Das Opfer hatte das Mahnmal am 21. Februar 2025 gemeinsam mit zwei Freunden als Tourist besucht. Inmitten des Stelenfelds wurde er von dem 19-Jährigen angegriffen. Der damals 30-Jährige sei völlig wehrlos gewesen, weil der Angeklagte ihn unvermittelt von hinten gepackt habe, hieß es in der Anklage. Neben der 14 Zentimeter langen klaffenden Wunde am Hals erlitt er auch Schnittwunden im Gesicht und am Finger.
Der Angegriffene konnte noch aus dem Stelenfeld fliehen und verlor dann das Bewusstsein. Laut Bundesanwaltschaft überlebte er nur dank einer sofortigen notärztlichen Versorgung. Laut früheren Behördenangaben musste er nach einer Notoperation für einige Zeit in ein künstliches Koma versetzt werden. In dem Prozess tritt er als Nebenkläger auf, persönlich anwesend war er zu Verhandlungsbeginn aber nicht.
Als erster Zeuge wurde ein Polizist vernommen, der an dem Abend Objektschutz an der nahen US-Botschaft geleistet hatte. Er berichtete, durch Rufe nach der Polizei auf das Geschehen aufmerksam geworden zu sein. Als er sich dem Mahnmal näherte, habe er den Angegriffenen gesehen. Dieser habe sich den Hals gehalten und sei zunächst noch bei Bewusstsein gewesen. Kurz darauf habe sich sein Zustand aber sichtlich verschlechtert. Nach rund fünf Minuten sei ein Krankenwagen eingetroffen. Den mutmaßlichen Täter habe er nicht gesehen, sagte der Polizist.
Laut Anklage war der 19-Jährige eigens für die Tat von seinem Wohnort Leipzig nach Berlin gereist. Spätestens seit Ende 2024 habe er sich im Sinne des IS radikalisiert, führte Oberstaatsanwalt Michael Neuhaus am Rande des Prozesses aus. Er sei der Ansicht gewesen, einen religiösen Auftrag zu haben und habe "ein Zeichen gegen die freiheitliche Gesellschaft und gegen Juden" setzen wollen. Zudem war er aus Sicht der Bundesanwaltschaft "angetrieben durch die Eskalation im Nahostkonflikt".
Zum Holocaustmahnmal sei er gegangen, weil er der Ansicht war, "dass er dort Menschen jüdischen Glaubens töten könnte", sagte Neuhaus. Der Angegriffene ist nach Angaben seines Anwalts Sebastian Sevenich nicht jüdischen Glaubens. Nach der Tat soll der Angeklagte laut Bundesanwaltschaft noch "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben. Dann soll er zunächst noch einen weiteren Menschen kurzzeitig verfolgt haben, bevor er floh.
Drei Stunden nach der Tat wurde der 19-Jährige festgenommen. Er lief damaligen Angaben zufolge auf die Polizeikräfte zu und hatte Blut an den Händen und an der Hose. In seinem Rucksack befanden sich ein Gebetsteppich, ein Koran, ein Zettel mit Versen aus dem Koran und dem Datum des Tattags darauf sowie die mutmaßliche Tatwaffe. Den Ermittlern zufolge war er zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. 2023 soll er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen sein.
Kurz vor der Tat soll der 19-Jährige laut Bundesanwaltschaft über Messengerdienste Kontakt zu IS-Angehörigen aufgenommen und sich als Mitglied angedient haben. Die Anklage wirft ihm daher nicht nur versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung, sondern auch die versuchte Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor. Für den Prozess sind 13 Verhandlungstage bis Ende Januar geplant.