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Es spricht wahrscheinlich nicht für eine Band, wenn an ihrem Konzert als erstes das schöne Licht und das feine Bühnenbild gelobt wird. Das alles sind ja nur Beigaben eines gelungenen Abends, die wenig mit der Musik zu tun haben und also höchstens am Rande in die Beurteilung einfließen dürfen. Doch wer sagt das eigentlich? Im Fall der wunderbaren Popgruppe Metronomy spielt das, was wir sehen, während des Konzerts mindestens eine so große Rolle, wie das, was wir hören. Fast wäre man versucht, von einem audiovisuellen Gesamtkonzept zu sprechen, wenn es nicht so schrecklich nach «Konzeptalben» und dreistündigen Rock-Opern klingen würde. Metronomy ist dagegen Pop, im reinsten Sinne des Wortes, und was bei einem Metronomy-Konzert nun mal zuerst auffällt, ist die wirklich außergewöhnlich schicke Bühne, die aussieht wie für eine bacchantische Abendparty im Olymp zurecht gemacht. Es gibt rosafarbene Wolken, die ja auch das neue Album «Love Letters» zieren, einige davon nur gemalt, andere tatsächlich als Skulpturen im Raum.
Es gibt weiße Säulenschäfte, auf deren Kapitellen oben Keyboards stehen – die allerdings hinter eleganten weißen Sichtblenden versteckt sind. Was es nicht gibt, sind Verstärker oder ähnliches musikalisches Equipment. Bloß ein Schlagzeug auf einem Podest, eine einsame weiße Gitarre am Bühnenrand und das war’s. Wie gut dieses Bühnenbild durchdacht ist, zeigt sich endgültig, als die Band – vier Männer in weinroten Sakkos und eine Frau im weinroten Kleid – die Bühne betritt und drei der fünf Musiker hinter den (nur vermuteten) Keyboards Aufstellung nehmen. Diese Anordnung hat eine fast Kraftwerk-artige Strenge. Und gewinnt noch dadurch, dass die weißen Säulen und Sichtblenden sanft anfangen von innen farbig zu glühen.
Dass die Bandmitglieder ihre Keyboards überhaupt spielen, ist dabei auch nur zu vermuten. Man sieht es ja nicht. Sänger Joseph Mount, der in Metronomy-Videos immer etwas verloren ausschaut mit seinem pausbäckigen Gesicht und dem Sechstagebart, sitzt vor diesem leuchtenden Kasten und wir meinen, dass er die barocken Girlanden auf der Orgel wirklich spielt, die den Song «Monstrous» einleiten. Wir wissen es aber nicht. Und gerade das ist der Effekt, der sich durch weite Teile des Konzerts zieht: Die Musik entsteht im Verborgenen, auf magische oder mindestens undurchschaubare Weise. Die Band zeigt ihr Gesicht, aber nicht, was sie tut – bis auf die stoische Schlagzeugerin und den beängstigend qualifizierten Bassisten, der den schnurgeraden Songs von Metronomy ihre Funkyness verleiht. Es ist alles auf wohltuende Weise Anti-Rock. Niemand hier muss am Instrument etwas beweisen. Es reicht ja auch, so gute Pop-Songs zu schreiben wie Metronomy. Und sie dann auch noch so zu präsentieren, dass sie im Konzert ein Gesicht erhalten.
Wer sich im Vorfeld unter den Konzertgängern etwas umhört, muss bemerken, dass das vergangene Album «The English Riviera» immer noch sehr hoch im Kurs steht. Darauf waren die großen Hits der Gruppe, allen voran «The Look» und «The Bay». Diese Stücke sind auch live diejenigen, die die stärkste Reaktion bekommen: ein allgemeines Armeschwenken und Auf und Abhüpfen in der vorderen Hälfte des Saals. Für größere Reaktionen ist die Musik und die Band selbst viel zu unaufdringlich. Selbst die Ansagen von Joe Mount sind bewusst understated und nett: Fast rührend, wenn er sich bei der proppenvollen Halle dafür bedankt, dass die Tickets so schnell weggegangen sind. Aber man sollte nicht den Fehler machen, Metronomy als Live-Band zu unterschätzen. Es ist nicht ganz leicht, den extrem perfekten Klang der Alben – sowohl die gelackte 80er-Jahre-Produktion der Riviera-Platte, als auch den neuen psychedelisch-analogen Sound von «Love Letters» – live genauso zu rekreieren.
Und das schafft die Band auf großartige Weise: Was man bekommt sind im Prinzip wirklich nur die beiden Platten. Diese aber in Ultra HiFi-Qualität, und das ausgerechnet in einer Halle (Münchens Muffathalle), die für matschigen Sound berüchtigt ist. Dass die Musik von Metronomy zu jeder Zeit des Konzerts so präsent und direkt klingt, liegt auch an dem gekonnten Yin-Yang-Aufbau der Arrangements. Jeder offensichtlich digitale Synthesizerklang wird mit einem extrem konkreten, warmen, analogen Klang gekontert, der sich ohne Umwege ins Ohr bohrt. Das ist ein simples Spiel, das die Band aber wirklich gut beherrscht. Einige der Stücke wie die aktuelle Single «I’m aquarius» klingen fast leer, sind an der Grenze zum weißen Blatt. Orgeln und Drumcomputer wirken in ihren Songs oft etwas allein, seltsam verloren und absichtlich cheesy. Wie ein gut gekleideter Alleinunterhalter, der sich auf eine leere Planetenoberfläche verloren hat. Bewusst verzichtet die Band auf einen bombastischen Abschluss. Stattdessen lässt sie den Abend mit halb angeschaltetem Saal-Licht und besten Wünschen für den Nachhauseweg und das Wochenende leise ausschwingen.
Nach dem Konzert beschwert sich ein Konzertgänger in unserer Peripherie, das habe sich ja angehört wie eine «Hochzeitsband». Wahrscheinlich hat der Mensch die weinroten Sakkos nicht ganz verwunden. Aber man kann davon ausgehen, dass die cleveren Schweine von Metronomy das als das größte Kompliment aufgefasst hätten.