Fangen wir mit dem Guten an: Blogbücher sind hübsch, bunt und gar nicht teuer. Es gibt sehr viele Modeblogbücher (»Facehunter«), Feminismusblogbücher (»Feminist Ryan Gosling«), Wohnblogbücher (»Freunde von Freunden«), es gibt Kochblogbücher (»Arthurs Tochter kocht«), Zettelblogbücher (»Wellensittich entflogen – Farbe egal«), Fahrradmodeblogbücher (»Cycle Style«) … Was soll das?
Diese Frage kann man natürlich bei jeder Art von Zweitverwertung stellen. Aber bei Blogs, die zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden, erscheint der Nachdruck besonders absurd.
Zuletzt galten Blogs ja als die eigentlich zeitgenössische Form von Büchern: moderner, schneller, dynamischer. Nun läuft die Sache offenbar genau andersherum. Alles, was einen Blog ausmacht, fehlt, sobald man ihn auf Papier bannt: etwa die Möglichkeit, Blogeinträge zu teilen oder zu kommentieren. Es wirkt ausgesprochen spießig, ein unmittelbares Medium auf Rechtschreibung zu prüfen, zu editieren, zu drucken und säuberlich zu einem Büchlein zu binden. Es ist so, als würde man seine lässige Vintagejeans bügeln und penibel gefaltet in den Schrank legen.
Die Bücher verkaufen sich trotzdem massenhaft. Von den drei Büchern, die aus dem Blog »SMS von gestern Nacht« entstanden sind, einer Sammlung absurder, eingeschickter Textnachrichten, wurden insgesamt über eine halbe Million Exemplare verkauft. Das ist immens viel. Der dritte Band der SMS-Reihe (»Ich guck mal, ob du in der Küche liegst»), der im Dezember erschien, wurde allein in den ersten zwei Monaten 150 000 Mal verkauft. Mit solchen Traumzahlen schafft man es in die Top Ten der Sachbücher. Neben dem SMS-Buch findet sich aktuell unter den Bestsellern »Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt«, ein charmantes Buch, das aus dem »Graphitti- Blog« entstand und von dem bis jetzt über 175 000 Exemplare gekauft wurden. Der zweite Band ist für September angekündigt.
Diese Blogs sind natürlich beliebt – doch das ist nicht der einzige Grund, das Internet nachzudrucken. Dann dürfte man sich ja schon auf die »Spiegel«-Bestseller »Die schönsten Katzenvideos von Youtube Bild für Bild« und »Der große Kicker-Fußballticker des Spiels Frankfurt gegen Stuttgart zum Nachlesen« freuen. Im Kern geht es um den Imagegewinn der Verlage. Selbst der traditionsreiche Münchner Kunstbuchverlag Prestel hat einen Bloghit im Programm: »Facehunter«. Das ist ein Katalog interessant gekleideter Hipster, fotografiert und inszeniert vom Modeblogger Yvan Rodic. Ein großer Teil der handlichen Bücher wurde gar nicht mehr in Buchläden, sondern über den Hipster-Klamottenladen Urban Outfitters verkauft: das Buch als Modeaccessoire. Die Verlage schmücken sich mit Büchern in ihrem Programm, die sie jung, zeitgemäß und progressiv erscheinen lassen. Man kann es nun absurd finden, dass die Verlage deswegen zum Beispiel Fotos und Grafiken aus Blogs wie »The Sartorialist« oder »Notes of Berlin« auf Papier drucken. Noch absurder wäre nur, es würden obendrein E-Books erscheinen – wenn man die digitalen Inhalte ja nebenan im Internet kostenlos sehen kann.
Es gibt allerdings auch notwendige Blogbücher. Der chinesische Künstler und Aktivist Ai Weiwei, zeitweise vom Staat unter Hausarrest gestellt, hatte auch mal einen Blog. Er kritisierte darin sinnlose Steuern und die schlampige Staatsarchitektur, die hunderte Kinder das Leben gekostet hat. Seine Einträge waren eine Mischung aus politischen Essays, Alltagsbeobachtungen und Tagebuch. Die Amerikanerin Lee Ambrozy übersetzte den Blog ins Englische, er wurde in einem renommierten Wissenschaftsverlag veröffentlicht. Danach erschien er auf Deutsch beim jungen Berliner Galiani Verlag. Diese Blogbücher waren politische Heldentaten, sie retteten die Texte des international bekannten Künstlers, weil sie gerade noch rechtzeitig übersetzt wurden. Denn nach einem besonders unbequemen Eintrag im Mai 2009 verschwand der chinesische Blog auf mysteriöse Weise aus dem Netz. Alle Einträge waren gelöscht. Damit ist bei den meisten Blogs nicht zu rechnen.