Schule Sitzenbleiben ist teuer und unnütz

Das Sitzenbleiben in der Schule kostet den Steuerzahler laut einer Bertelsmann-Studie jedes Jahr 931 Millionen Euro. Dabei zeigt die Maßnahme keinen pädagogischen Erfolg.

Dass viele Kinder in Deutschland eine Schulklasse wiederholen, kostet viel Geld - und ist pädagogisch unwirksam. 931 Millionen Euro geben die Bundesländer jährlich für schulische Ehrenrunden aus, wie der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung errechnet hat. Bessere Leistungen seien bei einer "Ehrenrunde" aber nicht festzustellen. Die empirische Forschung sehe höchstens im Wiederholerjahr eine Verbesserung. Bereits im nächsten Schuljahr, in dem die Anforderungen neu und höher seien, würden die Leistungen wieder sinken, heißt es in der Studie. Auch die im Klassenverbund verbliebenen Schüler zeigen der Studie zufolge keine verbesserte Lernentwicklung. In der Berechnung der Kosten wurden zusätzliche Personalausgaben für die Schulen und die Schulverwaltung, der laufende Sachaufwand sowie die Investitionsausgaben berücksichtigt.

"Statt einer frühen schülerorientierten Förderung verschieben wir den Zeitpunkt wirksamer Unterstützung und verpassen ihn dabei", sagte dazu das Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. "Jeder Schüler lernt anders, dieser Tatsache müssen wir stärker in unseren Schulen Rechnung tragen und Konzepte zur individuellen Förderung entwickeln", erklärte er.

Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Klassenwiederholungen sollten eine Ausnahme beispielsweise für den Fall langwieriger Erkrankungen sein. Das Sitzenbleiben ist in Deutschland laut Studie eine besonders beliebte pädagogische Maßnahme. Im Schuljahr 2007/08 mussten rund eine Viertelmillion der Schüler allgemeinbildender Schulen eine Ehrenrunde drehen. Früheren Pisa-Ergebnissen zufolge sind 23,1 Prozent aller 15-Jährigen im Verlauf ihrer Schulzeit mindestens einmal sitzengenlieben - so viel wie in keinem anderen Land. Zwischen den Bundesländern gibt es bei der Wiederholerquote große Unterschiede. Während der Anteil der Sitzenbleiber in Baden-Württemberg im Untersuchungsjahr nur bei 1,7 Prozent lag, waren in Bayern rund 3,6 Prozent aller Schüler betroffen.

Insgesamt machen Realschulen am häufigsten Gebrauch von der Ehrenrunde. Hier lag die Quote 2007/08 bei 5 Prozent. Sitzenbleiben ist auch in den Köpfen vieler Eltern und Lehrer nach wie vor ein fester Bestandteil des deutschen Schulsystems: Nach einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2006 schätzen laut Bertelsmann 66 Prozent der Deutschen das Sitzenbleiben als sinnvoll ein und wollen es als pädagogische Maßnahme beibehalten. Dieses Denken müsse sich ändern, da "wir weder mit der Lebenszeit und dem Entwicklungspotenzial der Kinder noch mit den öffentlichen Mitteln verantwortungsvoll umgehen", kritisierte Dräger.

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