Den Anfang hatte die Filmfee "Amélie" alias Audrey Tautou gemacht, die den süßen Schleier der Nostalgie über Montmartre und Sacré-Coeur in Paris legte. Millionen ausländischer Touristen folgten ihren Spuren in der Millionen-Metropole. Dann polierten die meisten jener 20 Filmregisseure von Rang, die je zehn Minuten zu dem Episodenwerk "Paris, je t'aime" beisteuerten, das Bild von der ebenso coolen wie schönen Kulturstadt an der Seine noch weiter auf. Es gibt aber auch ganz andere Stimmen. Die sehen in Paris die versteinerte Hauptstadt, eine Ansammlung prächtiger Museen, dekoriert mit dem Ambiente der Vergangenheit, aber für Künstler und Architekten ohne Zukunftsdynamik. Feiert Paris nur noch sich selbst, fragen sich viele.
Weit entfernt vom prunkvollen Paris
Jetzt im Sommer strömen wieder die Touristen in die französische Hauptstadt. Sie lichten die Straßenkünstler im Schatten des Eiffelturms ab, gehen zu Jazzfestivals oder anderen Festivitäten in die Parks und möchten vom 20. Juli an auch im aufgeschütteten Sand am Seine-Strand "Paris Plage" unter Palmen liegen. Aber all das ist weit entfernt von dem Paris, das prunkvolle Geschichte gemacht hat und Schauplatz von Revolutionen nicht zuletzt auch in der Kunst war, das Schriftsteller und Künstler magisch anzog, die neue Ufer suchten und die Welt verändern wollten.
"Los Angeles, New York, London, Berlin, das sind Städte in denen Kulturschaffende sich gern niederlassen", sagt der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn, der immerhin seit zwei Jahrzehnten in Paris lebt: "Paris dagegen will nur ein großes Dorf sein. Kunst entsteht jedoch nicht in einem Dorf und reibt sich auch nicht daran, selbst wenn es groß ist." Der Geograph Christophe Guilluy stimmt dem zu. Die wirtschaftliche Spezialisierung und die Schwindel erregenden Immobilienpreise hätten bestimmte Schichten schlichtweg aus der Seine-Stadt vertrieben: "Aber Vorsicht, in der glatten Stadtkulisse lässt es sich angenehm leben!" Zumal ganz neu mit dem Musée Branly für Stammeskunst und der wiedereröffneten Orangerie nun zwei weitere Kulturglanzlichter Louvre, Centre Pompidou und Orsay-Museum ergänzen.
Paris - Mon Cherie
Doch nicht alle teilen das negative Urteil, wonach sich in Paris nichts mehr bewegt, eine anregende soziale Mischung längst nicht mehr gegeben ist, die kleinen Händler den Handy-Verkäufern weichen müssen - die Stadt also schon eine historische Fassade ohne Substanz sei. Sicherlich bleibe Paris mit rund 40 Millionen Besuchern im Jahr die Touristenhauptstadt par excellence. "Es ist aber kein Museum, jedenfalls nicht mehr als Rom und Amsterdam und weniger als Venedig." So äußerte sich der Historiker Alain Faure im Magazin "Nouvel Observateur". Das museale Paris kritisierten vor allem die Architekten, die bauen wollten und dies nicht dürften, meinen andere. Bewegt sich also doch mehr als nur der Immobilienpreis?
Doch es lässt sich nicht verleugnen: Die Jungen und die nicht so Wohlhabenden haben Paris verlassen. Und deshalb bewegt sich architektonisch und künstlerisch etwas dort, wo in den Wochen der Jugendunruhen die Autos brannten und Molotowcocktails flogen - in den Randbezirken und Vororten. Zudem sind die Fragen der Zeit "dort auf die Hauswände geschrieben", anders als im ruhigen und beschaulichen Paris, meint der Künstler Hirschhorn.
Unbeschadet von der aktuellen Diskussion zieht die Stadt, die kein Krieg je in Schutt und Asche legte, mit seinen hochrangigen Museen, historischen Gemäuern und dem Flair der Cafés weiterhin Millionen an.