Aber der 29-jährige Niklas Hallbauer besitzt gar keinen Motorrad-Führerschein. Der Feuerstuhl, auf dem er durch Hamburg reitet, hat zwei Pedale und ist ein Fahrrad.
Doch Hallbauers Rad ist kein gewöhnlicher Drahtesel. Der Bühnentechniker fährt einen so genannten Chopper. "Das ist das coolste Rad, das man fahren kann", schwärmt Hallbauer und erklärt die Extras: Nicht nur den Namen hat das Fahrrad von den Easy-Rider-Motorrädern, auch viele Teile stammen daher. Hallbauers Bike hat zum Beispiel zwei verchromte Auspuffrohre am Hinterrad. Völlig nutzlos, aber "es sieht total cool aus". Ständig bastelt Hallbauer an dem Monster herum. "Ich will ein individuelles Rad, das meinen Vorstellungen entspricht", sagt er und erklärt damit, warum er bisher "schätzungsweise 1.500 Euro" in seinen Chopper investiert hat.
Das Aussehen ist für die Chopper-Fahrer das Wichtigste. "Was ist schon ein Mountainbike hiergegen", sagt Kathrin Bandel und zeigt auf ihr rosa-lackiertes Gefährt. "Wenn ich hiermit auf der Straße unterwegs bin, gucken alle", sagt die 32-Jährige, die ihr Rad mit einer selbst gebauten Tank-Imitation aufgemotzt hat. "Sogar Harley-Davidson-Fahrer grüßen mich unterwegs", sagt die gelernte Erzieherin, "und die grüßen sonst noch nicht mal Fahrer mit japanischen Motorrädern". Auch bei Harley-Davidson-Treffen war Bandel schon mit ihren Freunden und hat dort Aufsehen erregt.
Wie die Motorradlegende stammt auch der Fahrrad-Trend aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Allerdings sausen auch in Deutschland immer öfter Pedalritter durch die Straßen, deren Gefährt etwas anders ist. Schon länger sind so genannte Cruiser zu sehen. "Ein Cruiser ist ein Fahrrad, das den Motorrädern der 30er nachempfunden ist", erklärt Lars-Oliver Richter vom Hamburger Fahrradladen "Juniors Club", der die Szene mit den neuesten Rädern versorgt.
"Es gibt keine bequemeren Fahrräder"
Ab 300 Euro können Einsteiger hier einen Cruiser kaufen, einen Chopper gibt es ab knapp 500 Euro, "Aufmerksamkeit an der Ampel garantiert". Das Interesse der Leute an den ungewöhnlichen Fahrrädern ist so groß, dass es die Besitzer manchmal nervt. "Ich suche mir mittlerweile wenig befahrene Schleichwege, damit mich die Leute nicht ständig nach meinem Rad fragen", sagt Daniel Braun. Der 30-Jährige fährt einen Chopper der amerikanischen Marke "3G". "Das ist ein nachgeholter Kindheitstraum", sagt der Webdesigner, der jeden Tag mit dem Gerät sieben Kilometer zur Arbeit fährt.
Denn auch wenn das Aussehen extrem wichtig ist, Chopper und Cruiser sind alles andere als Garagenfahrzeuge. Die Fans schwören auf die Fahreigenschaften ihrer durchgestylten Räder. "Es gibt keine bequemeren Fahrräder", zeigt sich Richter überzeugt. Man sitze aufrecht, habe einen weichen Sattel und einen bequemen Lenker. Durch die mindestens handbreiten Reifen und die eingebaute Federung habe man zudem eine sehr gute Dämpfung. "Natürlich sind das keine Sporträder", gibt Richter zu. Aber das sei auch nicht Sinn der Sache. "Wir fahren am Wochenende mit unseren Freunden ganz lässig an der Elbe entlang", erklärt er.
Der Ausritt mit Freunden gehört zum Chopperfahren dazu. "Das Superfeeling ist, wenn man mit einem Dutzend Kumpels am Wochenende eine Tour macht", schwärmt Kathrin Bandel von dem Gefühl, in der Gruppe unterwegs zu sein. Wer am Wochenende in dem Korso mitfährt, hat das normale Radfahren hinter sich gelassen. So wie der 36-jährige Chopperfan, den alle nur "Locke" nennen. "Wir fahren kein Fahrrad, sondern ,cruisen’", wie er das gemütliche Radeln mit Freunden beschreibt. Dass das Fahren mit den coolen Bikes etwas ganz Besonderes ist, bestätigt auch "Juniors Club"-Besitzer und Chopper-Fan Lars-Oliver Richter: "Wir verkaufen hier eben nicht irgendeine Ware, sondern ein Stück Lebensgefühl."
Ernst Mettlach, AP