Politik Wie sollen wir auf die Terrorgefahr reagieren?

Politik: Helge Schneider musste seine Lesung wegen Terrorgefahr absagen.
Helge Schneider musste seine Lesung wegen Terrorgefahr absagen.
Thomas de Maizière schweigt nach dem abgesagten Fußballspiel in Hannover zu konkreten Bedrohungen, weil er uns nicht »verunsichern« will. Das ist falsch. Wir brauchen eine Debatte, welche Vorsichtsmaßnahmen wir akzeptieren und welche nicht. Desinformation schürt Ängste. Ein deutscher Comedian hat die bessere Antwort.

Helge Schneider isst erst mal eine Mandarine. Seine Lesung am Dienstagabend in Hannover ist gerade eben abgesagt worden. Terrorgefahr. Jetzt sitzt Schneider in seinem Hotelzimmer und filmt sich beim Nachdenken. »Wenn das so weitergeht, und ich morgen auch nochmal absagen muss«, sagt Schneider über seine Tourpläne, »dann komm ich Donnerstag wieder.«

Ebenfalls in Hannover, aber trotzdem ziemlich weit weg von Helge Schneider, sitzt Innenminister Thomas de Maizière auf einer Pressekonferenz. Er ließ wegen erheblicher Sicherheitsbedenken das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande im letzten Moment absagen. Welche Gefahr konkret vorlag, welche Drohungen es konkret gab? Dazu schweigt de Maizière lieber. »Ich bitte um Verständnis, dass ich aus ganz grundsätzlichen Erwägungen die Quelle und das Ausmaß des Hinweises und der Gefährdung nicht weiter kommentieren möchte.«

Auch in einer Demokratie darf es Geheimnisse geben, aber die Begründung ist das Problem

Ermittlungstaktische Zurückhaltung und Vorsicht sind richtig und verständlich, gerade in der aktuellen Situation. Auch in einer Demokratie muss es Geheimnisse geben dürfen. Es kann nicht immer alles sofort an die Öffentlichkeit gereicht werden. De Maizière begründet sein Schweigen aber auch mit einem anderen, problematischen Satz: »Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.« Tja, schwer zu beurteilen, wenn man nicht weiß, worum es geht. De Maizières Antwort: »Ich bitte einfach mal die deutsche Öffentlichkeit um einen Vertrauensvorschuss.«

Nein, Herr Innenminister, ich will Ihnen nicht blind vertrauen. Ich brauche Informationen.

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Tatsächlich ist es so, dass die Antworten von de Maizière wahrscheinlich einiges enthielten, was mich als Deutsche verunsichern könnte. Trotzdem ist es falsch, Informationen mit einer solchen Begründung zurückzuhalten und dann eine Kategorie wie »Vertrauen« zu bemühen. Fehlende Information schürt in so einer Situation die Angst und das Misstrauen, die wir gerade jetzt nicht in unsere Köpfe kriechen lassen dürfen. Andeutungen über die Schwere der Gefahr helfen da nicht. Je nach dem, von welcher Seite man es betrachtet, hat der Innenminister also zu viel oder zu wenig gesagt.

Mehr Überwachung für mehr Sicherheit? Das hat schon in den USA nicht geklappt

Was wir jetzt brauchen, ist eine Debatte darüber, wie wir uns als Gesellschaft schützen wollen – und wie nicht. Wir müssen auf Basis von verfügbaren Informationen diskutieren können, welche zusätzlichen Maßnahmen wir akzeptieren wollen, um uns – vermeintlich – sicherer zu fühlen und welche Vorsichtsmaßnahmen zu weit gehen und uns zu viel Freiheit wegnehmen. Diese Entscheidungen soll nicht allein der Innenminister, nicht allein die Regierung, für mich treffen.

Schon jetzt haben die ersten prophezeit, dass kurz nach dem Anschlag die Forderungen nach einer ausgeweiteten Vorratsdatenspeicherung kommen werden. Und am besten noch ein paar Videokameras mehr an öffentlichen Plätzen. Mehr Überwachung für mehr Sicherheit. Diesen Weg haben schon die USA nach 9/11 eingeschlagen und er hat das Land weniger frei und weniger demokratisch gemacht.

Ich will nicht, dass uns hier in Deutschland auch so etwas passiert. Ich will nicht, dass durch bewusste Desinformation dumpfe Ängste geschürt werden und Gerüchte helfen, die Stimmung gegen Asylsuchende anzuheizen.

Dass auch in Deutschland ein Anschlag passieren kann, ist mir nicht erst seit Hannover und Paris klar. Ich schaue sprachlos nach Frankreich und hoffe, dass es nicht nochmal passiert, dass es nicht hier in Deutschland passiert. Aber ich weiß gleichzeitig, dass diese Hoffnung in der jetzigen Zeit leider irrational wirkt. Ich wünsche mir jetzt nichtsdestotrotz mehr Menschen, die so denken wie Helge Schneider. Und nicht wie Thomas de Maizière.