Es kommt ja doch alles raus, deswegen sage ich es gleich: Ich habe mich neulich über ein Übermaß an Behindertenparkplätzen aufgeregt. Außerdem habe ich meine Mitbewohnerin sexistisch beleidigt. Beides war falsch, dumm und albern, ich entschuldige mich auch dafür, worauf ich hinauswill ist aber: Es geschah in einem privaten Rahmen. Ich habe mich halt gehen lassen, warum auch immer, es hat mir Spaß gemacht, etwas Blödes zu sagen, nie würde ich das in aller Öffentlichkeit tun, nie würde ich hier in NEON sexistische Artikel veröffentlichen (glaube ich zumindest). Ich schreibe das, weil es gerade in den USA zu einem riesengroßen Skandal kam.
In einem privaten Gespräch, man könnte auch sagen, einen Streit, hat Donald Sterling, der Besitzer des Basketballteams L.A. Clippers ziemlich schreckliche Sachen gesagt. Offenbar erregte sich Sterling darüber, dass seine Freundin V. Stiviano auf Instagram ein Foto postete, das sie selbst und Earvin Magic Johnson zeigt. Unter anderen sagte Sterling: »It bothers me a lot that you want to broadcast that you’re associating with black people. Do you have to?« Sterling findet auch, dass Stiviano mit Schwarzen schlafen dürfe: »You can bring them in, you can do whatever you want. The little I ask you is not to promote it on that … and not to bring them to my games.«
Das ist natürlich zum Kotzen, keine Frage, ganz sicher ist Donald Sterling ein Rassist. Aber ist es jetzt sehr haarspalterisch, wenn ich sage, dass er diese Bescheuertheiten eben in einem privaten Gespräch von sich gegeben hat, und dass ein Tonband-Mitschnitt dieser, nun ja, Unterhaltung, ins Internet geriet? Sogar Barack Obama hat Sterling bereits scharf kritisiert – und das in einem Land, in dem das Recht auf Privacy in Ableitung aus dem 4. Zusatzartikel der Verfassung, eine ganz besonders große Bedeutung hat. Definiert wurde diese Privacy übrigens in einer großartigen Formulierung als the right to be let alone. Dieses Recht hat Sterling ganz offenbar gerade nicht.
Damit wir uns richtig verstehen: rassistischen Sätzen muss widersprochen werden, ich gehe davon aus, dass Stiviano das auch gemacht hat. Ich hätte es auch begrüßt, wenn sie den alten Idioten ein paar Ohrfeigen gegeben hätte. Aber hätte man das nicht in dem privaten Rahmen lassen können, in dem sich das Gespräch offensichtlich befunden hat? Wenn Sterling diese Sätze in der der Öffentlichkeit gesagt hätte, wäre ich der Erster, der ihn deswegen lustvoll niedermacht (naja, vielleicht doch nicht der Erste, so wichtig finde ich den Typen dann doch nicht) – aber so?
Ich habe jetzt knappe zwanzig Artikel zum Thema gelesen, und in keinem wird auch nur problematisiert, dass es einen Unterschied zwischen privater und veröffentlichter Meinung gibt. Hätte Obama nicht sagen können: Es interessiert mich nicht, was ein verwirrter älterer Herr mit seiner Gespielin bespricht? Julia Timoschenko ist heftig kritisiert worden, weil sie in einem privaten Telefongespräch, das abgehört wurde, über ihren Wunsch spricht, Putin zu erschießen. Ich finde das nicht besonders stilvoll, allerdings ist es ihr gutes Recht, so etwas zu einem Freund oder Bekannten zu sagen, und noch einmal: Sie hat das ja nicht auf den Maidan getan. Trotzdem hat, soviel ich weiß, niemand Timoschenko verteidigt.
Ist es also mein pathologischer Widerspruchsgeist, der mich dazu führt, auf dem Unterschied von privat und öffentlich zu beharren? Eure Meinung interessiert mich wirklich, das sind keine rhetorischen Fragen: Mache ich es mir zu einfach oder haben auch Rassisten ein Recht auf Privatsphäre? Was ist gewonnen, wenn wir in privaten Äußerungen von Prominenten herumanalysieren? Sollte es einen Raum unbestrafter, privater Dummheit geben? Oder bekommt Sterling völlig zu Recht auf die weiße, faltige Schnauze?