreißig, und "Brigitte" feiert ihren 50. Geburtstag. Im Mai 1954 erschien das erste "echte" Heft. Denn der Vorläufer wurde bereits 1886 gegründet, kostete einen Groschen, hieß, kein Witz, "Dies Blatt gehört der Hausfrau - Zeitschrift für die Angelegenheiten des Hauses".

"Geiz ist schnieke, Ulrike"

In den zwanziger Jahren kam zum ersten Mal der Name "Brigitte" ins Spiel, als sich ein Poet im Ullstein-Verlag folgenden, echt knorke Slogan ausdachte, um die Mode zum Selbermachen anzupreisen: "Sei sparsam, Brigitte, nimm Ullstein-Schnitte." Im Gespräch waren auch: "Nimm Ullstein-Schnitte zum Sparen, Karen", "Mit Ullstein-Schnitten aus der Krise, Lise" und "Geiz ist schnieke, Ulrike!" Das ist selbstverständlich gelogen und selbst gemacht, und gegen ein hochdotiertes Angebot aus der Werbebranche hätte ich nichts einzuwenden.

Es ist schon sehr ulkig, mitunter auch beschämend, in alten "Brigitte"-Heften zu blättern. Wie ungern wird man daran erinnert, dass man selbst einst die Farbe Petrol für eine Offenbarung hielt. Dass man tatsächlich einmal glaubte, in Overalls und mit Frotteestirnband gut auszusehen. An die Themengebiete Strickkleider und Stulpen wäre ich zum Beispiel gerne nie wieder erinnert worden. Andererseits kann man natürlich auch froh sein, dass man 1970 noch Windeln trug statt Kleider mit Troddeln und Kordeln dran, in denen Frauen aussahen wie formlose Wandteppiche.

Es genügt ein Lidstrich

In der "Brigitte" von 1970 wurden Themen diskutiert wie "Wie viel Taschengeld braucht eine Ehefrau?" Dazu äußerte sich Ch. Zerbe, 21, aus Moers in einem Leserbrief: "Ich war schon immer der Meinung, dass eine Ehefrau nicht allzu viel Kosmetik braucht. Es genügt z. B. ein Lidstrich. Logischerweise braucht sie also auch nicht viel Taschengeld." Ch. Zerbe löste die Verlobung mit seiner Freundin, weil sie auf 60 Mark Taschengeld bestand, statt sich mit 30 zufrieden zu geben. Und das habe ich mir nicht ausgedacht.

Ohne es zu wissen, hat Ch. Zerbe da allerdings bereits vor 34 Jahren ein Problem vorweggenommen, dass mich und sehr viele Frauen bis heute beschäftigt: der Lidstrich. Im "Brigitte"- Extra-Heft "Schminken leichtgemacht" von 1999 steht dazu: "Wenn der flüssige Lidstrich erst mal getrocknet ist, können Sie ihn nicht mehr wegwischen, falls er zu breit geworden ist oder nicht genau am Wimpernansatz sitzt." Ja, das ist ein wertvoller Hinweis, der dir aber auch nicht viel nutzt. An meinem letzten Lidstrich versuchte ich mich im Hause meiner Freundin Karla, und meine Bemühungen wurden von ihrer vierjährigen Tochter so kommentiert: "Guckt mal, Tante Ildikó hat eine Brille auf!"

Das Zentralorgan für den besten Obstkuchen

Und natürlich hatte die "Brigitte" schon früh weit mehr zu bieten als Schminke, Mode, Haare und die legendäre Rubrik "Machen Sie mehr aus Ihrem Typ". 1979 beispielsweise wurde eine junge Dame vorgestellt mit der Überschrift: "Sie war hübsch und wusste es nicht". "Brigitte" war nicht nur "das Zentralorgan für die besten Obstkuchen", eine Bezeichnung, die leider nicht mir, sondern jemandem bei der "Süddeutschen Zeitung" eingefallen ist, sondern brachte auch soziale und politische Themen. 1973 startet sie die Kampagne "Wir brauchen einen neuen Beruf: Tagesmutter", 1976 erscheint eine Serie über Frauen, die für den Bundestag kandidieren. Zehn Millionen Aufkleber "Wählt Frauen!" werden gedruckt.

1998 gründet "Brigitte" die Initiative "Frauen ans Netz" mit Internetkursen. Es gibt Berufs- und Psychoseminare, Romanwettbewerbe, Spendenaktionen und Fitnesskurse. "Wir machen ein Blatt für Frauen, wie sie sind, nicht, wie manche sie gern hätten", hat der langjährige "Brigitte"-Chefredakteur Peter Brasch mal gesagt. Anderthalb Millionen Frauen kauften die "Brigitte" noch 1977 - heute sind es etwas mehr als 800 000. Damit hat "Brigitte" zwar ordentlich Auflage verloren, ist aber auf dem umkämpften Markt der Frauenzeitschriften nach "Bild der Frau" die erfolgreichste.

Trutschig und bieder oder patent?

Wie ist "Brigitte"? Manche finden sie "trutschig und bieder". "Patent" nennen sie viele. "Frigitte" finden einige lustig. Mein Freund Peter sagt: ""Brigitte" ist eine Frau, mit der man Kinder haben will, aber keinen Sex." Meine Freundin Birgit sagt: ""Brigitte" ist das 50er-Idyll von der Hausfrau, die in jeder Karrierefrau steckt und die ihre eigentliche Bestimmung darin findet, das Heim zu Ostern zu dekorieren." Im Fernsehen habe ich letzte Woche gesehen, wie eine "Emma"-Redakteurin gespottet hat über die "Brigitte"-Leserin, die zu Weihnachten nach Anweisung des "Brigitte"-Sonderheftes Lebkuchen backt.

"Ich kann alles gleichzeitig"

Leute, ich muss schon sagen. Wie trutschig ist das denn? Glaubst du, blöde Tante Emma, ich könnte nicht alles gleichzeitig? Emanzipiert sein und Lebkuchen backen? Mich etwas zu dick finden, meinen Mann anbeten, ihm befehlen, fettreduziert zu kochen, gut verdienen und einen Teil des Geldes in aufwendige, den jeweiligen Feiertagen angemessene Dekorationsartikel investieren? Hey, darüber könnte ich mich stundenlang aufregen! "Wer hat den Gedanken der Emanzipation in die kleinen Orte gebracht? Die Emma? Die Studentinnen, die in Hörsälen diskutierten? Nein, das war die "Brigitte"", sagt Chefredakteur Andreas Lebert, der auch null Bock hat, sich zu rechtfertigen, dass er als Mann eine Frauenzeitschrift leitet. Die Zeiten sind auch echt vorbei.

Was machst du, emanzipierte Frau, wenn du in einer fremden Stadt einen Vortrag halten musst und der Anzug, den du aus dem Koffer ziehst, höllisch zerknittert ist? Du hängst ihn ins Badezimmer, das du vorher unter Dampf gesetzt hast. Tipp von "Brigitte". Und was machst du, wenn du in Paris bist und zufälligerweise nicht genug Geld fürs Ritz hast? Du rufst im Hôtel des Grandes Ecoles an: (01)43 26 79 23 . Telefonnummer und Tipp von "Brigitte". Und was machst du, moderne Frau, wenn du deine Wohnung am frühen Morgen verlässt und weißt, dass du erst spät am Abend wieder nach Hause kommen wirst? Du lässt ein Licht brennen im Fenster, dass dich am Abend begrüßt, weil es nicht schön ist, ins Dunkle heimzukommen. So mache ich das, seit ich vor langer Zeit in der "Brigitte" gelesen habe, dass Elke Heidenreich das so macht.

Herzlichen Glückwunsch, meine liebste "Brigitte"

Ich schäme mich schon lange nicht mehr, die "Brigitte" zu lesen. Ich habe ja sogar mal da gearbeitet, ohne mich jeden morgen zu verkleiden. Und da hatten die Frauen das Kommando, die wenigen Männer dort waren meistens auf Diät, und meine Chefin Anne Volk hat gesagt, was die "Brigitte" ist und sein soll: "uncool". Und Anne Volk ist im Übrigen eine sau-uncoole Frau, die ich unter anderem bewundere, weil sie schon vor langer Zeit die Frisur gefunden hat, die zu ihr passt.

Mit der Zeit lernt man, sich mit der ein oder anderen Gegebenheit des Daseins zu arrangieren. Ich für meinen Teil habe Frieden geschlossen mit meiner Kopfbehaarung - ein ungünstig platzierter Wirbel bleibt ein ungünstig platzierter Wirbel, daran kann auch ein Frisuren-Sonderheft nichts ändern - und mit der Tatsache, dass das Extra-Modell von "Brigitte" besser zu mir passt als das brustwarzenfreie Seiden-Bustier von Gaultier. "Die Stärke der "Brigitte" ist die Realität, nicht der Traum", sagt der Chef Lebert, der schon lange nicht mehr auf Diät ist. Und Sandra Maischberger stellt im "Brigitte"-Jubiläumsheft die Frage, die sie am allermeisten interessiert: "Kann ich wirklich so viel Nudeln essen, wie ich will, ohne dick zu werden?" Wow, das ist wirklich... uncool. Und die Antwort interessiert mich brennend. Herzlichen Glückwunsch, meine liebste "Brigitte", und ein langes Leben!

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Ildikó von Kürthy

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