Ökobilanz der COP30 Wie klimaschädlich ist die Klimakonferenz?

Während des Klimagipfels demonstrieren Aktivisten und Indigene in der Guajara-Bucht bei Belém
Während des Klimagipfels demonstrieren Aktivisten und Indigene in der Guajara-Bucht bei Belém
© Andre Penner / DPA
Jährlich jetten Zehntausende um die Welt, um am UN-Klimagipfel teilzunehmen. Ist das nötig? Oder ist der CO2-Fußabdruck am Ende größer als der Nutzen der COP? Ein Faktencheck.

Mehr als 50.000 Menschen tummeln sich dieses Jahr bei dem internationalen UN-Klimagipfel (COP30) in der brasilianischen Großstadt Belém. Das sind deutlich weniger als bei dem Rekordevent vor zwei Jahren in Dubai. Damals waren fast 84.000 Teilnehmer dabei. Abgesehen von einigen Aktivisten und indigenen Gruppen dürften auch jetzt die meisten Anwesenden mit dem Flieger angereist sein. Manche bleiben bis zum Ende, für andere ist die Veranstaltung ein Tagesausflug. Zum Beispiel für Kanzler Friedrich Merz.

Dass Klimaaktivisten, -journalisten, Staatschefs und Delegierte zu Tausenden mit dem klimaschädlichsten aller Transportmöglichkeiten zu einer Veranstaltung reisen, die die Klimakrise beenden soll, ist sicherlich fragwürdig.

Kritiker unterstellen den Klimakonferenzen deshalb, dass sie dem Klima wegen ihrer Ökobilanz mehr schaden, als nutzen. Haben sie recht? Ein Blick auf die Zahlen.

Mehr Teilnehmer lösen die Klimakrise nicht

Seit dem Durchbruch bei dem Gipfeltreffen 2015 in Paris ist die Zahl der COP-Teilnehmer stetig gestiegen. Eigentlich ist das ein positives Signal, weil es zeigt, dass Politiker die globale Krise ernst nehmen. Unschöner Nebeneffekt sind die jährlich steigenden Emissionen, wie aus den Nachhaltigkeitsberichten der Gastgeberstaaten hervorgeht.

Die mit Abstand größte Klimasünde an der Veranstaltung ist der Reiseverkehr. Bei der COP29 in Aserbaidschan beispielsweise lag der Emissionsanteil durch den Flugverkehr bei knapp 80 Prozent. Drei Jahre zuvor in Glasgow war er noch höher. Bezogen auf die Summe der Emissionen, die durch den globalen Flugverkehr jedes Jahr entstehen, tragen die Reisen zu den Klimagipfeln allerdings weit weniger als ein Prozent bei.

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Der nächstgrößte Posten der COP-Emissionen bildet die Logistik vor Ort. Verglichen mit den Flugreisen ist der Anteil aber schon fast zu vernachlässigen. Durchschnittlich hat jeder Delegierte auf einer Klimakonferenz einen CO2-Fußabdruck von 2,08 Tonnen CO2-Äquivalenten, geht aus den Nachhaltigkeitsberichten hervor. Hochgerechnet auf das Gipfeltreffen in Brasilien mit ungefähr 50.000 Teilnehmern wären das in etwa 104.000 Tonnen CO2-Äquivalente innerhalb von zwei Wochen. So viele Emissionen verursacht das Universitätsklinikum Freiburg ungefähr in einem Jahr.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Dass Gastgeber wie Brasilien für das Veranstaltungsgelände Teile schützenswerter Natur zerstören, um beispielsweise eine Autobahn zum Konferenzgelände zu bauen, schlägt zusätzlich negativ zu Buche. Dazu kommen die Luxusdampfer, die aus Mangel an Unterkünften für die COP-Teilnehmer extra aus Europa nach Lateinamerika gefahren wurden.

Doch nicht nur wegen der Emissionen belasten viele COP-Teilnehmer das Klima. Eine aktuelle Studie zeigt: Je mehr Menschen beteiligt sind, desto komplizierter die Verhandlungen. Dann wird nämlich nicht nur um Tagungsräume und Zeitslots für Debatten konkurriert, Entscheidungen werden verzögert, aufgeweicht, aufgeschoben. Klimaforscher, Politiker und Kritiker der COPs plädieren längst für kleinere Formate abseits der Megatreffen, um sich schneller auf Kompromisse einigen zu können. Denkbar wären auch Online-Konferenzen. Die hätten zumindest den Vorteil, dass die klimaschädlichen Flugreisen entfallen.

Die klimafreundlichste Lösung wären digitale Treffen vermutlich trotzdem nicht, weil sie viel Strom verbrauchen und die dafür benötigten Rechenzentren meist noch mit schmutzigen Kohlekraftwerken betrieben werden. Berechnungen des IT-Experten und Buchautors Gerry McGovern zufolge verursachen allein zwei Personen, die an 250 Arbeitstagen im Jahr ein einstündiges Onlinemeeting abhalten, in etwa so viele CO2-Emissionen wie ein Diesel-Golf auf einer Strecke von 500 Kilometern.

Ein Forscherteam aus Schottland konnte kürzlich nachweisen, dass allein die Werbeauftritte der Klimakonferenz überdurchschnittlich viele Emissionen freisetzen. Seit der ersten Konferenz 1995 bis zur COP29 in Baku (2024) stiegen die durchschnittlichen Emissionen der Internetseiten um mehr als 13.000 Prozent, zeigt die Analyse.

Alles hat seinen Preis – auch die Klimagipfel

In Zeiten der Klimakrise ist jede Tonne Kohlendioxid eine zu viel, sagen Klimawissenschaftler. Doch verglichen mit den globalen Gesamtemissionen – schätzungsweise 38,1 Milliarden Tonnen im Jahr 2025 – fallen die ausgestoßenen Treibhausgase bei der Weltklimakonferenz kaum ins Gewicht. Wichtiger ist, dass führende Emittenten wie China und die USA, die zusammen für 40 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, ihren Ausstoß massiv senken. Die Frage, ob man nicht klimafreundlicher zur COP reisen oder die Veranstaltung insgesamt klimafreundlicher gestalten könnte, ist dennoch berechtigt.

Vor dem Hintergrund weiter steigender Emissionen, befeuert durch die Nutzung fossiler Rohstoffe, und einer voraussichtlichen globalen Erwärmung um knapp drei Grad, ist die internationale Klimapolitik längst nicht dort, wo sie sein könnte. Aber ohne das Pariser Klimaabkommen wären die globalen Emissionen vermutlich deutlich stärker gestiegen. Ohne die Klimagipfel hätte sich die Weltgemeinschaft vermutlich nicht vor zwei Jahren zum Ausstieg aus den fossilen Energien bekannt. Und ohne dieses Bekenntnis wären Solar-, Windkraft und elektrische Antriebe bis heute wohl kein so wichtiger Businesscase – vor allem nicht in autoritären Staaten wie China.

Kritiker monieren zwar, dass die Schritte Richtung Klimaneutralität nur schleppend umgesetzt werden. Aber hätten sich die Teilnehmer auf den Klimakonferenzen nicht dafür eingesetzt, dann hätte es vermutlich niemand getan. Oder wie es der ehemalige US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, einst formulierte: "Wenn es die COP nicht gäbe, müsste man sie erfinden."

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