Skiurlaub in Südtirol Kanonenschnee am Gugelhupf

Von Brigitte Zander
Der Kronplatz im Südtiroler Pustertal steht für Schneegarantie, rot-blau-schwarzen Pistenmix und Familienfreundlichkeit. Die Hütten sind urig, der Aprés-Ski zünftig - nach Anbruch der Dunkelheit herrscht allerdings Ruhe im Tal.

Die Wirkung von "Malibu Orange", "Flying Hirsch" oder "Desperado" lässt sich am Spätnachmittag an der Talstation der Kabinenbahn "Kronplatz 2000" studieren. Wenn dort gegen 17 Uhr die letzten Spätheimkehrer einschwingen, schunkeln die ersten Bierbankbesatzungen vor der Disko "K1" zum Schlager "Du bist mein Sonnenschein, lass mich nie mehr allein, Michaeeeela". Der folgende "Anton aus Tirol" animiert die frisch-gestylten Skihasen, die an den Bistrotischen eine "bella Figura" machen, zu abrupten Hüftschwüngen. Als "DJ Chief&Tack", ein junger Typ mit brünettem Stoppelhaar, schließlich den Ohrwurm "YMCA" auflegt, stürmt eine Männerclique in Skischuhen das wacklige Tanzpodest und wirft die Beine.

Frühmorgens geht es an der Talstation in Reischach bei Bruneck deutlich nüchterner zu. Schlangen bretter-bewerter Wintersportler drängen zur Skipass-Schleuse. Italienische, deutsche, holländische, slowenische, schweizerische und russische Sprachfetzen klingen durcheinander. Wahrlich, ein Geheimtipp ist der Kronplatz längst nicht mehr. 2275 Meter hoch und rund wie ein Gugelhupf ruht der "Plan des Corones" weit hinten im Pustertal, rundherum gespickt mit einem 105-Kilometer-Pistennetz. 32 Bahnen, Gondeln und Sessel-Lifte könnten, wenn nötig, stündlich 64.000 Personen nach oben baggern. Darum schmoren die Urlauber zur höchsten Hochsaison in Warteschlangen.

Bahn frei für die Skizwerge

Droben auf dem baumlosen Gipfel steht ein filigraner Glockenturm, der einen 360-Grad-Panoramablick auf die majestätischen Zacken von Dolomiten und Alpenhauptkamm bietet. Die sahneglatte Bergkuppe, auch "Glatzkopf" genannt, ist ein ideales Schulareal für Anfängerkurse. Morgens purzeln Heerscharen von Skizwergen aus der Gondel. 180 Skilehrer stehen bereit, den Kids grätschbeinige Schneepflüge im Micky-Maus-Skikindergarten beizubringen oder fortgeschrittenen Carvern und Snowboardern den letzten Schwungschliff.

Weitere Informationen

Der Kronplatz liegt im Westen Südtirols zwischen den Zillertaler Alpen im Norden und den Dolomiten im Süden. Das Skigebiet ist dem Dolimiti-Superski angeschlossen. Wem der Kronplatz trotz seiner 105 Kilometer Pisten nicht genügt, wechselt über den Piz de Plates nach Pikolein, von dort weiter per Bus hinüber zur Sella. Taffe Flitzer schaffen die ausgeschilderte Skitour "Sella Ronda" rund um den imposanten Dolomitenklotz am Tag. Preise: Tagespass für den Kronplatz je nach Saison 33 bis 41 Euro, der Dolimiti-Superski-Tagespaß 36 bis 45 Euro. Alternativen für Nicht-Skifahrer: Schneeschuhgehen, Eislaufen, Rodeln, Baden. Langläufer finden 260 Kilometer Loipen im Rau- und Gsieser Tal, sowie eine Höheloipe am Würzjoch. Außerdem: Fackelwanderungen, Pferdeschlittenfahrten, Knödelmarathon. Zur Weihnachtszeit lohnt der Brunecker Christkindl-Markt. Veranstaltungen: 11. Dezember Fis-Europacuprennen in St. Vigil, 18. bis 20. Januar Snowfestival für Eisplastik-Künstler in St. Vigil, 19. bis 24. Januar Biathlon-Weltcup im Antholzer Tal, 6. und 7. Februar Hornschlitten-Europacup-Finale in Olang. Anreise: Brenner-Autobahn bis Ausfahrt Brixen. Per Bahn über München zur Franzensfeste, dort umsteigen Richtung Bruneck. Oder per Bus ab Innsbruck.

Vom "Glatzkopf" führen die Pisten - erst sanft, dann steiler - nach drei Seiten bergab. Je nach Sonnenstand und Kondition entscheidet man sich für die Richtung Reischach/Bruneck, Grassl oder St. Vigil mit Abzweigungen zum Furkelpass, Geiselsberg oder zur Talstation der brandneuen Marchner-Kabinenbahn mit beheizten Lederpolstern. Routinierte Ski-Fahrer brettern am Vormittag gern über die frisch gewalzten, schwarzen Renommierstrecken Hernegg und Sylvester. Beides steile, bissige Talabfahrten, fünf bis sieben Kilometern lang. Wem der Tag nicht reicht, kann neuerdings nachts unter Flutlicht an der neuen Kabinenbahn Cianross herumkurven. Seit der vergangenen Wintersaison gibt es am Kronplatz den größten Freerider-Funpark Südtirols.

Schneekanonen schießen seit Oktober

Die Touristikwerber garantieren weiße Pisten vom 28. November bis zum 18. April. Da Frau Holle für solche Planung zu unzuverlässig scheint, setzen die Wintersport-Manager auf Kunstschnee. 280 Schneekanonen beschießen bereits seit Mitte Oktober den Berg. Das sei nötig für eine gute Unterlage, erklärt der oberste Schneemacher Andrea Del Frari. Er lässt es auch kunstschneien, wenn richtige Flocken rieseln: "Erst die Mischung aus echtem und kompaktem Kunst-Schnee garantiert perfekt präparierte Pisten bis ins Tal."

Pistenpflege hat höchste Priorität. Abends schwärmen 30 Schneekatzenfahrer aus, um in konzertierter Aktion eingekratzte Löcher unter Schneemörtel zu begraben, aufgekurvte Buckel platt zu walzen, Eishänge aufzulockern und fehlenden Schnee nachzuschießen. 1,2 Millionen Tonnen Instant-Kanonen-Pulver produziert die weiße Industrie pro Winter. "Ohne Beschneiung und Dauerreparatur kein Kronplatz", sagt Del Frari. Das Wasser stammt aus drei eigens dafür angelegten Stauseen.

Die Frage ob Kunstschnee ein zu starker Eingriff in die Umwelt ist, wird auch am Kronplatz weggewischt: 14 Gemeinden leben rund um den Berg vom Skitourismus. Angefangen von der Metropole Bruneck über St. Vigil, wo die Alten noch Rätoromanisch sprechen, bis zum entfernten St. Martin in Thurn. 25.000 Betten aller Preisklassen warten auf Gäste. Das Nachtleben ist weniger üppig. Wer nicht nur stemmen und schwingen, sondern auch schlemmen und swingen will, findet ein paar Diskos und Pubs in Bruneck. Man trifft sich im "Cafe Mojito", und bummelt durch die historische Altstadt. Jenseits des Bergs, im beschaulichen St. Vigil, ist an vier Wochentagen im Hotel "Almhof Call" Disko. Das war's. "Nachts können wir mit St. Moritz oder Kitzbühl nicht konkurrieren", gibt Del Frari zu - tagsüber schon.

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