Liebe Ohne dich

Liebe: Ohne dich

Alle fünf Minuten versucht in Deutschland ein Mensch, sich das Leben zu nehmen. Die meisten Versuche scheitern, aber pro Jahr sind laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) immer noch mehr als 10 000 Suizid­tode zu beklagen. Dann wird oft darüber speku­liert, wie und warum sich jemand getötet hat. Doch man hört wenig von denen, die zu­rück­bleiben: den Familien. Den Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern.

Es ist auch sehr schwierig, mit jenen Übrig­gebliebenen über Suizid zu sprechen. Wie soll man das tun? Soll man sagen: »Es tut mir leid«? Oder: »Du weißt ja, du kannst mich jederzeit anrufen«? Bevor sie etwas Falsches sagen, sagen viele lieber gar nichts. Und so müssen die Familien nicht nur lernen, mit dem Verlust ihres Angehörigen umzugehen, mit dem Schock, der Beerdigung und der Trauer, sondern auch mit dem Schweigen der anderen.

Ein Selbstmord verändert die Dynamik einer Familie. Da muss eine Tochter plötzlich die jüngeren Brüder aus dem Kindergarten abholen und so die Mutterrolle einnehmen, weil Mama im ersten Jahr nach Papas Suizid nur weinend auf dem Sofa sitzt. Dazu kommt, dass die Familienmitglieder oft sehr unterschiedlich mit dem Suizid umgehen.

Drei Angehörige haben uns ihre Geschichten erzählt, im aktuellen Heft könnt ihr sie komplett nachlesen.

Nathalie, 26: Ihre Mutter nahm sich Anfang letzten Jahres das Leben. Als ihr Bruder die Mutter tot im Keller fand, war Nathalie gerade in den USA für ein Praktikum. Nach überstürzter Heimreise, Beerdigung und Trauerphase kam erst einmal die Wut zurückgelassen worden zu sein. Jetzt will Nathalie über den Selbstmord ihrer Mutter reden, am liebsten jeden Tag.

Frederik, 25: Seine kleine Schwester sprang im vorletzten Jahr mitten in der Nacht von einem Aussichtsturm bei Xanten. Ihr Suizid kam völlig unerwartet – wenige Stunden vorher hatten Frederik und Theresa noch entspannt zusammen zu Abend gesessen. Nun sucht er immer wieder nach dem richtigen Zeitpunkt, um mit Freunden und Fremden über seine Schwester zu sprechen.

Insa, 34: Der Selbstmord ihres Vaters ist schon sieben Jahre her. Trotzdem ist er für Insa nach wie vor ein Thema. Weil sie ihren zwei Kindern erklären muss, was mit ihrem Opa passiert ist. Weil es für sie, ihre Schwestern und ihre Mutter für immer ein Rätsel bleiben wird, was ihn genau zu dieser Tat getrieben hat. Weil sie immer noch komische Blicke bekommt. Und, weil ihre Erinnerung an ihn langsam verblasst.

Habt ihr Erfahrungen mit Suizid in eurer Familie oder im Freundeskreis gemacht – und wie seid ihr damit umgegangen?