Eine Mehrheit der Hamburger Bürgerinnen und Bürger hat sich am Sonntag für mehr Einsatz beim Klimaschutz entschieden. 53 Prozent stimmten für den sogenannten Hamburger Zukunftsentscheid. Demnach muss die Hansestadt schon bis 2040 klimaneutral werden und nicht nur erst fünf Jahre später, wie bislang vom Senat beschlossen.
Gut so!
Die Entscheidung der Hamburger spiegelt die Sorgen vieler Norddeutscher wider, wie eine im September veröffentlichte Umfrage des NDR ergeben hat. Demnach schätzen 86 Prozent der Befragten den Klimawandel als sehr ernst oder eher ernst ein. Doch die Politik nehme die Klimaanpassung immer noch nicht ernst genug, klagt die Mehrheit der vom NDR befragten Bürger: 71 Prozent sind der Meinung, dass dem Thema von der Politik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde.
Auch auf Bundesebene steht eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (54 Prozent) nach wie vor hinter mehr Umwelt- und Klimaschutz, wie eine Studie des Umweltbundesamts zeigt.
Doch die aktuelle Bundesregierung tritt beim Thema Klimaschutz voll auf die Bremse. Nicht zuletzt die ständigen verbalen Attacken auf das Heizungsgesetz haben der Energiewende und damit letztendlich der Ampelkoalition den Garaus gemacht. Und: Die Industrie solle nun endlich die ihr zuvor angelegten energiepolitischen Bremsklötze loswerden und so aus der Rezession herauskommen.
Allen voran die traditionelle Energieindustrie jubiliert angesichts der Stoppschilder für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche plädiert für den Bau von Dutzenden neuer Gaskraftwerke. Ein Turbo für ihre ehemaligen Weggefährten aus der fossilen Energiebranche.
Klimaschutz: Die Welt läuft auf drei Grad Erwärmung zu
Klimaexperten sehen das mit Grausen. Denn nur zwei Wochen ist es her, dass sie auf dem Extremwetterkongress in Hamburg ein Schreckensszenario beschrieben: Der Klimawandel wartet nicht darauf, dass wir uns zu strengeren Schutzmaßnahmen durchringen. Anstatt auf 1,5 Grad Erwärmung, wie in Paris beschlossen, steuern wir mit Vollgas auf eine Erwärmung von drei Grad bis 2050 zu.
Doch Hamburg hat bislang vor allem erst mal in die Klimaanpassung investiert: Die Deichanlagen rund um den Hafen sind zuletzt noch einmal um 80 Zentimeter erhöht worden, wohl wissend, dass jeder Zentimeter Meeresspiegelanstieg die Gefahr schwerer Sturmfluten deutlich erhöht. Beim Klimaschutz, insbesondere im Bereich der energetischen Gebäudesanierung und beim Verkehr, blieb die Hansestadt dagegen, wie das gesamte Land, weit hinter den Möglichkeiten zurück.
Nun also muss Hamburg mehr Tempo machen, Öl- und Gasheizungen müssen für das Erreichen der neuen Vorgaben des Bürgerentscheids laut einem Gutachten des Hamburg Instituts und des Ökoinstituts bis 2040 vollständig ersetzt werden. Damit diese und weitere Maßnahmen in Gebäuden nicht zulasten der Mieter gehen, sollen die Umbaukosten nicht voll auf sie umgelegt werden können, so die Initiatoren.
Das ist wichtig, denn wenn schon die Bundesregierung die versprochenen Entlastungen bei der höheren CO₂-Bepreisung nicht umsetzt und damit die Bürger gegen mehr Klimaschutz aufbringt, muss Hamburg jetzt zeigen, dass es anders geht.
Reflexartig verkündet die Hamburger Wirtschaft, dass mehr Klimaschutz sie in den Ruin stürze, denn auch sie muss künftig ihren Energiebedarf nachhaltig decken. Gleichzeitig ist Hamburg die deutsche Stadt mit den meisten Millionären. Würden diese über eine höhere Einkommens-, Erbschafts- oder Reichensteuer am Klimaschutz beteiligt, könnte es die Hansestadt wohl spielend schaffen, die neuen Ziele umzusetzen, ohne die Wirtschaft zu überlasten.
Einen Spurwechsel braucht es nun auch in der Verkehrspolitik. Um die strengeren Vorgaben künftig einzuhalten, müssten weite Bereiche der Hansestadt in Tempo-30-Zonen umgewandelt werden. Andere Metropolen haben längst vorgemacht, dass nicht die Welt untergeht, wenn Autos aus der City verbannt werden. Im Gegenteil: Viele Pariser und ihre Gäste genießen die neue Ruhe in der einst von Autos dominierten Innenstadt. Davon profitiert nicht nur das Klima, sondern auch die Gesundheit der Bewohner – durch weniger Feinstaub und Abgase.
Hamburg sei bei der Umsetzung des Bürgerwillens auch auf den Bund angewiesen, sagen die Verantwortlichen. Doch Bürgermeister Peter Tschentscher und seine Kolleginnen und Kollegen wollen sich den Herausforderungen stellen, die ihnen der Zukunftsentscheid ins Fahrtenbuch geschrieben hat.
Das ist gut so: Die Hansestadt kann so zum Beispiel werden, wie sich Klimaschutz und erfolgreiche Wirtschaft vereinen lassen. Trotz aller immer wieder beteuerten Gegenargumente.