Das schwarze Nadelstreifenkorsett legt sich eng um den Körper. Der Schlitz über dem Bauchnabel gibt den Blick auf ein silbernes Oberteil frei, unter dem sich der runde Bauch wölbt. Die Kundin dreht sich zufrieden vor dem Spiegel. "Den Bauch darf man ruhig sehen", sagt sie. Wer im Berliner Szenestadtteil Prenzlauer Berg spazieren geht, sieht es allerorten: Die angehenden Mütter kleiden sich trendy, elegant oder sogar provokant bauchfrei. Schlabberlook ist out, figurbetonte Schnitte sind in.
"Die Gesellschaft hat ihr Verhältnis zur Schwangerschaft geändert", freut sich die Künstlerin Anja Maria Höppner. "Bauch gilt heute als ein Beweis des prallen Lebens. Er wird nicht mehr versteckt, sondern selbstbewusst getragen." Höppner bietet einen besonderen Service für schwangere Frauen an. In ihrem Atelier fertigt sie Gipsabdrücke von Bäuchen und schafft damit ein Andenken an die runden Zeiten.
"Das Frauenbild hat sich geändert"
Die Kunst hat den dicken Bauch schon lange für sich entdeckt. Eine übergroße, nackte Schwangeren-Skulptur von Ron Mueck erregte in Berlin kürzlich die Gemüter. In London hat der Künstler Marc Quinn mit seinem Denkmal einer nackten Schwangeren sogar den Trafalgar Square erobert.
Trendforscher sehen in der Bauch-Begeisterung mehr als nur eine Mode-Erscheinung. "Das Frauenbild hat sich geändert", sagt Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut in Kelkheim bei Frankfurt. Wenzel spricht vom "Sarah Connor Phänomen". Die Sängerin habe ihre Schwangerschaft in den Medien inszeniert und damit ihren Fans vermittelt, dass sie alles sein kann: Luder, Mutter, Ehefrau und Superstar zugleich. Mutter sein heißt laut Wenzel heute nicht mehr «nur» Mutter sein. Müttern gelinge heute häufiger der Spagat zwischen Kind und Karriere.
"Dicke Dinger"
Eine Nachforschung in Berlin stützt die These der Trendforscher. In der Hauptstadt gibt es etliche erfolgreiche Unternehmerinnen, die Kind und Karriere verbinden. Die ehemalige Balletttänzerin Kathlyn Pope, die während ihrer Stillzeit unter unpraktischer Kleidung litt, wechselte kurzerhand vom Ballettsaal ins Designstudio. Ihre elegante "out 2 lunch"-Kollektion mit diskretem Stillschlitz kam so gut an, dass Pope jetzt einen europaweiten Onlineverkauf startet. In Berlin- Mitte erfreut Eva Math, Inhaberin des Geschäfts "Dicke Dinger", ihre Kunden mit Still-Dessous bis BH-Größe 105 H, "die nicht nach Krankenhaus aussehen". Beide Frauen sind Gründerinnen aus Not: "Weil es für Schwangere einfach nichts gibt."
Kürzlich eröffnete in Berlin ein so genanntes Wickeltaschenkino für Mütter. Die Filmverleiherin Seneit Debese möchte begeisterten Cineastinnen mit Babys den Kinogang ermöglichen. "Vielen Frauen kommen während der Schwangerschaft gute Produktideen", weiß auch die ehemalige Vertriebsberaterin Anette Nägele. Während ihrer Schwangerschaft entwickelte sie eine Stilluhr, die genau anzeigt, wann das Baby zuletzt wie viel getrunken hat. Jetzt eröffnet sie ein Existenzgründerforum für werdende Mütter und Väter im Internet.