Man kann es so sehen wie Mike Merié, ein Designer, der mit Möbeln an sich gar nicht viel zu tun hat. Meiré sagt, dass doch alles schon entworfen wurde, der Wohnraum sei mit zahllosen Varianten einzelner Ideen gefüllt. Für sich selbst hat Meiré daraus den Schluss gezogen, die Räume durch Brüche neu zu beleben. Etwa das Badezimmer. "Was schaut man an, wenn man in der Wanne liegt? Die blanke Decke." Er will die Decke erwecken, mit Bilderprojektionen etwa. Außerdem soll das Badezimmer mit Klängen gefüllt werden. Klar, Esoterik, ganz interessant, kann man ja mal ausprobieren. Bei der Installation für die Firma Dornbracht am Rande der Mailänder Möbelmesse wirkt die Idee zumindest verlockend. Am Ende hilft sie Dornbracht aus Iserlohn, noch ein paar mehr Wasserhähne und Duschköpfe zu verkaufen.
Aber Meirés Befund ist bedenkenswert: Was soll denn noch alles zum x-ten Mal neudesignt werden? Sofas zum Beispiel. Antonio Citterio, ein geschätzter und viel beschäftigter Architekt und Designer hat für die Firma B&B Italia ein neues Wohnprogramm entworfen (bzw. von seinen Mitarbeitern entwerfen lassen). Es heißt Frank. So wie der Architekt Frank Lloyd Wright. In den Verkaufsräumen von B&B Italia erklärt Citterio etwas über die Proportionen, warum die Polsterkissen nicht höher sein sollten als die filigranen Stahlfüße. Ja, ein schönes Sofa mehr.
Bekanntes neu formen - so lautete das Credo in Mailand
Herzlich willkommen auf der Mailänder Möbelmesse, der Leistungsschau, die zeigt, wie man Vorhandenes noch weiter ergänzen, verfeinern, perfektionieren kann. Die große Kunst des italienischen Design besteht im Moment in genau dieser Disziplin: Bekanntes neu zu formen. Das erinnert mitunter an eine Modenschau von Armani. Und so stößt man in den Hallen der Messe, in den Showrooms der Hersteller sowie in den vielen Nebenschauplätzen immer wieder auf die gleichen Namen: Citterio, der außerdem noch Armaturen, Türklinken, Regale und Tische entworfen hat. Oder Jasper Morisson, einer der großen Design-Engländer. Von ihm gibt es wunderbare Holzmöbel für das Junglabel Estasblished & Sons sowie zwei Küchenstühle, einen für Vitra ("Basel") und einen für Magis ("Pipe"), die einander ziemlich ähnlich sehen.
Konstantin Grcic überzeugt mit innovativen Formen und Farben
Oder Konstantin Grcic, einst Schüler von Morisson und heute die große deutsche Designinstanz der Gegenwart. Seinem Ruf als Innovator wird der Münchner gerecht durch den Stuhl Myto für Plank. Bei ihm handelt es sich um einen Freischwinger ganz aus Kunststoff. Das ist wirklich neu. Und wunderbar günstig: 175 Euro plus Mehrwertsteuer kostet der Stuhl. Daran hätten auch die Erfinder des Freischwingers, die Bauhaus-Architekten Mart Stam und Marcel Breuer, ihre Freude gehabt.
Grcic, der auf dem Stand von Plank neben seinen Stühlen steht wie ein stolzer Papa neben seinen Söhnen, ist diese Freude am sanften Grinsen hinter dem Vollbart abzulesen, sprechen kann der Designer aufgrund einer Erkältung kaum. Und somit auch keine einleuchtende Erklärung dafür geben, warum er, der Verfechter des Reinheitsgebots im Design, ein Glas für eine Wodka-Firma entworfen, auf dem "Absolut Grcic" steht. Das ist mehr weit entfernt von den Dingen, die der Designer Karim Rashid so treibt, darunter ein pinkfarbener Champagnerkühler für Veuve Cliquot für 2500 Euro. Außerdem hat Grcic für die große Firma Cassina einen Holzstuhl entworfen, der dem Holzstuhl Venus der kleinen Firma Classicon verdammt ähnlich sieht. Gestaltet hatte Venus übrigens ebenfalls Grcic, vor zwei Jahren. Da fühlt sich jemand zu Höherem berufen.
Die überraschenden Dinge stammten in Mailand diesmal überwiegend von Newcomern: Der zusammenklappbare Aluminium-Stuhl Stitch von Adam Goodrum etwa (für Cappellini). Das indisch angehauchte Sofa My Beautiful Backside von Nipa Doshi und Jonathan Levien (für Moroso). Die Gartenstuhl-Bank Ghisa von Riccardo Blumer und Matteo Borghi (für Alias). Von ihnen gehen Impulse aus, die wirklich belebend wirken. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, dass ein paar junge Leute auf die Designbühne treten. In Mailand wurde in diesem Jahr ein Anfang gemacht.