Politik »Politik soll nicht nur frustrierend sein«

  • von Fiona Weber-Steinhaus
Politik: Die neue österreichische Partei NEOS feiert ihren Wahlerfolg. (Foto: Nicole Heiling)
Die neue österreichische Partei NEOS feiert ihren Wahlerfolg. (Foto: Nicole Heiling)
Sie sind pink, sehen sich als »Sprachrohr der Jugend«, die Plakate erinnern an ZDFneo und andere Jugendmagazine. Sie überzeugten ihre Wähler mit einer Art politischen Tupperpartys ohne Tupperware. Die Partei NEOS war die Überraschung der österreichischen Wahlen am Wochenende: Sie erhielten 4,93 Prozent der Stimmen und neun Mandate im Nationalrat.

Zumindest eine spannende Nachricht, nachdem die Rechtspopulisten bei der Wahl in Österreich 20,55 Prozent erhielten, und nur knapp hinter den Sozialdemokraten (SPÖ 26,86%) und Konservativen (ÖVP, 24,01 %) landeten. Wir haben bei Michael Schuster angerufen, Vorstand in der Partei und NEOS-Kandidat im Wahlkreis Niederösterreich.

Herr Schuster, wann waren Sie heute morgen im Büro?
Um 8.02 Uhr. Aber die Nacht war sehr kurz.

Ihre liberale Partei NEOS hat am Wochenende fast 5 Prozent geholt. Sind Sie die FDP in cool?
(lacht) Jein. Wir sind eine liberale Partei, aber die FDP hat eine andere Geschichte als wir. Wir tragen das Liberale nicht die ganze Zeit vor uns her. Das Wichtige ist, dass wir pragmatisch und umsetzungsstark sind.

Die NEOS-Wahlkampfthemen waren Steuersenkungen, Bildung, Pensionen für die Jungen. Sind das Themen, die sie zu einem »Sprachrohr der Jugend machen«– wie die Partei sich selbst bezeichnet?
Klar, Steuersenkungen sind auf den ersten Blick nicht unbedingt jung, aber das kann man auch anders sehen. Ein großes Thema in Österreich ist bezahlbares Wohnen und da sehen wir einen Zusammenhang mit den Steuern. Wir glauben, dass Mietobergrenzen nichts bringen. Aber wenn die Menschen nicht fast die Hälfte ihres Einkommens abgeben müssen, bleibt auch mehr Geld übrig.

Wer hat NEOS gewählt?
Vor allem junge Frauen unter 29 haben uns gewählt, die Männer sind im Schnitt etwas älter. Aber wir warten aber noch auf weitere Statistiken.

Sie werden neun Mandate im Nationalrat haben. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Wir haben zwei Stoßrichtungen: Wir wollen die anderen auf jeden Fall wachrütteln, ähnlich wie zum Beispiel die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber wir sehen uns auch als ernsthaften Koalitionspartner und sind bereit, für Themen Verantwortung zu übernehmen.

Bürgerrechte, an sich ja ein liberales Kernthema, wurde nicht in ihrem 9 ½ Punkte-Plan für die Wahl mit aufgeführt. Warum?
Bürgerrechte sind definitiv eins unserer Themen. Wir haben aber im Wahlkampf nicht den Fokus darauf gelegt, weil es nur sehr komplex zu vermitteln ist.

Ein Wahlslogan war die Pink Revolution. Was soll denn revolutioniert werden?
Wir wollen die Art und Weise des politischen Umgangs verändern, gegen den Stillstand in Österreich ankämpfen. Politik soll nicht nur frustrierend und dunkel gefärbt sein, sondern Lust machen und etwas Sprühendes haben.

Was heißt das?
Wir haben zum Beispiel vor der Wahl direkt mit den Bürgern gesprochen, es gab Open-Space-Formate und die Leute haben richtig mitdiskutiert. Aber die neue Umgangsform soll auch im Parlament enden: Man kann auch mal den politischen Gegner loben, wenn etwas funktioniert und sich nicht gegenseitig niedermachen.

Auch die Rechtspopulisten waren bei der Wahl sehr erfolgreich: Die FPÖ kam auf 20,55 Prozent , das Team Stronach auf 5,7 Prozent, die BZÖ (Anm.: Partei, die sich von der FPÖ abgezweigt hat) auf 3,53 Prozent. Was bedeutet das für Österreich?
Es zeigt, dass Jörg Haider kein singulärer Erfolg war, sondern dass es durchaus wiederholbar ist. Ich denke aber auch, dass die Wahl bei vielen eine Protesthaltung widergespiegelt hat. Die Rechtspopulisten haben von den Protestwählern profitiert. Und: Wir haben den Reflex, jetzt den Rechtsruck in Österreich zu sehen, aber von den Gesamtstimmen ist es relativ gleich geblieben(Anm:die FPÖ legte drei Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl zu).

Abgesehen von den Protestwählern haben viele die rechtspopulistischen Parteien auch wegen ihrer Wahlprogramme gewählt. Was, glauben Sie, waren die Gründe dafür?
Ich denke, dass es für viele das Euro-Thema war – mehr als das Ausländer-Thema. Es gibt vor allem bei jungen Männern unter 30 Jahren mit niedrigem Ausbildungsniveau viele, die FPÖ gewählt haben. Die haben Angst, nicht repräsentiert zu sein. Eigentlich hätten die Sozialdemokraten diese Männer in ihren Sorgen abholen können, haben dies aber versäumt.

Vielen Dank für das Gespräch!