>Herr Garbarek, je erfolgreicher Sie Platten verkaufen, desto härter urteilt die Kritik. "New-Age-Schund" sei das, Entspannungsmusik für "gestresste Manager". Man könne an jeder beliebigen Musikstelle ein- und aussteigen, ohne etwas zu verpassen.
Wissen Sie, Einfachheit ist nicht einfach. Was übersichtlich klingt, ist in Wirklichkeit sehr kompliziert. Die heutige Jazzmusik ist zu voll gestopft. Da läuft alles gleichzeitig ab. Bei mir soll jedes Instrument die Zeit bekommen, alleine zu wirken.
Bei Ihren Konzerten wirken Sie sehr verschlossen. Auch privat sollen Sie ein großer Schweiger sein.
Ich drehe sogar beim Fernsehen den Ton weg. Für meine Familie ist das schwer zu ertragen. Vor allem für meine Enkelin, sie ist erst dreieinhalb. Aber nur in größter Stille beginnt es, in mir zu schwingen. Am liebsten komponiere ich auf meiner Hütte in den Bergen. Noch schöner wäre es dort allerdings ohne Strom und Telefon.
Sie scheinen einen großen Respekt vor der Stille zu haben.
Jede Musik kommt aus der Stille, so wie jedes Bild aus der leeren Leinwand entsteht. Die Stille ist ein riesiges Reservoir. Sie ist das Schönste, was es gibt.
Sie sind es, die sie mit Ihrem Saxofon brechen.
Ja, das bin ich. Aber es fällt mir jedes Mal schwer. Wenn ich auf die Bühne trete und das Publikum verstummt, dieser Augenblick der Stille ist mir das Liebste am ganzen Konzert.
In Ihren Kompositionen klingen oft ethnische Elemente an, als plünderten Sie die gesamte Weltmusik.
Das ist absolut wahr. Jeder Musiker plündert, nur gibt es niemand zu.
Sie sind der erste Jazzmusiker in Norwegen, vor Ihnen gab es keinen.
Auch für mich war das in den 60er Jahren als Beruf undenkbar. Noch meine Großeltern hielten jede Musik, die nicht auf einer Kirchenorgel gespielt wird, für Sünde. Meine Mutter stammt von einem Bauernhof in einem abgelegenen Tal. Dort habe ich meine Kindheit verbracht. Wir hatten sogar eine Alm!
Und Sie wollten Bauer werden?
Nein, als Jugendlicher wollte ich unbedingt Vergleichende Sprachwissenschaften studieren. Darauf habe ich mich auf dem Gymnasium sehr ernsthaft vorbereitet, habe Latein und Griechisch gelernt.
Aber dann kam das Saxofon dazwischen.
Das Saxofon war nur als Hobby gedacht, ich habe mich in der Musik abreagiert wie in einer Urschrei-Therapie. Als die Leute meine Musik hörten, haben sie gesagt: "Wenn du nicht Saxofon spielen könntest, würdest du in einer Anstalt landen."
Haben Sie wirklich ein Duett mit dem Wind eingespielt?
Ja. Ein seltsamer Norweger hatte eine Harfe für den Wind gebaut, er fing ihn in einem Trichter und leitete ihn auf verrostete Saiten. Der Wind brachte die wunderbarsten Klänge hervor! Ich habe sie aufgenommen und spiele oft auf dem Saxofon dazu. Das sind die Urtöne meines Schaffens.
Sie spielen oft in Kirchen. Sind Sie gläubig?
Das mache ich nur wegen der guten Akustik. Dieses Zimmer hier zum Beispiel hat fast keinen Nachklang. Hören Sie mal (schnalzt). Der Teppich tötet die Musik. Das ist übrigens auch das Problem mit dem Publikum. Die vielen Körper schlucken den Nachklang. So gesehen: Je weniger Leute kommen, desto besser (lacht).