Diese Enthüllung ist für das Fortbestehen der Sat.1-Vorabendsendung "Newtopia" existenzgefährdend: Am Montag kam heraus, dass eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma Talpa den Bewohnern Anweisung gegeben hatte. Dabei sollte es in der Sendung eigentlich darum gehen, dass 15 Pioniere nach eigenen Regeln leben und sich eine eigene Existenz aufbauen. Die Sat.1-Sendung, die als "einmaliges TV-Experiment" angepriesen wurde, entpuppte sich als Scripted-Reality-Format, bei dem nicht alles echt ist.
Entsprechend wütend die Reaktionen vieler Zuschauer, die ihrem Frust auf der Facebook-Seite der Sendung freien Lauf lassen. Die Produktionsfirma Talpa täte gut daran, reinen Tisch zu machen und einzugestehen, etwas nachgeholfen zu haben. "Im Interesse der Zuschauer", das ließe sich schon irgendwie verkaufen. Denn das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Jeder weiß nun Bescheid.
Doch leider hat sich Talpa für einen anderen Weg entschieden: ein Bauernopfer bringen, vertuschen, lügen. Obwohl aus dem Mitschnitt hervorgeht, dass es regelmäßige Meetings mit Redakteuren gibt, versucht die Firma, die ganze Affäre als "menschlichen Fehler" hinzustellen. "Weder die Produzenten noch der Sender hatten von diesem Vorfall Kenntnis. Wir sehen dies als einen unglücklichen und außergewöhnlichen Umstand an" heißt es in einem auf Facebook veröffentlichten Statement. Und weiter: "Die verantwortliche Person wurde von ihrer Tätigkeit entbunden."
Die Macher müssen eine Entscheidung treffen
Ein unglücklicher Einzelfall also, schon klar. Wie aber erklärt Talpa dann, dass es kurz vor diesem aufgezeichneten Gespräch im Technikraum ein Meeting gegeben hat, bei dem vier Pioniere von den "Newtopia"-Machern überzeugt werden sollten, ihre Kühe zu verkaufen und im Stall ein Restaurant einzurichten? Darüber war erst der Streit entbrannt, den die nun gefeuerte Mitarbeiterin in der Nacht zu schlichten versuchte: die übrigen Mitbewohner fühlten sich übergangen. Zudem scheint die Produktionsfirma in ständigem Kontakt mit TV-Mogul John de Mol zu stehen, der seine Wünsche nach Deutschland durchgibt.
Talpa und der zuständige Sender Sat.1 müssen sich entscheiden: Entweder sie bieten ein Format an, das wirklich "echt" ist - dann müssen sie zur Not auch eine schwächelnde Quoten in Kauf nehmen. Oder aber sie helfen der mitunter drögen Realität im Sinne einer größeren Attraktivität etwas nach - dann sollten sie dies endlich eingestehen.
Sat.1 und Talpa haben sich offensichtlich für einen Mittelweg entschieden. Ob das zum Erfolg führt? Schon der deutsche Barockdichter Friedrich von Logau wusste: "In Gefahr und großer Not / Bringt der Mittelweg den Tod".