In den vergangenen Wochen war es bitterkalt in Deutschland. Auch Berlin wurde von Schnee, Eis und Minusgraden nicht verschont. Was für die meisten Menschen lediglich unangenehm und lästig ist, wird für alle, die kein Dach über dem Kopf haben und im Freien übernachten müssen, lebensgefährlich. Die Notunterkünfte für Obdachlose sind oft völlig überfüllt. Und alternative Schlafplätze für wohnungslose Menschen werden immer knapper.
In diesem Jahr hat auch die Berliner Verkehrsgesellschaft BVG beschlossen, ihre Stationen nicht mehr als Notquartiere für Obdachlose zu öffnen. Nach viel politischem Zwist dürfen Schutzsuchende immerhin noch in den Bahnhöfen Moritzplatz und Lichtenberg nächtigen. Der Rest bleibt verschlossen. Das konnten viele Berliner nicht nachvollziehen – und auch dem Künstlerkollektiv "Rocco und seine Brüder", das bisher mit mehreren Aktionen gegen die AfD Aufmerksamkeit erlangte, ging die Haltung der BVG gegen den Strich. Die Gruppe tat sich mit den Berliner Künstlerkollegen von "Dies Israe" zusammen und heckte einen subversiven Plan aus.
Künstlerkollektiv lässt Obdachlose in Bahnhöfe
In mehreren U-Bahn-Stationen der Hauptstadt verteilten sie Notfalltaschen mit Decken und belegten Brötchen. Zusätzlich befanden sich in den Taschen, die die Obdachlosen erhielten, auch Warnwesten und Informationen, wo es in den U-Bahnhöfen gefährlich ist und wie man sich verhalten sollte, um niemandem zu schaden. "Der Schlüssel zur Stadt" heißt das Projekt. Mit einem Generalschlüssel schlossen die Aktivisten dann die Gitter vor den Bahnhofseingängen auf, die zuvor von der BVG-Security abgeriegelt worden waren. Wie das Künstlerkollektiv da rangekommen ist? Für Reinigung, Wartung oder Bauarbeiten seien in den Bahnhöfen jede Nacht "hunderte Menschen unterwegs. Natürlich kommt da auch mal ein Schlüssel weg", so die Pressestelle der BVG.
Ihre Aktion hielten die Mitglieder von "Rocco und seine Brüder" sowie "Dies Israe" in einem Video fest, das sie anschließend unter dem Pseudonym "Kältebus" auf der Videoplattform Vimeo teilten:
Berlin: Zwei tote Obdachlose in diesem Winter
Unter dem Video sowie auf der Facebookseite der Aktivisten findet sich vor allem Lob für das Projekt. Die BVG hingegen stellt den Sinn der Aktion in Frage: "Das ist eine unglaubliche Selbstdarstellung", heißt es aus deren Pressestelle, "persönliche Eitelkeit. Ein U-Bahnhof ist kein Obdachlosenquartier – das ist ein unwirtlicher Ort." Man ist stolz darauf, dass in den zwei noch geöffneten Bahnhöfen für die Schutzsuchenden grundlegende Dinge wie Toiletten bereitstehen, die es in den übrigen Stationen nicht gibt.
"Mit der Aktion ist keinem Obdachlosen geholfen", so die Pressesprecherin. "Da hätten sie sich lieber mal eine halbe Stunde mit denen hinsetzen sollen, einfach reden – das hätte mehr bewirkt. Und auch den Menschen einfach Zehn-Euro-Scheine in die Hand zu drücken hätte vermutlich eher geholfen."
Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe sind in diesem Winter in Deutschland bisher zehn obdachlose Menschen auf der Straße gestorben. Allein in Berlin wurden in den eiskalten Nächten zwei Menschen ohne toten Wohnsitz tot aufgefunden.