Fünf Dinge, für die wir Männer heute den Frauen danken sollten: Geschmack, allgemeine Klugheit, lange Röcke, kurze Röcke, die Fußball-Weltmeisterschaft.
Jetzt könnte man natürlich sagen, dass Frauen bei der WM, keine besonders wichtige Rolle spielen, weder auf den Rasen, noch in den Sportverbänden und noch nicht einmal unter den Moderatoren und Journalisten, die vom Turnier berichten. Aber die Frauen, die für mich die Weltmeisterschaft retten, rennen ohnehin nicht in Brasilien herum, sie sitzen neben mir auf der Couch: Nur weil es überhaupt weibliche Fans gibt, ist es mir möglich, die Spiele der Weltmeisterschaft, vor allem die Spiele der Deutschen, zu betrachten und zu genießen.
Als Beweis eine Anekdote. Den Halbfinalsieg der Nationalmannschaft bei der WM 2002 in Südkorea und Japan feierte ich mit ein paar Freunden auf der Leopoldstraße, wo man halt in München hingeht, wenn es etwas zu feiern gibt. Dort liefen zehntausende Männer herum und so gut wie keine Frauen. Ich wusste nicht so richtig, was ich auf der Leopoldstraße tun sollte, hatte keine Lust, wie alle anderen Männer »Deutschland, Deutschland« zu grölen und betrachtete ein wenig die anderen Feiernden, deren Arme sich krebsverheißend verfärbten. Der Mann neben mir hatte schon einen schlimmen Sonnenbrand. Auf seinen roten Unterarm stand »Ruhm und Ehre«. Plötzlich fiel mir auf, dass wir mitten in einer Nazi-Gruppe feierten. Weil das ja doch irgendwie zu krass ist, fingen ich und meine Freunde Streit mit den Nazis an, wir schrien »haut ab!« und »Nazis raus!«, aber die Nazis ließen sich gar nicht provozieren, dafür waren sie viel zu gut gelaunt. Ein Mann versuchte es sogar mit einer Umarmungstaktik, er presse seinen Schweißkörper an meinen und rief: »Heute ist doch Politik egal, heute sind wir alle Deutsche und freuen uns.«
Ich will damit nicht sagen, dass alle Fans der deutschen Nationalmannschaft unweigerlich Nazis sind. Was ich auf der Leopoldstraße erlebt habe, kam mir aber trotzdem wie die konzentrierte, hochverdichtete Version unzähliger ärgerlicher, peinlicher und dummer Erlebnisse vor, die ich bisher bei Nationalmannschaftsspielen hatte (ein weiterer Grund, warum ich viel größerer Fan des FC Bayern als der Nationalelf bin). Diese dumpfe Verbissenheit, die Aggresivität und die Wut, wenn es nicht gut läuft. Dieses seltsame »Wir«-Gesage. Die Überheblichkeit, wenn gegen eine vermeintlich schlechte Nation gespielt wird. Diese ganzen bescheuerten »Schwuchtel«- und »Mädchen«-Beschimpfungen. Die schwarz-rot-goldene Hässlichkeit. Der Kryto-Rassismus gegen die »deutschen Erzfeinde«, zum Beispiel Italien oder Holland. Dieser ganze bescheuerte BILD-Nationalismus, das alles ist eigentlich nicht zum Aushalten.
In einem Aufsatz in den sehr empfehlenswerten Band »Warum Fußball« hat der Literaturwissenschaftler Clemens Pornschlegl darauf hingewiesen, dass der Aufstieg des Fußballs und der Aufstieg der Idee der Nation sich gleichzeitig ereigneten, nämlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. »Der Fußball, der mit Leichtigkeit alle Grenzen übersprang, wurde stets in einem nationalen Rahmen praktiziert und organisiert. Und als man begann, Weltmeisterschaften auszurichten, war es völlig selbstverständlich, dass Nationen und nicht Clubs oder andere Gemeinschaften gegeneinander spielen sollten.« Fußball und Nationalgefühle gehören also untrennbar zusammen, die Frage ist nur, wie man diese Nationalgefühle, den Patriotismus, den Stolz und die Freude über die eigenen Mannschaft auslebt. Pornschlegl meint, dass der deutsche Fußballnationalismus besonders seit jeher besonders stumpf und dumpf war, beherrscht von Blut- und Rassefantasien. Aber er sagt auch, dass sich das geändert hat: »Mit der Weltmeisterschaft 2006 haben sich auch die Frauen für den Fußball interessiert.« Das habe die Art, wie Fußballpatriotismus inszeniert wird, radikal geändert, alles sei leichter, freundlicher geworden: Die Frauen haben den Männern beigebracht, wie man den Fußball nicht zu ernst nimmt, wie man sich über die Siege freut, ohne überheblich zu sein, wie man auch beim Massenjubeln kein Nazi wird.
Meine Bitte an alle Frauen für die ganze WM: Opfert euch und zivilisiert eine Männerrunde durch eure Anwesenheit. Mein Tipp an alle Männer: Sucht euch ein paar Frauen, die mit euch schauen. Es wird erträglicher. Witze über mangelnden weiblichen Sachverstand sollten wir Männer uns sparen. Eine Umfrage der Guiness-Brauerei unter 1000 Briten ergab: 68 Prozent der befragten Frauen erklärten Abseits richtig, aber nur 53 Prozent der Männer.