Deutschland ist kein besonders gläubiges Land. Trotzdem schimpfen alle seit Tagen über den »Protz-Bischof« Franz-Peter Tebartz-van Elst und den Limburger Bischofssitz. Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich vervielfacht. Der Papst schaltet sich ein. Um zu verstehen, warum die Menschen den Kopf des Bischofs fordern und ob nun eine neue Säkularisierungswelle ansteht, muss man die Hass-Liebe zwischen Kirche und Kapital analysieren. Eine Abrechnung.
Was ist jetzt eigentlich genau passiert. Hat der Bischof etwa Geld veruntreut?
Nein. Zumindest nicht direkt. Die Kirchengemeinde und auch die ungläubige Öffentlichkeit fühlen sich aber zu Recht von Tebartz-van-Elst getäuscht, weil er die Kosten für die neue Bischofsresidenz bewusst verschleiert hat: Erst 3, dann 5,5, dann 10 und nun mehr als 31 Millionen Euro sollte der Bau kosten. Der Kirchenfürst bestand nicht nur auf teuren Sonderwünschen wie einer Designerbadewanne (15 000 Euro), mehreren Kunstwerken (450 000 Euro) und einer speziellen Adventskranzhängevorrichtung (100 000 Euro); obwohl er laut Aussage des Architekten seit 2009 einen Überblick über die zu erwartenden Kosten besaß, rückte er nur scheibchenweise mit der Wahrheit raus und perfektionierte, wie der SPIEGEL schreibt, »die Heimlichtuerei in Finanzdingen«. Illegal ist das leider nicht. Aber höchst fragwürdig. Selbst amerikanische Zeitungen berichten über den Provinzposse und »the Bling Bishop«.
Kurze Zwischenfrage: Was ist das für ein komischer Name und wo liegt Limburg überhaupt?
Der Bischof kommt aus einer Bauersfamilie aus NRW. In einem Interview hat er seinen exotischen Namen mal so erklärt: Tebartz leite sich von »te barth« (»wo das Land niedrig ist«) ab und beschreibe die landschaftliche Beschaffenheit seiner Heimat. »Van Elst« weise auf die Herkunft der Familie aus der niederländischen Stadt Elst. Limburg ist eine hessische Kleinstadt mit knapp 35 000 Einwohnern und liegt hier:
Woher hatte Tebartz-van Elst eigentlich das Geld? Kommt das etwa aus meiner Kirchensteuer? Also, falls ich die überhaupt zahle, ich bin ja schon vor einiger Zeit ausgetreten, glaube ich zumindest.
Die beiden Großkirchen haben in Deutschland im Jahr 2012 mehr als 5,2 Milliarden Euro an Kirchensteuern eingenommen – Rekord! Gerade die katholische Kirche besitzt neben Kirchen und Kathedralen auch Waldgebiete, Weinberge, Immobilien und sogar einen Verlag und eine TV-Produktionsfirma. Der Limburger Bau wurde aber nicht aus dem laufenden Haushalt finanziert, sondern aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls, einem steuerbefreiten Fonds, über den der Kirchenfürst frei verfügen darf und der laut Medienberichten 100 Millionen Euro schwer ist. Der Fonds besteht vor allem aus Schenkungen, Erbschaften und Spenden und soll eigentlich für soziale Zwecke eingesetzt werden. Jeder Bischof trägt ja auch den Titel »Pater pauperum« – Vater der Armen. Deshalb gilt der Skandal von Limburg auch als erste Machtprobe zwischen dem neuen Papst Franziskus, der sagt »Es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Ordensfrau im neuesten Automodell sehe« und sich die Kirche so vorstellt, wie hier auf der linken Bildseite dargestellt, und der deutschen Amtskirche, die naturgemäß eher rechts ist:
Und wie sieht der Limburger Laden jetzt eigentlich aus?
Debatte und Häme konzentrieren sich auf die neuen Privaträume des Bischofs, die in Farbgebung und Design tatsächlich wirken, als habe er ein bisschen zu viel im »Couch«-Magazin geblättert. Nussholzmöbel, Satinbettwäsche und viel Glas: 0815-Modernismus-Kitsch, der Geschmack der Geschmackfreien. Das Gesamtprojekt aber ist interessant und wird von Kritikern durchweg gelobt; da stehen antike Ruinen neben mittelalterlichen Fundamenten und postmodernen Kirchenfenstern. Ein Hybridkonstrukt, das, wie der Architekt in einem Interview meinte, »auch in 100 Jahren noch voller Würde« sein soll. Hier wird deutlich, dass wir es mit einem Kampf der Kulturen zu tun haben: da treffen Größenwahn und Zeitgefühl einer 2000 Jahren Jahre alten Institution auf die Echtzeitmediengesellschaft und den Pragmatismus der Wutbürger vom Steuerzahlerbund. Prunk, Protz und andere Spezialeffekte (Weihrauch, Orgel-Surround-Sound) gehören nicht nur zur Kirche dazu; ohne die Inszenierungswut und das Geltungsbedürfnis der Kirchenfürsten würde unsere Kultur und unsere Städte anders aussehen, hätten sich Architektur und Ingenieurskunst anders entwickelt, würden uns die gotischen Wolkenkratzer und surrealen Steinträume von Antoni Gaudí nicht immer wieder umhauen. Mein Gott: Am Kölner Dom wurde 632 Jahre lang gebaut. Der Bau würde heute zehn Milliarden Euro kosten (dagegen wirkt selbst der Bau der Elbphilharmonie kostengünstig und effizient).
Irgendwie kann man deshalb sogar verstehen, warum Tebartz-van Elst nicht versteht, warum ihn niemand versteht. Er kommt aus dem 15. Jahrhundert. Er ist Teil einer Parallelgesellschaft, die beinahe unbemerkt in unseren Städten existiert. Er hat Glück, dass ein historisches Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist: »Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik.« Der Satz ist natürlich von Karl Marx.