Mitten in Paris sind drei kurdische Aktivistinnen, darunter ein prominentes Mitglied der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet worden. Die Leichen der drei Frauen wurden in der Nacht in den Räumen des Kurdischen Informationsbüros entdeckt, wie die Polizei mitteilte. Die Türkei und die PKK bezichtigten sich gegenseitig der Bluttat.
Bei den Opfern handelt es sich um die 55-jährige Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK und Symbolfigur der kurdischen Frauenbewegung. Auch die 32-jährige Fidan Dogan, Vertreterin des Kurdischen Nationalkongresses in Paris, war eine bekannte Repräsentantin der Kurden in Frankreich. Ein Verantwortlicher der Vereinigung der Kurdenverbände in Frankreich, Leon Edart, sagte, bei der dritten Toten handele es sich um die "junge Aktivistin" Leyla Söylemez.
Nach Angaben der Kurdenverbände wurden zwei der Frauen mit Nackenschüssen getötet. Der dritten Frau wurde demnach von vorn in den Kopf und in den Bauch geschossen. Es seien Waffen mit Schalldämpfern verwendet worden.
Laut Edart befanden sich die drei Frauen am Mittwochnachmittag allein in dem mit einem elektronischen Türschloss gesicherten Büro ganz in der Nähe des Pariser Nordbahnhofes in der Lafayette-Straße. Die Leichen wurden jedoch erst entdeckt, nachdem kurdische Vertreter sich Sorgen gemacht und gegen ein Uhr nachts die Tür aufgebrochen hatten.
Die drei Frauen seien allem Anschein nach "hingerichtet" worden, sagte Frankreichs Innenminister Manuel Valls. Er begab sich zum Tatort und verurteilte die "unerträglichen Morde". Die Terrorismusabteilung der Polizei übernahm die Ermittlungen.
Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem "schrecklichen" Verbrechen. Er habe eine der Frauen persönlich gekannt. Die Terrorismusabteilung der Polizei übernahm die Ermittlungen. In Paris und Marseille demonstrierten hunderte Kurden nach der Bluttat und machten die Türkei verantwortlich.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan rief zur Ruhe auf. Es könne sich um eine Abrechnung innerhalb der PKK handeln, aber auch um eine "versuchte Provokation" gegen seine Kurdenpolitik, sagte er laut türkischen Medien während einer Afrika-Reise. Auch sein Vize und Regierungssprecher Bülent Arinc schloss nicht aus, dass sich der Anschlag gegen die derzeit laufenden Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und dem in der Türkei inhaftierten kurdischen Rebellenchef Abdullah Öcalan richtete. Ein führender Vertreter des politischen Arms der PKK, Zübeyir Aydar, machte Kräfte im türkischen Staatsapparat verantwortlich, welche die Verhandlungen ablehnen.
Der türkische Geheimdienst MIT verhandelt seit Dezember mit Öcalan, dem Gründer und Anführer der PKK, über eine Lösung des seit fast drei Jahrzehnten andauernden Konflikts. Erst am Mittwoch hatten Medien von Fortschritten berichtet. Die PKK kämpft seit dem Jahr 1984 für die Rechte der Kurden und gegen den türkischen Staat; in dem Konflikt wurden bislang etwa 45.000 Menschen getötet.
Politische Experten blieben bei ihren Einschätzungen zum Hintergrund der Tat vorsichtig. Die Leiterin des Türkei-Programmes beim französischen Institut für internationale Beziehungen (Ifri), Dorothée Schmid, verwies mit Blick etwa auf türkische Ultra-Nationalisten darauf, dass viele in der Türkei gegen eine Vereinbarung mit der PKK seien. Doch auch innerhalb der PKK gebe es deshalb Unstimmigkeiten. Die ermordete Cansiz sei "eine Vertraute Öcalans" gewesen.