Küche Für Köche, die an ihrer Küche hängen

In Sachen Heimgastronomie fiel den Designern länger nichts Neues ein. Bis einer auf die Idee kam, Herd und Spüle schweben zu lassen.

Und was, wenn ein Kind Ihre schöne Bulthaup-b3-Küche mit lustigen Pril-Abziehblümchen beklebt? "Macht nichts", sagt Jochen Geers, Bulthaup-Geschäftsführer aus Aich in Niederbayern, "unsere Oberflächen sind so, dass man sie leicht wieder ablöst."

Das ist zwar gar nicht der Punkt, aber die Antwort macht klar, dass mit Geers ein Vertreter der reinen Lehre vor uns steht, der in der Begriffswelt von Minimalität, Sinnlichkeit, Skulpturalismus, light design und Ingenieurhaftigkeit lebt, für den aber gar nicht denkbar ist, dass Pril-Abziehblumen nicht appliziert werden, um von den edlen Küchenschränken wieder abgepiddelt zu werden, sondern um zu bleiben. Dann ist Schluss mit der Ästhetik, das ist Claudia Schiffer mit DDR-Dauerwelle.

Schmal, im schwarzen Anzug und weißen Hemd vertritt Geers den monastisch-asketischen Genießertypus. Firmeneigner Gerd Bulthaup ist vom gleichen Schlag, mit vollem Weißhaar und schwarzer Brille allerdings noch etwas vergeistigter. Beide kann man sich im Ambiente ihrer linienklaren Produkte leicht vorstellen. Sie schneiden dort Zitronengras in proportional angemessene Stücke uniformer Länge und arrangieren sie auf einem Mahi-Mahi, den sie im Gaggenau-Dampfgarer à point dünsten und dann mit ausgesuchten Freunden zu Duftreis und einer Flasche Cloudy Bay Chardonnay zelebrieren.

Aber Spott ist billig. Die neue Bulthaup-Küche hingegen das Ergebnis vieler Mühen. Und es ist ja gerade dieser perfektionistische Kopfmenschenansatz, der Küchen wie das neue Modell "b3" erst entstehen lässt - ein feines Stück Arbeit.

Zur mondänen Mailänder Möbelmesse wurde die neue Küche jetzt vorgestellt. Allerdings in einem vornehm separaten Show-Room. Dort fand sie das internationale Publikum, das die Ausrichtung der Bayern klar macht: den Weltmarkt. Etwa 70 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet die Firma inzwischen im Ausland. Amerikaner, Chinesen, Niederländer und Japaner waren zahlreich unter den Besuchern, Deutsche und Italiener sowieso.

Schulter an Schulter

mit den Konkurrenten um das Messepublikum zu buhlen, hätte den Bayern aber auch nicht wehgetan. Im Gegenteil. Ein Gang über die Stände macht fühlbar, wie sehr die Bulthäupter tatsächlich Maßstäbe setzen. Von den Konkurrenten Siematic und Leicht mal abgesehen, muss man nur an den Küchentüren der Wettbewerber wackeln, die Schaltknöpfe ihrer Apparate hin- und herbewegen, die Scharniere auf- und zumachen und die Abschlüsse der Edelstahlverkleidungen befühlen, um zu erkennen, wie weit Sein und Design mancherorts auseinander klaffen.

Allein wie eine Bulthaup-Schranktür gebaut ist - mit einem Holzkern zwar, aber von Edelstahl so vollkommen und gänzlich gratfrei umschlossen - ,allein dies vermittelt ein so sattes Gefühl von Präzision, Solidität und Durabilität, dass man sich die "b3" sofort als Teil der internationalen Raumstation denken kann. Sollte die je zu verglühen drohen, würde man zuvor noch ihre Rettung planen.

Was an der "b3" ist wirklich neu?

Angeleitet von dem Designer Herbert Schultes waren die Bulthaup-Ingenieure bestrebt, Material und Gestaltungselemente auf das Wesentliche zu reduzieren. "Leicht, horizontal, schwebend" (Geers) sollte die neue Küche sein - und so ist sie weitestgehend geworden.

Alle im Querschnitt sichtbaren Arbeitsflächen - selbst die Granitoberfläche der Arbeitsplatte - haben nur noch eine hingehauchte Stärke von zehn Millimetern. Da Granit pur leicht platzen würde, wurde die Platte zum Schutz vor dem Zerspringen sogar noch auf sechs Millimeter verdünnt und dafür mit mehreren dünnsten Lagen Stahl und Kunststoff unterfüttert.

Als Nächstes hatte Schultes die Idee, aller Stauraum solle ohne Bücken oder Strecken erreichbar sein, womit er unseren immer heftigeren motorischen Defiziten schon mal resignativ entgegenkommt. Also reichen die Schränke kaum unter das Knie und nicht höher als dorthin, wo früher in der Diele die Hutablage war. Auf die Schrankfüße, die nun stelzig und lang geworden wären, wurde auch gleich verzichtet - die Küchenschränke scheinen nun, wenn man so will, zu schweben.

In Wahrheit hängen sie an der Wand. Die allerdings hat es in mehrerer Hinsicht in sich. Bei der handelt es sich nämlich - und dies ist das nun eigentlich Interessante an der "b3" - um eine eigenständige Wand aus Stahlrahmen und Milchglas-, Holz- oder Aluminiumpaneelen, die der eigentlichen Hauswand vormontiert wird. In sie eingelassen sind drei so genannte Funktionsleisten, in die nun die Küchenschränke und -geräte variabel eingehängt sind. Es ist wie eine Sprossenwand in der Turnhalle, an der der Küchenplaner seine Übungen verrichten kann.

Wenn nun oben und unten Platz weggenommen wird, wohin dann mit Töpfen und Pfannen, Flaschen und Gewürzen? Erstens sind die Schränke in sich schon mal tiefer, nämlich 70 Zentimeter, sodass sie mehr aufnehmen können. Zweitens hat die hohle Funktionswand eine eigene Tiefe, die sich wieder als Stauraum eignet. Dort findet Platz, was jenseits des Bück- und Streckraums seine Heimat verlor.

Je nach Kundenwunsch kann nahezu jeder Bereich der Wand herausklappbar sein und nun beispielsweise die großen Küchenmesser bergen, das Schneidbrett, die Batterie der Öl- und Essigflaschen, beliebig viele Gewürzgläser, auch Spülmittel und Bürsten. Was sonst einen nüchtern-klaren Raum wohnlich macht, verschwindet hinter kühlem Glas - oder einer anderen von zahlreichen möglichen Oberflächen. Zwar verursacht die Wand zusätzliche Kosten - allerdings, so Geers, werde dies aufgefangen durch vereinfachte Montage der Elemente, die ja nur noch eingehängt zu werden brauchen. Wo wir dabei sind - zu den Kosten: Es ist kein großes Geheimnis, dass eine zirka 40 Quadratmeter messende Küche von Bulthaup nicht unter etwa 50 000 Euro zu haben ist. Dies zu bestätigen, windet sich der Geschäftsführer ausdauernd. Nur so viel: Die neue "b3", so Geers, werde nur unwesentlich teurer als ihr Vorläufer. Zehn Prozent? Nein, ruft Geers, auf keinen Fall. Eher fünf.

Bei so viel Perfektion

zu solchen Preisen verwundert allerdings doch das eine oder andere Detail. Die Rollschrankelemente etwa sind hübsch anzusehen, von oben aber ohne Abdeckung und sammeln dort endlos Fett und Staub, der bei heruntergelassenem Rollo hässlich sichtbar wird und auf die Dauer kaum bekämpfbar. Da hilft auch nicht, dass die neue Dunstabzugshaube zwar zum Koch hin nach oben schräg hochgezogen ist, was Stoßgefahr und Stirnbeulen mindert, aber auch die Dämpfe schlechter fasst, was wieder die Fettablagerungen fördert.

Löblich hingegen ist, dass unter den Schränken, wo ja jetzt viiiiel Platz ist, das Haustier seine Heimstatt findet. Lang wurde ja schon bemängelt, dass in der edlen Welt von Bulthaup die Katze keinen Raum zum Kuscheln hat. Das wird nun anders. Unter der "b3" hat nicht nur die Katze, dort hat ein ganzer Wurf von Doggen Platz. Die "b3" wird ab September an die Händler ausgeliefert.

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Bernd Gamerschlag

PRODUKTE & TIPPS