Freizeit »Ich habe die Arschlöcher aus dem Internet unterschätzt«

  • von Fiona Weber-Steinhaus
Freizeit: © Jana Cruder
© Jana Cruder
Der ehemalige »Twilight«-Star Robert Pattinson erklärt, warum man in Hollywood nur als Streber Erfolg haben kann.

Robert, wann hast du das letzte Mal auf einer Party bis morgens durchgefeiert?

Das ist lange her, Silvester, glaube ich. Das ist jetzt wahrscheinlich die lahmste Antwort des Jahrhunderts. Ich habe mit meiner Freundin und noch fünfzig anderen bei ihr zu Hause gefeiert, ein kleiner Raum, eine kaputte Beatbox, das war schon ganz lustig.

Klingt ein wenig langweilig.

Auf jeden Fall! Ich trinke Green Smoothie Shakes statt Alkohol und gehe tatsächlich täglich eine Stunde ins Fitnessstudio. Das ist zwar peinlich, aber unbedingt notwendig. Ich bin genetisch nämlich eher ein Fettwanst.

Du hast E-Zigaretten geraucht – das ultimative Symbol des gesundheitsoptimierten Lasters.

Klar, man raucht, aber eigentlich auch nicht. Für mich stellt diese Gewohnheit aber eher den Übergang zum Nichtrauchen dar. Ich habe zweimal versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, indem ich Teebaumöl-Zahnstocher gekaut habe. Aber die sind schlimmer als E-Zigaretten, damit mahlst du dir deine Zähne weg. Das Wichtige ist: Vor sechs Monaten sah ich noch aus wie 40, jetzt wie 32, vielleicht sehe ich nach einem Jahr ohne Zigaretten wieder aus wie 29.

Wie hast du dein Leben sonst noch verändert?

Wenn wir uns vor drei Jahren zum Interview getroffen hätten, wäre ich wahrscheinlich gerade betrunken aus dem Bett gefallen und zu spät zum Interview gekommen – eigentlich war ich an jedem einzelnen Interviewtag noch betrunken. Jetzt gehe ich morgens ins Fitnessstudio und denke: Wow, du hast dich verändert. Ich kann einfach nicht mehr so crazy wie früher sein. Ich bin wohl in den letzten anderthalb Jahren erwachsen geworden.

Dein aktueller Film »Life« gibt einen Einblick in das alte, wilde Hollywood. In einer Szene stürzen der Fotograf Dennis Stock und James Dean in einer Bar ab. Ist es heute überhaupt noch möglich, dass du spontan zu mir sagen könntest: Komm, lass uns heute mal einen draufmachen?

Das kann ich letztendlich schon selbst entscheiden, warum nicht? Als ich 2014 bei der Berlinale war, habe ich mich zum Beispiel spontan mit meinen Eltern in einer Bar betrunken, was wir eigentlich nie machen. Später habe ich sie überredet, mit mir in den Kit-Kat-Club zu gehen – ohne zu wissen, dass dort viele nackte Menschen sind.

Und?

Wir standen in der Schlange, aber sind dann doch nicht reingegangen.

Hollywoodschauspieler galten früher aber als ultimatives Vorbild für ein extravagantes Leben, für glamouröse Garderobe, wilde Poolpartys und Affären.

Die Zeiten sind vorbei. Der Schauspieler Colin Farrell wurde als Letzter überhaupt dafür gefeiert, dass er wild war. Das ist nur sieben Jahre her – und doch heute unvorstellbar. Schauspieler sind mit ihren Instagram-Wohlfühl-Accounts eher ein Beispiel dafür, wie man ein gesundes Leben zu führen hat. Die Geldgeber haben Hollywood das Rebellische ausgetrieben. Das wilde Leben hier ist tot.

Warum, meinst du, wollen die Menschen an das exzessive Leben in Hollywood glauben?

Wollen sie das denn?

Ich glaube schon.

Ich habe dieses ach so wunderbare Partyleben in Hollywood nie selbst erlebt. Klar, es gibt diese Szene-Events, auf denen immer eine Horde aufgetakelter Tussen rumhängt. Man müsste allerdings ein absoluter Idiot sein, mit denen etwas anzufangen. Überleg dir mal, jemand schläft nur mit dir, weil du berühmt bist.

Ist doch praktisch.

Nein, das ist widerlich. Die Frauen wollen den Kontakt mit einem Star zu Geld machen und würden die Story über eine gemeinsame Nacht sofort an Boulevardmedien verkaufen.

»Life« spielt in den 1950er Jahren, es wird ständig geraucht und getrunken. Wünschst du dich manchmal in diese Zeit zurück?

Nein, damals mussten sich viele junge Leute noch selbst verleugnen. Die moderne Sensibilität und die großen Jugendbewegungen bildeten sich erst später heraus.

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Youtube integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Seit einiger Zeit ist die Popkultur sehr fasziniert von der Ära – das sieht man an den Filmen über James Dean oder Marilyn Monroe, dem Erfolg von »Mad Men« oder der Musik von Kitty, Daisy & Lewis. Was ist so reizvoll an der Zeit?

Ich weiß es nicht. Ich glaube allerdings, dass viele Leute nicht verstehen, dass die Beat Generation wirklich noch Bücher gelesen hat. Coolness bedeutete damals, gebildet zu sein und über Existenzialismus zu debattieren – heute fotografieren sich die Leute auf Instagram mit Sonnenbrille und einer Zigarette im Mund und legen dann ein Buch neben sich. Die verstehen nicht: Nicht das Rauchen ist der coole Part, sondern die Bildung.

Hast du deswegen auch keine Facebook- Seite und keinen Twitter- oder Instagram-Account?

Ich finde diesen Zwang zur Selbstinszenierung ziemlich schrecklich.

Muss man, um als Schauspieler heute erfolgreich zu sein, sein Privatleben nicht über soziale Medien inszenieren?

Ich zumindest habe mich versteckt. Jeder will etwas von dir, es gibt so viele Quellen, Magazine, Onlineforen. Man verliert schnell die Kontrolle über sein Image. Außerdem – was heißt schon Erfolg? Wenn du wirklich zu den Top Five der männlichen Schauspieler gehören willst, stehst du wiederum vor dem Problem, dass der Markt schnell von deinem Gesicht übersättigt ist. Sieht man dich überall, wirst du schnell von allen gehasst.

Dann müssten dich ja viele hassen. Du hast von 2008 bis 2012 den Vampir Edward Cullen in der »Twilight«-Saga gespielt.

Ich muss mich tatsächlich immer noch mit der »Twilight«-Übersättigung beschäftigen, obwohl ich dachte, dass nach dem letzten Film die Hysterie abgeebbt wäre. Man beginnt, sein Leben damit zu verbringen, unsichtbar zu werden. Aber ich habe diese verdammten Arschlöcher aus dem Internet unterschätzt. Sobald jemand mit dir auf einem Foto zu sehen ist, greifen sie an und machen alle fertig.

Warum liest du das überhaupt?

Das ist wie Popel essen. Eklig, aber man macht es trotzdem – vor allem, wenn es einem nicht so gut geht.

Welche Folgen hat diese Hysterie für dich?

Ich hatte kurz das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren: Ich hatte unglaublich Angst davor, alleine die Straße entlangzulaufen. Gestern war ich zum Beispiel erstmals seit sechs Jahren ohne Sonnenbrille und Mütze am Flughafen. Seit verdammten sechs Jahren! Das war eine Riesenentscheidung für mich. Ich habe im Hotel zu mir selbst gesagt: Du versteckst dich heute nicht. Total verrückt! Und dann saß ich im Flugzeug neben der U-18-Mannschaft des dänischen Hockeyteams. Aber hey, der Druck hat abgenommen, ich fange jetzt langsam an, wieder Teil der normalen Welt zu sein.

Robert Pattinson, 29, wuchs in London auf. Als Jugendlicher arbeitete er als Model, spielte in Bands und im Jugendtheater. Er war einer von vielen unbekannten Schauspielern, bevor er durch die rolle des Edward Cullen in der Vampirreihe »twilight« plötzlich weltberühmt wurde. Seitdem spielte er in Filmen wie »Wasser für die Elefanten«, »Cosmopolis« und »Bel Ami« mit. Er wohnt mit seiner Verlobten, der Sängerin FKA twigs, in London.

Einige deiner hartnäckigen »Fans« hatten es ja nicht nur auf dich abgesehen. Deine Exfreundin Kristen Stewart wurde beschimpft und auch deine Verlobte FKA twigs wird immer wieder rassistisch beleidigt.

Die Trolle und Netzkommentatoren spielen sich als Hüter der Moral auf. Das Abstruse ist, dass diese Leute scheinbar kein anderes Leben haben, als vor dem Computer zu sitzen und ihren Hass ins Netz zu spülen. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der im Netz kommentiert. Noch nie! Aber diese Arschlöcher bewerten dein Leben. Ich sage mir jetzt selbst immer: Das ist einfach eine unzufriedene Person, die immer dieselbe Scheiße erzählt.

Du hast in einem Interview mal gesagt, dass du vor dem »Twilight«-Casting eine Valium zur Beruhigung genommen hättest. Später bist du dann aber zurückgerudert und meintest, es sei nur ein Bruchstück einer Tablette gewesen. Wovor hattest du Angst?

Die Sache ist, dass fast alle meine Aussagen verdreht werden. Irgendwann wurde mal gesagt, dass ich meine Haare nicht wasche. Manche Leute fragen mich ernsthaft: Wäschst du deine Haare? Wie grenzdebil muss jemand sein? Andere Informationen verbreiten sich gar nicht. Ich habe zum Beispiel mehrmals erzählt, dass es in »Twilight« eine Scat-Szene gab. Seltsamerweise werde ich nie danach gefragt.

Was ist denn eine Scat-Szene?

Pornos, in denen man Scheiße isst, solche Sachen.

Seltsam, dass sich niemand dafür interessiert. Die Leute stehen doch auf Sex und Perversion und Skandale.

Das Publikum ist parteiisch. Schau dir mal den Niedergang von Amy Winehouse an. Jeder, der sich diese Scheißklatschzeitschriften gekauft hat, trägt eine Mitschuld an ihrem Tod. Eine fantastische junge Künstlerin wurde von der Öffentlichkeit zu Tode gelacht. Heute werden Künstler nicht mehr für ihre Leistung gefeiert. Es ist verrückt, wie wir uns gegenseitig alle niedermachen.

Das stimmt doch nicht. Gerade Musiker werden doch für ihre Radikalität, für diesen Sex&-Drugs-&-Rock-’n’-Roll-Lifestyle bewundert.

Du musst Geld einspielen. Das ist das Einzige, was zählt. Es gibt so viele Schauspieler, die schlimme Alkoholiker sind, aber weil sie an der Kinokasse Geld machen, ist es den Studios egal. Sobald du aber den Anschein erweckst, dein kommerzielles Potenzial einzubüßen, bekommst du Probleme. Mein Tipp an alle jungen Schauspieler: Verdient erst einmal so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich. Dann könnt ihr machen, was ihr wollt. Indie-Filme sollte man meiden.

Der österreichische Philosoph Robert Pfaller meint, Exzess und Laster gehören zum Leben dazu. Wer immer nur rational handelt, sei eine Maschine, sagt er. Hast du Angst, dich selbst zu verleugnen?

Ich dachte früher immer: Ich mache einfach, was ich will, und dann wird alles gut. Bislang hatte ich eine seltsame, irgendwie coole Karriere. Aber vielleicht braucht man Erfahrung, um zu wissen, was man will.

Und, was willst du?

Eigentlich weiß ich es immer noch nicht. Was ich aber weiß: Ich möchte etwas abseits der Schauspielerei machen, in einem Bereich, den ich selbst besser kontrollieren kann. Letztes Jahr habe ich heimlich verschiedene Dinge ausprobiert. Was genau, kann ich leider nicht verraten. Sonst klappt es nicht.

Wirst du Bankberater?

Haha. Das wäre eine schöne Schlagzeile: »Enthüllt – Robert Pattinson wird Banker im Londoner Finanzviertel!«

»Life«, Start: 24. September Mit: Robert Pattinson, Kristen Hager, Ben Kingsley. Regie: Anton Corbijn

Dieser Text ist in der Ausgabe 10/15von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte der NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben ab September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App.