Exklusive Umfrage Die Deutschen würden alles fürs Klima tun. Nur kosten darf es nichts

Von E-Autos halten die Deutschen laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov wenig
Von E-Autos halten die Deutschen laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov wenig
© Julian Stratenschulte / DPA
Deutschland reist mit einer durchwachsenen Klimabilanz zum Klimagipfel in Brasilien. Das ist wenig verwunderlich. Die Motivation, im Land etwas zu ändern, hält sich in Grenzen.

Deutschlands Verhältnis zum Klimawandel bleibt ambivalent. Bis 2045 will die Bundesrepublik klimaneutral sein, schneller als viele andere Staaten der Welt. Seine Zwischenziele bis 2030 wird das Land voraussichtlich erreichen, doch die Etappen danach sind mindestens ungewiss.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov unter 2400 Erwachsenen in Deutschland, die dem stern vorab exklusiv vorlag, zeigt, dass die meisten Bürger die globale Erwärmung als Bedrohung wahrnehmen. Viele sind demnach optimistisch, dass sich die schlimmsten Folgen noch verhindern lassen. Aber die Motivation, den Lebensstil für den Klimaschutz zu verändern, ist gering.

Sorgen mit einer Prise Optimismus

Laut Umfrage sind sich die Deutschen überwiegend einig, dass der Klimawandel ein Problem ist. Knapp 70 Prozent der Befragten glauben, dass er durch menschliche Aktivitäten verursacht wird. Jeder Fünfte sieht das nicht so, der Rest ist unentschlossen. Die Mehrheit der Bürger ist zudem wegen der globalen Erwärmung besorgt. Zum Zeitpunkt der Befragung, kurz vor der Klimakonferenz im brasilianischen Belém, ist der Anteil der Besorgten allerdings so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahren.

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Die Gründe dürften so vielfältig sein wie die Ereignisse, die sich zuletzt überschlugen: Kriege in Europa und Nahost, Spannungen zwischen dem Westen und östlichen Machthabern wie Wladimir Putin oder Xi Jinping, Inflation und die steigenden Energiepreise drängen die Klimakrise an den Rand des kollektiven Gedächtnisses.

In dieser negativen Gemengelage scheint das Klima der als am wenigsten dramatisch wahrgenommene Faktor zu sein. Fast die Hälfte der Befragten glaubt, dass sich die ärgsten Klimafolgen mit strengen Maßnahmen abwenden ließen. 16 Prozent sind sogar der Ansicht, dass der Status quo dafür ausreichen würde.

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Das ist überraschend, weil die aktuelle Lage, sowohl in Deutschland als auch weltweit, wenig Grund für Optimismus bietet: In der Bundesrepublik gehören der Verkehr und die Gebäude zu den größten Emittenten. Schon die progressive Ampel-Regierung schaffte es nicht, die CO2-Emissionen in diesen beiden Sektoren zu senken. Zudem gilt das Interesse der schwarz-roten Merz-Regierung eher Verbrennern und neuen Gaskraftwerken als sauberen Alternativen.

Mehrere Untersuchungen aus dem September und Oktober kamen außerdem zu dem Ergebnis, dass das Klimaziel demnächst gerissen werden wird. Je nach Prognose könnte sich der Planet bis Ende oder sogar zur Mitte des Jahrhunderts um bis zu drei Grad erwärmen. Klimawissenschaftler warnen längst, das Abkommen von Paris sei längst obsolet.

Ihr Lebensstil ist den Deutschen heilig

Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass das Klimawissen in Deutschland besonders hoch sei. Mit mangelnder Bildung lässt sich der Optimismus also kaum erklären. Die Gründe liegen eher bei der Bequemlichkeit – und der Weigerung, Lebensstil und Komfort für den Klimaschutz einzuschränken. Darauf deuten die Antworten in der Yougov-Umfrage hin.

Die Meinungsforscher wollten wissen, welche Klimaschutzmaßnahmen die Bürger von sich aus umsetzen würden. Bei den Themen Fleischkonsum, Auto fahren, Flüge und Mode hört für die meisten der Spaß auf. Verzichten – zum Beispiel bei der Ernährung – will kaum jemand. Genauso ungern würden die Deutschen Klimagebühren für Flüge zahlen oder der Nachhaltigkeit zuliebe nur noch Vintage-Kleidung kaufen. Und auf das Auto will auch niemand verzichten. Das ist am Autostandort Deutschland ein Garant für Arbeitsplätze und gehört damit zur Grundausstattung.

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Ernüchternd ist auch das Ergebnis, welche klimaschädlichen Gewohnheiten die Bürger von sich aus verändert haben. Überwiegend handelt es sich dabei um Maßnahmen, die leicht umzusetzen sind und die Klimabilanz kaum aufwerten. Für politische Entscheidungsträger könnte das bedeuten: Die Menschen lassen sich offenbar dann motivieren, wenn die Hürden und Kosten möglichst niedrig und die Maßnahmen bequem sind.

Klimaschutz ist eine politische Pflicht

Doch selbst staatlich auferlegte Maßnahmen würden die Bürger nicht vollständig mittragen. Auch hier wird deutlich, welche Themen den Deutschen offenbar heilig sind: ihre Verbrenner, ihr Fleischkonsum und Fernreisen. Am beliebtesten sind laut Umfrage Instrumente, von denen die Bürger profitieren oder die sie mindestens entlasten würden, beispielsweise Subventionen für energieeffizientes Wohnen oder die Stärkung heimischer Produktion.

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Insgesamt finden mehr als zwei Drittel der Befragten, dass die Welt beim Klimaschutz zusammenarbeiten müsse. Knapp jeder Fünfte meint dagegen, dass vor allem reiche Staaten die Verantwortung übernehmen sollten. So sehen das auch die ärmeren und besonders betroffenen Länder des Globalen Südens. Über die Frage, wer für Schäden und Folgen finanziell aufkommt, hatten die Delegierten bereits im vergangenen Jahr auf dem internationalen Klimagipfel in Aserbaidschan gestritten und sich am Ende auch ein Budget geeinigt, das aus Sicht vieler Staaten nicht ausreicht. Zudem ist unklar, wie die nötigen Milliarden finanziert werden sollen. Die Frage dürfte auch die Delegationen bei der COP30 in Brasilien beschäftigen und das nicht nur, weil das Ergebnis aus dem vergangenen Jahr als ausbaufähig gilt.

Während die grüne Wende in den westlichen Industriestaaten gerade losgeht, startet in asiatischen Schwellenländern gerade erste die Karbonisierung. Emissionen steigen dort, weil die Länder gerade ihrem Wohlstand entgegenstreben. Damit werden sie auch zu Klimasündern. Delegationen aus Ländern wie Deutschland hatten deshalb schon vor der letzten COP klargestellt, dass sie alleine nicht für sämtliche Kosten und Folgen aufkommen wollen und können. Das wäre auch im Sinne der deutschen Bürger.

Die Daten wurden vom Meinungsforschungsinstitut YouGov zwischen dem 10. und 27. Oktober 2025 in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Dänemark erhoben und lagen dem stern vorab exklusiv vor. Datenbasis für Deutschland: 2405 Befragte. Damit ist die Umfrage repräsentativ. Die Personen wurden zur ihrer Einstellung gegenüber dem Klimawandel, politischen Klimaschutzinstrumenten und ihren eigenen Klimaambitionen befragt.