Auf den ersten Blick: ein normaler Wald. "Aber das täuscht", sagt Didier Cailhol. "Wer ihn betritt, lernt die Unterwelt kennen." Cailhol, 63, ist Geomorphologe. Er untersucht, wie sich die Erdoberfläche über Jahrmillionen verändert hat. Dafür erforscht er Höhlen, weltweit. Jetzt hat er sich zwei Tage Zeit genommen, um das Juragebirge in der Franche-Comté im Osten Frankreichs zu zeigen. Er beginnt auf dem Lehrpfad Sentier Karstique. In diesem kleinen Wald.
Cailhol wirkt voller Energie, sein wacher Blick ist auf den Boden rechts und links des Weges gerichtet. Zwischen den Büschen schimmern hellgraue Felsen. "Das ist Kalkstein", erklärt er, "daraus besteht hier alles." Auch kleine und große Löcher in der Erde, sogenannte Dolinen, finden sich entlang des Weges, viele sind von Moos überwuchert. Etwas abseits, mitten im wilden Grün, liegt ein riesiger geriffelter Felsen, ein Lapiaz. "Wie alles hier wurde er durch Erosion geformt: Durch Risse im Boden versickert saures Regenwasser, löst den Kalkstein auf und spült ihn fort. Karst ist sehr einfach."
Bald erreichen wir eine Senke. Über eine Treppe geht es hinab in die Grotte Maëva, bis ein Eisentor den Weg versperrt. Didier Cailhol leuchtet mit einer Taschenlampe in die Höhle. Wir sehen einen etwa 30 Meter langen Weg, beigefarbene Felsen, dazu Reste von Tropfsteinen. "Weiter kommen wir heute nicht", sagt er. "Aber wir werden noch genug andere Höhlen erkunden."

Die Auswahl ist groß, die Plateaus der Franche-Comté sind voller Löcher. Während oberirdisch Dörfer aus Kalksteinhäusern, sanfte Hügel und mächtige Felswände die Landschaft prägen, verstecken sich zahllose Hohlräume in der Erde: Risse, Spalten, Schluchten, dazu Gänge und Höhlen, so gewaltig wie Kathedralen. Manche sind für Besucher geöffnet – faszinierende Kraftorte, oft nur wenige Meter unter der Erdoberfläche. Man muss nur hinabsteigen.
Wie aber ist das alles entstanden?