Freizeit Klicks für Gutes

Freizeit: Klicks für Gutes
Täglich erreichen uns Hilferufe von Freunden, die auf Facebook ihre Probleme abladen. Dürfen wir still und leise weiterscrollen – oder sollten wir mehr Online-Solidarität an den Tag legen?

Illustration: Lisa Debacher

Es dauert nur fünf Minuten, wir brauchen dringend noch ein paar Teilnehmer: Irgendjemand aus meinem Facebook-Freundeskreis führt immer eine Online-Umfragen durch, für ein Uni-Seminar oder für die Abschlussarbeit. Oder hat einen guten Freund, der das gerade tut und noch händeringend Studienteilnehmer sucht. Das hat zur Folge, dass ganzjährig solche Mitmach-Aufrufe in meine Timeline gespült werden, in unterschiedlichen Hysterie-Stufen. Unter allen Freiwilligen werden dann drei Amazon-Gutschein á fünf Euro verlost. Wer nicht mit Wissenschaft beschäftigt ist, ist gerade dabei, mit einer Petition die Welt zu retten und benötigt ebenfalls dringend Unterstützung.

Bei mir führen all die Suchanfragen, Hilferufe und Mitmachgesuche oft nur zu einer Reaktion: weiterscrollen.

Mittlerweile mache ich das so routiniert, dass ich gar nicht mehr viel nachdenke über die Frage: Muss ich nicht eigentlich meinen Freunden online helfen? Beziehungsweise: Muss ich meinen Online-Freunden helfen? Oder ist es irgendwann vielleicht tatsächlich genug mit der Hilfe?

Würde ich mich durch jede Online-Umfrage klicken und jeden lieblos vor mich hingeworfenen Bitte-Bitte-Link mitunterzeichnen, der auf Facebook aufploppt, wäre ich ziemlich beschäftigt. Die letzte Umfrage, bei der ich mitgemacht habe, war ein stümperhaft gestalteter Uni-Fragebogen, der mich bei Frage sieben aus dem System geworfen hat, ohne meine Antworten zu speichern. Ich war frustriert. Andererseits: Meine Freunde, die die Links posten, sind auf altruistische Ausfüller angewiesen. Will denn wirklich niemand mitmachen bei einer Umfrage zur Nutzung von digitalen Tageszeitungsangeboten?

Auch ich selbst habe die Crowd schon für meine Anliegen alarmiert – mit Erfolg

Dazu kommt: So konsequent ich die Mitmach-Aufforderungen, die mich auf Facebook erreichen, auch ignoriere: Ich habe in der Vergangenheit durchaus versucht, die Schwarmintelligenz für meine eigenen Zwecke zu nutzen. Ich habe, als sich partout kein Protagonist für einen Fernseh-Dreh finden wollte, auf Facebook nach einem Match gesucht (und bin letztlich über Twitter fündig geworden). Ich habe auch schon eines dieser nervigen Wohnungsgesuche geschrieben, mit einem Miet-Budget, das sowas von überhaupt nicht mit der Beschreibung meiner Traumwohnung überein gestimmt hat. Das Gemeine: Ich hatte mit meinem Probleme-Outsourcing durchaus Erfolg. Auch wenn ich den Facebook-Hilferuf eher als Einbahnstraße verstehe, die zu mir hin- aber nicht von mir wegführt. Lediglich bei den Anliegen guter Freunde werde ich regelmäßig aktiv. Sollte ich das ändern und mehr Online-Hilfsbereitschaft an den Tag legen?

Ich finde: nicht unbedingt. Das Internet und soziale Netzwerke im Besonderen machen es uns leichter, zu helfen. Oder sagen wir besser: vermeintlich zu helfen. In ein paar Klicks ist die Petition gegen Massenüberwachung unterstützt und ich habe mich für die Demonstration gegen Pegida eingetragen. Wessen Aktivismus zusammen mit seinem Computer runterfährt, der hat dennoch wenig geleistet. Wenn mir ein paar Klicks als Alibi dienen, mich gut zu fühlen, weil ich denke, mein »Soll« an guten Taten erfüllt zu haben, schadet die Online-Hilfsbereitschaft mehr, als dass sie nützt.

Wer einen Aufruf teilt, hat noch keine gute Tat getan

Plattformen wie Facebook machen uns nicht nur den Akt des Helfens leichter. Sie machen es auch leichter, nach Hilfe zu fragen. Das ist toll. Einige Nutzer aber verleitet die Einfachheit zu Übermut. Sie teilen so emsig Veranstaltungshinweise und Petitionen, dass ich den Eindruck habe, sie sehen schon den Akt des Teilens als gute Tat an sich an und denken: Die Action kommt ja dann von den anderen, dank meiner Vermittlung.

Wer der Perspektive auf eine riesige, hilfsbereite Crowd, die sich seines Problems mütterlich annimmt, nicht widerstehen kann, sollte zumindest versuchen, seine Anfrage spannend zu verpacken. Der Aufwand der Anfrage sollte ehrlich genannt werden. An die Zielgruppe zu denken, schadet auch nicht. Tipps gegen die Verdauungsprobleme eures Zwerghamsters diskutiert ihr am besten in einer Gruppe von Kleintierhaltern. Eure Freunde werden es euch danken. Und sind dann hoffentlich zur Stelle, wenn es mal wirklich brennt.