Politik Der Müllkippen-Millionär

  • von Jakob Schrenk
Politik: Der Müllkippen-Millionär

Es war ein Tag im Juli 2013, an dem James Howells sein Vermögen, sein Glück, seine Zukunft auf den Müll schmiss. Und James Howells kam sich auch noch ziemlich gut dabei vor, er hatte endlich die Wohnung aufgeräumt, ganz wie es seine Frau gefordert hatte, er hatte sich als guter, ordentlicher Mann gezeigt, er hatte ausgemistet, sich von Dingen getrennt, die er nicht mehr brauchte, und dazu gehörte ja wohl auch diese Festplatte, die seit drei Jahren vor sich hin staubte. Bloß weg damit!

Ein paar Monate später wusste James Howells, dass das doch keine so gute Idee gewesen war. Da las er ein paar Artikel über den sagenhaften Wertgewinn des Bitcoins und erinnerte sich daran, dass er doch auch mal Bitcoins besessen hatte. Im Jahr 2009 hatte Howells angefangen, Bitcoins zu generieren, nicht um Geld zu verdienen, die Dinger waren ja damals noch nichts wert, einfach nur aus Spaß und Interesse. Um Bitcoins herzustellen, muss ein Computer komplizierte Rechenaufgaben lösen, nach einer Woche hatte Howells 7500 Bitcoins, dann beschwerte sich seine Frau, dass der Computer zu laut sei und Howells schaltete das Gerät ab. Irgendwann schüttete er dann Limonade über den Rechner, er nahm den Computer auseinander und behielt nur die Festplatte – bis zu der Putzaktion im Sommer 2013. 7500 Bitcoins wären heute etwa 2 Millionen Euro wert.

Ich glaube, ich kann verstehen, wie Howells sich fühlt. Für die aktuelle NEON habe ich eine Reportage über Bitcoins geschrieben, und weil ich ausprobieren wollte, wie gut das Bitcoin-System eigentlich funktioniert, habe ich mir selbst zwei Bitcoins gekauft, für insgesamt 750 Euro. So etwa 1, 7 Bitcoins habe ich immer noch, obwohl ich ein Wochenende lang in Berlin Bier, Burger und Hotelübernachtungen mit der digitalen Währung bezahlt habe. Das Geld lagert jetzt auf einem Wallet, einer Art digitalen Geldbörse, auf meinem Zweitsmartphone. Und weil ich es immer noch nicht geschafft habe, ein Backup zu erstellen, wären die Bitcoins weg, wenn ich das Handy verliere oder es sonstwie kaputt geht (es ist ein Billiggerät).

Es war ganz leicht, mit Howells in Kontakt zu kommen, wie es sich für einen IT-ler gehört, ist er auf Twitter, erst will er 500 Pfund für ein Gespräch, als ich ihm sage, dass ich die nicht habe, ist es ihm auch egal und erzählt mir von seinem Plan, die Müllkippe, auf der die Festplatte liegen muss, umzugraben. Das Gelände, das in Frage kommt, hat die Größe eines Fußballfeldes, Howells müsste etwa einen Meter tief graben, das kostet, so schätzt er, um die eine Millionen Euro.

Howells hat zu Spenden aufgerufen. Bisher kamen aber erst 0,1 Bitcoins zusammen, das sind etwa 30 Euro: »Bitcoiners sind eben nicht so freigiebig«, meint Howells. Die Stadt Newport in Wales hat ihm allerdings auch generell verboten, nach der Festplatte zu graben. Howells Hoffnung ist nun, dass Bitcoins stark im Wert steigen. Howells glaubt, dass die Bitocins, die auf der Festplatte liegen, bald siebzig oder hundert Millionen Euro wert sein könnten: »Wenn ich dann der Stadt verspreche, dass ich ihnen fünf oder zehn Millionen Euro abgebe, darf ich vielleicht doch wieder suchen.«

Es ist schon seltsam: Howells hätte allen Grund, Bitcoins zu hassen, die vielen schlaflosen Näche, die Nerven, die Zweifel, die Ego-Beschimpfungen. Howells glaubt aber weiterhin an die digitale Währung, auch wenn sie ihn fast um den Verstand bringt. »Bitcoins sind die Zukunft des Finanzwesens. Die Leute müssen endlich verstehen, dass Bitcoins die bessere Währung sind.«

In NEON #06 2014 findet ihr die komplette Reportage von Jakob Schrenk, der sich in München zwei Bitcoins gekauft und dann in Berlin versucht hat, damit über die Runden zu kommen. NEON könnt ihr auch für das iPad herunterladen.