Comedians sind ey-wasgucksdu-dicke Hupen-vollnormaal-Gagschleudern? Zumindest in Großbritannien gibt es Hoffnung, wie zum Beispiel Russell Brand.
Ich habe es wirklich versucht. Ich habe mir Sendungen von Cindy aus Marzahn angeschaut, von Atze Schröder, Hella von Sinnen, Kaya Yanar, die Sendungen »Scheibenwischer« und »Ladykracher«. Selbst bei Mario Barth habe ich einmal nicht sofort weggezappt, als er Frauen-Einpark-Witze machte. Aber ich kapiere deutsche Comedy einfach nicht. Entweder karikieren die Comedians sich selbst, weil sie dick, ihre Eltern nicht aus Deutschland kommen, sie homosexuell sind oder klein – oder sie machen Witze über andere. Dabei ist es nicht so, dass ich per se den Anspruch vermisse, mein Humorniveau siedelt relativ weit unten an, ich lache eher bei Fäkalwitzchen als bei politisch korrekten VHS-Kurs-Anekdoten. Doch alles wirkt so platt, so vorhersehbar, so langweilig – oder ich verstehe es nicht. Im Gegensatz zu britischen und irischen Comedians, wie Dylan Moran, Dara O’Briain oder Russell Brand.
Russell Brand ist ein britischer Autor, Schauspieler und Stand-Up-Comedian. In Deutschland kennen ihn viele eher aus den Lesezirkel-Blättchen im Wartezimmer, er ist der schmierlockige Typ mit den engen Jeans, der die Popsängerin Katy Perry im Beisein von Elefanten heiratete. Und der ziemlich lustig ist – obwohl auch er genau wie die deutschen Comedians Witze über andere macht und über Sex spricht, wie man im Video sieht.
(Quelle: Marek Lieberberg Konzertagentur)
Die erste, die mir von Russell Brand vorschwärmte, war meine 90-jährige schottische Großmutter. Sie findet ihn allerdings auch »awfully rude – natürlich, wie soll eine 90-Jährige sonst jemanden finden, der als sex-abhängig galt, jahrelang vollgedröhnt über die Stand-Up-Bühnen Großbritannienns stolperte und Leute beschimpfte.
Warum funktioniert das bei den Briten und nicht bei Comedians in Deutschland? Klar, die englische Sprache eignet sich besser für organische Punchlines. Der Humor ist schwärzer, die Leute sind keine konstruierten Kunstfiguren, sondern echte Menschen, die eine gute Show abliefern. Und natürlich halten sich die Briten und Iren selbst für die größte Humornationen überhaupt, sie haben schließlich Oscar Wilde, Monthy Python und Serien wie »The Office« hervorgebracht. Jeder Dorfpub hat gefühlt seinen eigenen lokalen Stand-Up. Aber das Wichtigste: Sie sind charmant. Sonst würden auch keine Großmutter Russell Brand mögen. Sie war sogar neidisch, als ich ihm in London einige Fragen zu seiner neuen Show »Messias Komplex« stellen durfte.
Menschen, die unter dem Messias-Komplex leiden, halten sich selbst für den Erlöser. Leiden Sie selbst darunter?
Wenn ich angebe und eine Traube Menschen um mich herum steht, denke ich schon manchmal: Ah, alle hören mir zu. Sie finden mich lustig, also bin ich wichtig. Im Inneren weiß ich aber, dass das Quatsch ist. Wir alle sind nur kleine Stückchen im Universum.
In ihrer Show beleuchten Sie Figuren wie Gandhi, Che Guevara, Malcolm X. Hört sich deutlicher politischer an als ihre vorherigen Shows.
Ja, das stimmt. Die Zuschauer sollen sehen, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt, sondern diese auch konstruiert sein kann. Sie sollen zum Denken angeregt werden und natürlich auch lachen. Meine Rolle als Comedians ist ja, Sachen anzuprangern, Leute zu kritisieren und aufzurütteln.
Das taten Sie letztes Jahr zum Beispiel bei der GQ Preisverleihung. Wurden Sie hinausgeworfen?
Naja, mir wurde nahegelegt zu gehen. Von der Afterparty ging ich aber erhobenem Hauptes und einer immer noch fantastischen Frisur.
Am 09.02. tritt Russell Brand in Frankfurt auf, am 10.2. in Berlin, am 11.2. und 12.2. in der Schweiz und am 20.3. in Wien.
Das große Portrait bald in der neuen Ausgabe von NEON.
Foto: Marek Lieberberg Konzertagentur