Liebe Bettgeschichten: Sex für Faule

Liebe: Bettgeschichten: Sex für Faule
Unser Kolumnist trifft ein Paar, das es im Bett sehr gemütlich angehen lässt. Kann das gut gehen?

Text: Sascha Chaimowicz | Illustration: Stefan Bachmann

Tanja und Arne mögen ihr Sexleben, und doch würden sie mit ihren Freunden auf keinen Fall darüber sprechen. Neulich erzählte eine Freundin ihnen, wie sie sich geschämt habe, über ein Fensterbrett gebeugt so laut gestöhnt zu haben. Was sollen Tanja und Arne da schon beitragen? Sie mögen ja, was bei ihnen im Bett passiert. Die Sache ist nur: Es ist wirklich eigen.

Ich treffe Tanja, 32, Unternehmensberaterin, und ­Arne, 29, Werbefilmregisseur, in ihrer gemeinsamen Dreizimmeraltbauwohnung in Berlin-Charlottenburg. An den Wänden lehnen gerahmte Kunstdrucke, ihren Wein dekantieren sie. In ihrem Freundeskreis erinnert man sich nur ­vage daran, dass es mal eine Zeit gab, in der sie nicht zusammen ­waren. Ist auch schon neun Jahre her. Seit sieben Jahren wohnen sie zusammen. Sie wirken selbstsicher, wenn sie von Sex erzählen, immer wieder führt der eine den Satz des anderen zu Ende. Sie sind sich einig in ihrer Geschichte: Es geht oft beim Fernsehen am Abend los, kurz vor dem Einschlafen. Sie haben einen Fernseher vor dem Bett, einen vorm Sofa. Im Bett liegen sie nebeneinander, die Köpfe auf ihre »Kissenburg«, wie sie es nennen, gestützt. Dann lehnt sich Arne zu Tanja rüber und küsst sie. Fasst ihr unters Schlaf-T-Shirt, streichelt ihre Brüste. Das findet er immer »angenehm«, wie er sagt: dass Tanja vor dem Schlafengehen immer den BH auszieht – dann muss er nicht mehr viel machen. Er fasst in ihre Jogginghose, dringt mit Zeige- und Mittelfinger in Tanja ein. Tanja macht es ihm oft gleichzeitig mit der Hand.

Die Nebeneinanderliegeposition bleibt bei diesem Sex erhalten, die Arme überkreuzen sich. Theoretisch könnten sie in dieser Position »Günther Jauch« schauen. Doch sie sagen, dass sie nicht auf das laufende Programm achten. Penetrationssex kommt bei ihnen fast nicht mehr vor. Manche würden einwenden: Dann haben sie ja gar keinen richtigen Sex. Zu engstirnig, finden sie. Denn was sie machen, befriedigt sie ja trotzdem – nur ist es dabei auch noch gemütlich. Entspannt. Diese Wörter fallen oft, sie scheinen ihnen wichtig zu sein. Die einzige Variante ist Oralsex. Den findet Arne auch angenehm unanstrengend – auf dem Bauch liegen, die Zunge bewegen. Sie sind ein eingespieltes Team, Arne kommt immer, Tanja auch.

Ist das jetzt deprimierend? Es war nicht immer so. Zu Beginn der Beziehung schwitzten sie beim Sex, er oben, sie unten, Augenkontakt, Kratzen, Beißen. Mit der Zeit wurden sie lockerer, wie sie sagen. Stellten sich eine Flasche Wasser neben das Bett, aus der sie auch mal einen Schluck nahmen, wenn es wilder wurde. Pausen zulassen können und sich dafür nicht schämen, sagt Tanja, das habe beide im Bett glücklicher gemacht. Der Vorteil: Es gibt keinen Leistungsdruck. Wie sehe ich aus Sicht meines Partners aus? Wie lange halte ich durch? Sie müssen sich nichts beweisen. Sie sagen, das sei auch der Schlüssel dazu, warum sie immer noch jeden zweiten Tag Sex miteinander haben: Er ist sehr niedrigschwellig, sie müssen sich nicht mal ausziehen. Arne glaubt, dass außer ihnen nicht viele Menschen so miteinander Sex haben. Und er sagt, er versteht das nicht. Er sei wirklich glücklich damit. Als er das sagt, lacht Tanja, die sich auf dem Sofa neben ihm fläzt, und nimmt seine Hand. Ist das nun guter Sex? Kaum einer würde jetzt nicken. Sie tun es. Und ich glaube, sie haben recht.

Sascha Chaimowicz fragt jeden Monat Menschen, was für sie guter Sex ist. Was antwortet Ihr? Schreibt an bettgeschichten@neon.de

Dieser Text ist in der Ausgabe 12/14 von NEON erschienen. Hier können Einzelhefte des NEON-Magazins nachbestellt werden. Alle Ausgaben seit September 2013 gibt es auch digital in der NEON-App. Eine Übersicht aller »Bettgeschichten« findet ihr hier.