Politik This is Hardcore

Politik: This is Hardcore
Vor einigen Tagen musste der NPD-Politiker Peter Marx aus dem Saarland seine Ämter aufgeben, weil Fotos im Internet aufgetaucht waren, die ihn zeigen, wie er seinen Geburtstag mit einem Pornostar und einem phallusförmigen Kuchen feierte. Pornos und Penis-Candy im biederbösen Vaterland-Mutterkreuz-Kosmos der NPD, das ist schon ziemlich groß; im Laufe der Menschheitsgeschichte aber haben sich Politiker, Wirtschaftsführer und andere Würden- und Funktionsträger noch ganz andere Sachen geleistet. Außereheliche Affären und Bestechungsskandale kann jeder, nur wer wirklich wahnsinnig ist, bleibt unvergessen. Eine Hommage an alle, die sich nicht zu fein sind, über ihr Ego, ihre Gier und ihren Geschlechtstrieb zu stolpern – dank ihnen ist unsere Welt nun ein besserer Ort.

1. Ich ist ein Anderer

Um wen geht’s? Ted Haggard, amerikanischer TV-Prediger.

Warum trat er zurück? Probleme mit dem Spiegelbild. Als Präsident der National Association of Evangelicals und Chef-Pastor der New Life Church war Ted Haggart einer der mächtigsten Hardcore-Christen der USA. Millionen Menschen schauten seine TV-Sendungen, in denen er immer wieder gegen Schwule und Lesben wetterte. 2006 kam heraus, dass er immer wieder Stricher in billige Motels bestellt und dabei Crystal Meth konsumiert hatte. Haggart verstieß eine Weile gegen das achte Gebot, trat dann aber doch zurück. Er arbeitete eine Weile als Versicherungsvertreter, ließ sich gegen seine homosexuellen Neigungen behandeln und hat mittlerweile eine neue Kirche gegründet.
Wann war das genau? 2005

Politik: This is Hardcore

2. You have mail!

Um wen geht’s? Anthony Weiner, Mitglied des US-Kongresses

Warum trat er zurück? Der New Yorker galt Ende der Nuller Jahre als politisches Supertalent, wurde als zukünftiger Präsident gehandelt und unter anderem von den Clintons protegiert. Dann kam heraus, dass er über seinen Twitter-Kanal wiederholt Hardcore-Selfies an fremde Frauen verschickt hatte. Es folgte: 1. Das Dementi. 2. Der tränenreiche Rücktritt. 3. Die Cool-Down-Phase. 4. Das Comeback. Zusammen mit seiner Frau lud er die New York Times zu einer Homestory ein. Weiner sprach von harten, lehrreichen Jahren und kündigte dann seine Kandidatur für das Amt des New Yorker Bürgermeisters an. Es lief gut für Weiner. In den Umfragen lag er zeitweise bei über dreißig Prozent. Dann kam heraus, dass er unter dem Pseudonym »Carlos Danger« erneut Fotos und Porno-Textnachrichten an fremde Frauen schickte. Bei der Bürgermeisterwahl erhielt Weiner nur, oder besser: trotzdem fünf Prozent der Stimmen. Von der Presse verabschiedete er sich mit ausgestrecktem Mittelfinger.
Wann war das genau? 2009 bzw. 2013

3. Delete all?

Um wen geht’s? Fabian Wetter, Funktionär der österreichischen Rechtspartei FPÖ

Warum trat er zurück? Akute Social Media-Inkompetenz. Der Gemeinderat aus dem oberösterreichischen Ort Franking hatte nicht verstanden, dass Facebook ein Instrument zur Markenpflege ist und keine Plattform um den dunkelsten Wesenskern zu enthüllen. Der FPÖ-Mann bezeichnete »Schindlers Liste« auf Facebook als »jüdischen Propagandafilm«, postete eine Fotomontage von Angela Merkel mit Judenstern und der Überschrift »Vaterlandsverräterin« sowie ein Zitat aus dem Hitler-Jugend-Gedicht »Sonnenwende«, in dem es heißt: »So wie wir hier stehen: im Kreise zusammen, so sind wir des werdenden Volkes Beginn.« Als Wetter von einer Zeitung auf seine Facebook-Seite angesprochen wurde, sprach er immerhin nicht von einem Facebook-Hack oder einem Missverständnis, sondern sagte: »Stimmt, das hab‘ ich gemacht. Wenn die Partei jetzt will, dass ich meine Funktionen niederlege, mache ich das auch.«
Wann war das genau? 2013

Politik: This is Hardcore

4. Wer sich kein Wasser leisten kann, soll Sekt trinken

Um wen geht’s? Peter Gloystein, Wirtschaftssenator aus Bremen.

Warum trat er zurück? Ihm rutschte die Hand aus bzw. die Flasche aus der Hand. Auf einem Weinfest goss der CDU-Politiker einem Obdachlosen eine Flasche Sekt über den Kopf. Leider ließ er sich bei diesem Akt der Großzügigkeit von Fotografen der BILD-Zeitung fotografieren. Gloystein behauptete zunächst, er habe dem Mann nach guter alter Formel 1- Tradition die Sekt-Flasche geben wollen, leider habe dieser aber dann den Kopf weggezogen. Der Senator versuchte sein Opfer noch zu besänftigen, indem er ihm einen teuren Kugelschreiber anbot. 24 Stunden später trat er doch zurück.
Wann war das genau? 2005

5. Schwarzgeld, das den Namen verdient

Um wen geht’s? Takashi Tsukamoto,Verwaltungsratschef der japanischen Großbank Mizuho

Warum trat er zurück? Mizuho ist die zweitgrößte Bank Japans, aber es gibt noch andere Organisationen, vor denen selbst die Banker Respekt haben. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass einer Mizuho-Tochterfirma zwischen 2010 und 2013 mehr als 1,4 Milliarden Euro an die japanische Mafia verlieh, auch Yakuza genannt. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass die Gangster die billigen Verbraucherkredite vor allem für Autofinanzierungen nutzten.
Wann war das genau? 2013

Politik: This is Hardcore

6. Ich ist ein Anderer II

Um wen geht es? Csanad Szegedi, EU-Abgeordneter der rechtextremen Partei Jobbik aus Ungarn.

Warum trat er zurück? Er entdeckte seine wahre Identität. Csanad Szegedi, heute 34 Jahre, war EU-Abgeordneter und ein aufstrebender, so sagt wohl, Jungkader von Jobbik – einer Partei, die drittstärkste Kraft in Ungarn ist und schon mal die staatliche Erfassung aller Juden im Land fordert. »Der Jude«, meinte auch Csanad Szegedi, »kauft das ungarische Land auf und entweiht die Nationalsymbole.« Dann erfuhr Szegedi, dass seine Großmutter Jüdin war und Auschwitz überlebt hatte. »Was für ein Schock«, wie er später meinte. Seine antisemtischen Parteifreunde hatten für seine Abstammung überraschenderweise kein Verständnis und starteten eine Hasskampagne. Csanad Szegedi trat von allen Funktionen zurück und sprach – offenbar zum ersten Mal – mit seiner Oma. Heute versucht sich Szegedi, was bei gefallenen Stars eher selten vorkommt, an einer echte Läuterung: Er erkundet seine jüdischen Wurzeln, lernt Hebräisch und will »meine Vergangenheit mit guten Taten aufwiegen«.
Wann war das genau? 2012

Epilog: Für jeden Sünder, der seine Fehler eingesteht und die Öffentlichkeit um Vergebung bittet, gibt es einen Hardcore-Bastard, der einfach nicht zurück tritt, sondern weiter steil geht. Einen wie Rob Ford. Der Bürgermeister von Toronto, musste zwar unlängst zugeben, dass er Crack geraucht hat und sich dabei auch filmen ließ. Es geht um Koma-Saufen im Rathaus, häusliche Gewalt und Schimpftiraden im Live-TV. Aber Rob Ford tritt nicht zurück, sondern bei den Neuwahlen an. Uns ist das recht. Solange er eine solce Show abzieht, darf er sein Amt gerne behalten:

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