Freitag
9:41
Im fünften Stock zu wohnen hat eher Nach- als Vorteile. Vor allem wenn man wie ich einen 25 Kilo schweren Koffer irgendwie nach unten befördern muss. Ich werde heute nach der Arbeit nach Mainz fahren. Dort findet am Wochenende das letzte Seminar meines Bachelorstudiums statt.
10.14
Ein aufgeschürftes Knie und fünfzehn blaue Flecken später weiß ich: nicht die Treppe war mein Feind, sondern der Koffer. Ich frage mich immer, wie einige Frauen auf hohen Hacken und mit riesigen Rollkoffern so lächerlich elegant aussehen können. Ich gehöre eindeutig nicht zu dieser Gruppe Frauen. Schwitzend und schnaufend komme ich in der Redaktion an.

19:35
Wie man sieht, sieht man nichts. Mein Zug hätte vor zehn Minuten fahren sollen. Ist er nicht. Unter den Deutschen, die am Bahnsteig warten, bricht anlässlich dieser unvorhergesehenen Planänderung Panik aus.

20:14
Mittlerweile sitze ich im Zug. Wie immer, wenn mir langweilig ist, ich aber zu faul bin, etwas zu machen, kritzle ich in meinem Notizbuch herum. Meine erste Beobachtung: »Der Schaffner ist ein Arschloch.«

23:30
Ich komme in Frankfurt an, der coolen großen Schwester von Mainz, die manchmal ein bisschen asozial, aber eigentlich echt nett ist.

23:42
Abendplanung.

00:07
Es ist ein bisschen merkwürdig, plötzlich in Mainz zu sein. In Hamburg ist jede Ecke noch neu und aufregend. Hier scheine ich alles schon zu kennen. Prompt laufe ich meinem Exfreund über den Weg.

00:08
Kaum habe ich den Bahnhof verlassen, fängt es an zu regnen. Ich muss noch auf eine Freundin warten, mit der ich verabredet bin. Ein Imbissbudenbesitzer hat Mitleid mit mir und baut mir ein Zelt.

1:27
Meine Freundin Julia und ich sind im Nirgendwo. So heißt eine gemütliche Kneipe in der Mainzer Neustadt. Plötzlich setzt sich Konstantin zu uns. Wir kennen ihn nicht. Er sagt, er würde uns nicht bei unserem Gespräch stören. Dann redet er eine Stunde lang fast ununterbrochen. Wir sind überrumpelt, genervt, belustigt. Lachen mit und über Konstantin, trösten ihn, bitten ihn, uns in Ruhe zu lassen. Je mehr Alkohol fließt, desto sympathischer wird er uns. Desto mehr redet er aber leider auch.

3:12
Als uns Konstantins Beichten zu intim werden, verlagern Julia und ich unser Gespräch in ihre Wohnung. Die ist praktisch mein zweites Zuhause. Sogar eine Zahnbürste habe ich dort schon.

Samstag
8:54
Als Gastgeschenk habe ich meine neue Liebe aus Hamburg mitgebracht: Franzbrötchen. Julia lacht mich aus. Meine angeblich hanseatische Entdeckung gibt es auch beim Bäcker an der Mainzer Uni.

9:56
Ich habe gehört, der Mainzer Campus sei der längste zusammenhängende Campus in Deutschland. Samstagmorgens bei 30 Grad bezweifle ich das nicht.

10:35
Mein zweites brotloses Standbein: die Theaterpädagogik. In den folgenden sieben Stunden werden wir durch den Raum laufen, bewusst atmen, uns gegenseitig in die Luft heben, schreien und einander ganz viel applaudieren. Theater ist Therapie. Wir finden es super. Wenn andere Studenten an unserem Raum vorbei kommen, schauen sie uns aber vor allem mit einer Mischung aus Belustigung und Mitleid zu.

18:17
Ich fahre zu meiner Mutter nach Schwabsburg, dem Tausendseelendörfchen, in dem ich aufgewachsen bin. Ja, dieses Schild informiert den Besucher, der sich versehentlich hierher verirrt, dass es in Schwabsburg 72 PWK-Parkplätze gibt.

18:40
»Du hast bestimmt Hunger!« ist wie immer einer der ersten Sätze meiner Mutter. Mama, du kennst mich!

Sonntag
9:35
Wer in Schwabsburg lebt und zu einem wichtigen Termin muss, sollte in seiner Zeitplanung berücksichtigen, dass er auf seinem Weg womöglich einige Traktoren überholen muss. Ich bin schon etwas spät dran, mache aber für ein Ritual noch einen Umweg: ich zeige im Vorüberfahren dem Restaurant, in dem ich früher mal gekellnert habe, den Mittelfinger. Ein super Start in den Sonntag.

13:15
Enthüllungsjournalismus at its best: So sieht es am Wochenende an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz aus. Keine Reinigungskräfte, tausende Studenten, die in der Bibliothek lernen.

13:27
Pizzapause!

17:04
Ich habe mein letztes Seminar an der Mainzer Uni hinter mich gebracht. Dieser (einigermaßen) historische Moment bedarf eines pathetischen Fotos. Wie wäre es damit: Neon mag Gutenberg. Ein Bekenntnis zum Print.

18:35
Jetzt treffe ich auch meinen Vater, der mir sein neues T-Shirt präsentiert. Ja, er ist Schlagzeuger.

19:10
Meine Eltern, mein Bruder und ich essen bei unserem Lieblingsasiaten. Meine Mutter lässt auch dabei die NEON, die ich ihr mitgebracht habe, nicht aus den Augen.

22:10
Morgen hat meine Freundin Steffi Geburtstag. Ich kann nicht zu ihrer Party gehen, weil ich da schon wieder in Hamburg sein werde. Deshalb feiern wir heute in kleinem Kreise rein, oder wie sie es nennt: wir chillen rein. Es wird ein richtig schöner Mädelsabend mit viel Wein, Rhoihessischem Gebabbel und – keine Ahnung, warum – einem selbstgebastelten Kevin Großkreutz-Kalender. Zum Glück kann ich am nächsten Tag ausschlafen! Viel Spaß auf der Arbeit, liebe NEON-Kollegen!
