Freizeit Interview: Evan Renz

Als Einziger überlebte Robert Henline einen Bombenanschlag im Irak. Über ein Drittel seines Körpers verbrannte. Jetzt steht er als Komiker auf der Bühne – und führt so seinen Krieg weiter. In der aktuellen Ausgabe kannst du seine Geschichte lesen. Für unser Blog habe ich Evan Renz, einen der behandelnden Ärzte im »Brook Army Medical Center« in San Antonio, Texas interviewt.

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Als Komiker steht Bobby inzwischen regelmäßig auf der Bühne und macht Witze über sein Aussehen. Herr Renz, hätten Sie das gedacht, als Bobby am 10. April 2007 auf ihrer Station ankam?

Nein, er wäre fast gestorben. Sein Kopf war fast zu 90 Prozent verbrannt. Wir konnten keine Gesichtszüge mehr erkennen. Wir lassen uns in solchen Fällen meistens von der Familie ein Foto geben, damit wir überhaupt wissen, wie der Verletzte vor dem Anschlag aussah. Die Patienten, die so stark verbrannt sind wie Bobby, sterben meistens nicht an ihren Verbrennungen. Sie sterben an Infektionen. Für uns ist das ein Rennen gegen die Zeit: Die Uhr begann zu ticken, als Bobby verwundet wurde. Die ersten 24 bis 48 Stunden sind für die Patienten meistens eine vergleichsweise stabile Phase. Bakterien, die zu Infektionen führen, können sich noch nicht verbreiten. Der kritische Zeitpunkt ist nach 72 Stunden erreicht.

Deshalb wurde Bobby sofort operiert?

Genau, wir mussten die verbrannte Haut und die verbrannten Muskeln entfernen. Bei Bobby waren die meisten Verbrennungen ziemlich tief. Nur an den Beinen und Armen gab es Stellen, die nicht so stark betroffen waren. In der ersten Woche haben wir Bobby jeden Tag bis zu acht Stunden operiert. An eine Operation erinnere ich mich sehr gut. Die Haut auf der rechten Schädelseite war komplett weg. Wir mussten den Schädel anrauen, damit dieser gut durchblutet wird und neue Haut schnell wieder anwächst. Deshalb hat er heute Dellen auf der Stirn. Wenn nur Bobbys Kopf betroffen gewesen wäre, hätten wir die Haut einfach von anderen Körperteilen transplantieren können. Bei Bobby waren allerdings insgesamt knapp 40 Prozent seines Körpers verbrannt. Wir mussten immer sehr genau überlegen, welche Stellen sich eigenen.

Sind solche starken Verbrennungen eher selten?

Ja, eigentlich schon, denn die meisten Soldaten tragen einen Helm, so dass zumindest ihr Kopf gut geschützt ist. In Bobbys Fall war die Explosion so stark, dass der Helm nicht viel gebracht hat.

Wie oft haben Sie Bobby operiert?

Ich weiß das nicht mehr so genau. Als Bobby eingeliefert wurde, hatten wir sehr viele Patienten mit starken Verbrennungen, so dass der OP immer belegt war. Es war so viel zu tun: Ein Arzt flog in das Militärkrankenhaus nach Landstuhl und holte die Patienten ab und die anderen Kollegen standen in Texas im OP. Manche Patienten waren so schwer verletzt, dass wir bereits in Deutschland einen Arm oder ein Bein amputieren mussten. In Bobbys Fall war es wichtig, seine Augen zu retten. Er hatte keine Augenlider mehr, die Augen lagen frei. Früher hätten wir die Augen einfach zugenäht, heute gibt es zum Glück andere Möglichkeiten. Mit Hauttransplantationen und einer besonderen Linse konnten wir Bobbys Augen rekonstruieren.

Hat Bobby im Krankenhaus schon Witze gemacht?

Man weiß nie, wie lange jemand brauchen wird, bis er das Krankenhaus verlassen kann, aber bei Bobby waren wir schnell optimistisch. Er war und ist ein Kämpfer. Wir lernen die Familien meistens besser kennen, als den Patienten. Oft sagen die Ehefrauen gleich nach der ersten OP: »Der wird sich erholen« und meistens stimmt das auch. Die Patienten, die am schnellsten wieder auf die Beine kommen, bleiben auch an schlechten Tagen stark. Oft machen die Amputierten Witze darüber, dass ihnen Arme oder Beine fehlen. Ich werde nie vergessen, wie ich an einem Krankenbett stand und einen Patienten fragte: »Woher soll ich die Haut für deine Transplantation nehmen? Von der rechten oder linken Seite?« Er hat dann geantwortet: »Von deiner Seite!« Darüber kann ich bis heute lachen. Witze zu machen und Spaß zu haben hilft enorm bei der Heilung .