Freizeit Der gespielte Soldat

Freizeit: Der gespielte Soldat
Der Film »Zwischen Welten« läuft jetzt im Kino.

Nach mehr als zehn Jahren ziehen die deutschen Truppen aus Afghanistan ab. Im Film »Zwischen Welten« erzählt die Regisseurin Feo Aladag die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Bundeswehrsoldaten und seinem afghanischen Übersetzer. Der Schauspieler Pit Bukowski hat den Soldaten Petze gespielt und musste vor Beginn der Dreharbeiten erst einmal den Dienst an der Waffe lernen.

Pit, du spielst einen jungen Bundeswehrsoldaten. Hast du eigentlich gedient?
Ich wurde zum Glück sofort ausgemustert. Die wollten mich nicht einmal sehen. Keiner aus unserem vierzigköpfigen Filmteam war bei der Bundeswehr.

Bist du in der Uniform in deiner Wohnung auf- und abmarschiert oder wie bereitet man sich auf so eine Rolle vor?
Nein, nein. Das war alles super spontan. Der Anruf kam und ich wusste, zwei Wochen später, Ende April 2013, fliege ich nach Afghanistan. Eine Woche habe ich mich gegen alles Mögliche impfen lassen und die zweite Woche verbrachte ich mit den anderen Schauspielern im Trainingslager der Bundeswehr in Hammelsburg. Ich dachte erst: »Ach, die lassen uns ein bisschen mitlaufen.« Und dann musste ich um 5 Uhr morgens raus, joggen mit Gewehr, Schießübungen machen, durch Labyrinthe kriechen und an Seilzügen hangeln. Alles, was man sich so vorstellt. Ich habe auch Häuserkämpfe trainiert und die Grundlagen der Befehlssprache »Fnaki« gelernt. Was aber auch wichtig war: Wir alle haben ein Gespür für die Kameradschaft bekommen. Man verwächst zu einer Einheit. Irgendwann synchronisiert sich sogar der Stuhlgang.

Und dann seid ihr mit der Bundeswehr nach Afghanistan geflogen …
Ja, mit knapp zweihundert Soldaten in der Transall. Erst nach Usbekistan und von da nach Mazar-i-Sharif in Afghanistan. Insgesamt haben wir zwei Monate gedreht, auch im Kunduz.

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Erinnerst du dich an deine ersten Eindrücke nach der Landung?
Hitze. Die schlägt dir ins Gesicht. Es waren 48 Grad im Schatten oder so. Wir haben uns in einen Kreis gestellt und jeder hat einen Liter Wasser getrunken. Wenn man einmal dehydriert, braucht es drei Tage, bis man sich wieder erholt. Deshalb gab es »Pflichtrunden«. Jeder muss dann einen Liter Wasser weghauen. Du trinkst aber eigentlich die ganze Zeit. Wenn du die Uniform, die Stiefel und die Ausrüstung trägst, schwitzt du wahnsinnig und weil du so viel trinkst, spülst du Vitamine aus dem Körper. Ich habe nach ein paar Tagen nur noch Vitaminkomplexe und Cola getrunken.

Habt ihr euch erst einmal eingelebt oder gleich anfangen zu drehen?
Ich habe mit den anderen eine Woche im Lager gehockt. Dann haben wir mit dem Training »Umgang mit der Waffe« angefangen. Das musste ja alles echt aussehen. Manchmal haben uns richtige Soldaten korrigiert. Ich habe eine Person gespielt, die das über Jahre eingedrillt bekommen hat. Das war schon nicht einfach. An die Kriegsmaschinerie, die Panzer, Jets und die bewaffneten Soldaten gewöhnt man sich schnell – wie gefährlich es dort ist, blendet man aus.

Wie haben die Soldaten auf euch reagiert? Applaus oder Abgrenzung?
Innerhalb der Ausbildung gab es Konflikte. Fast niemand durfte wissen, dass wir in den Lagern drehen. Die Ausbilder konnten teilweise nicht abstrahieren, dass wir Schauspieler waren. Sie haben uns wie ganz normale Soldaten behandelt und haben ihr Programm durchgezogen. Ein Hauptmann hat mich angebrüllt, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben angebrüllt worden bin, weil ich meine Ärmel von der Uniform nicht richtig hochgekrempelt hätte. Drei Stunden später kommt die Wut. Man muss lernen, damit umzugehen. Man hat die Fresse zu halten. Das ist natürlich für jemanden, der nicht beim Bund war und der erst seinen Kopf benutzt und dann macht, relativ schwer.

Was hast du von den Soldaten über das Leben dort gelernt?
Wir haben die ersten Wochen alles aufgesaugt, was uns die Soldaten erzählt haben. Über den Alltag im Lager und das Überleben außerhalb. Einige haben mich gefragt: »Seid ihr wahnsinnig, ohne Schutzwesten nach draußen zu gehen?!« Es gibt viele Vorurteile gegenüber Afghanen. Die Realität ist dann doch anders. Als Schauspieler stand ich zwischen diesen beiden Seiten. Das Problem ist, dass es überhaupt keine Kommunikation gibt zwischen den beiden Welten und die Afghanen und die Deutschen keine wirkliche Möglichkeit haben, sich kennenzulernen.

Ihr habt mit Afghanen zusammen gedreht. Für Mohsin Ahmady, der den jungen Übersetzer Tarik spielt, war das seine erste Rolle! Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Er war ein bisschen überfordert, aber wahnsinnig stark in den emotionalen Szenen. Andere Afghanen, die in Kabul »Film« studieren, waren auch am Set. Die haben sicher viel gelernt und waren super motiviert dabei.

Deine schönste Begegnung?
Das war der General der Afghan National Army, General Nasir. Kurz vor unserer Abreise hat er mir einen Kaftan geschenkt. Ich habe ihn nach zwei Wochen im Lager kennengelernt. Vorher kannte ich nur das deutsche Lager und habe irgendwann die Orientierung verloren zwischen dem, was wichtig für den Film ist und was eigentlich die richtigen Abläufe sind. Die Ausbilder haben uns beigebracht, die Waffe immer mit dem Lauf nach oben zu halten, damit kein Dreck in den Lauf kommt. General Nazir hat sich einmal einfach nicht dran gehalten und zu mir gesagt: »German procedure? Well, today it’s raining.« Dann haben wir beide gelacht und es hat mich total befreit, die Abläufe nicht ganz ernst zu nehmen.

Hat die Arbeit dort deine Sicht auf den Einsatz verändert?
Ich bin mit einem pessimistischen Bild zurückgekommen. Das Land befindet sich seit über 60 Jahren im Krieg. Ihre und unsere Welt sind teilweise so weit voneinander entfernt, dass ich zwischenzeitlich geglaubt habe, kein Europäer oder Amerikaner hat in deren Welt etwas verloren. Am Ende wollte ich nur noch weg.

Was war das Erste, was du in Deutschland gemacht hast?
Ich bin durch Berlin gelaufen, weil das drüben nicht möglich war.

Foto: Majestic