Natürlich hat er auch ein Paar E-Mails bekommen, nicht böse, manchmal scherzend, aber doch entschieden in der Sache. "Lieber Herr Mack", schrieb ein Anleger, "es ist ja schön und gut, dass Sie den Mut haben, an der Seitenlinie zu stehen. Nun wäre es aber besser, wenn Sie wieder aufs Spielfeld gehen." Und Martin Mack schrieb zurück und erklärte ihm, dass es ein Luxus sei, nicht überall mitzumachen und hinterherzulaufen. Erst zu investieren, wenn man es für richtig hält. Nicht immer auf dieses Geschrei da draußen zu hören.
Es ist ein Tag im November, draußen der ewige Hamburger Sprühregen und ein Dax, der gerade wieder auf die 6000 zurobbt. Drinnen ein hoher Raum mit Stuck und weißen Flügeltüren, ein langer brauner Tisch und viel Skepsis. An diesem Tisch sitzt Martin Mack, ohne seinen Partner Herwig Weise, der gerade durchs Ausland tourt.
Mack und Weise gehören zu einer kleinen, aber selbstbewussten und vor allem bunten Gruppe auf den Finanzmärkten: der Gemeinde der Ungläubigen. Investoren, Vermögensverwalter und Ökonomen, die nicht darauf vertrauen, dass die Krise vorbei ist. Die nicht fassen können, was sich derzeit auf den Märkten abspielt, diese Rally, dieser Übermut, dieses Als-wäre-nichts-gewesen. Die Gier löscht das Gedächtnis. Die Ungläubigen wollen nicht vergessen, was 2008 passiert ist. Und längst nicht vorbei ist.
Banken mit "staatlich garantierter Spiellizenz"
Vor knapp einem Jahr haben Mack und Weise Schlagzeilen gemacht, weil ihr Fonds M&W Capital im Untergangsjahr knapp vier Prozent im Plus lag, während fast alle hilf- und gnadenlos abschmierten. Auch in den Jahren davor waren sie erfolgreich, der Fonds wuchs seit Auflegung 2001 durch zwei Krisen um knapp 46 Prozent. Nun, in diesem komischen Börsenjahr 2009, während Dax und Dow Jones nach vorn stürmen, hat der M&W Capital nur ein mageres Prozent zugelegt, und deshalb kann man ein Gespräch mit Martin Mack heute so beginnen: "Sie sprechen vom 'Mut, an der Seitenlinie zu stehen'. Wir hätten da eine andere Metapher: Sie haben einen Zug verpasst." "Das lasse ich durchaus gelten", sagt Mack dann ruhig. "Ich habe noch ein anderes Bild: In einem Kettenkarussell ohne TÜV können Sie ein paar Runden verdammt viel Spaß haben. Wenn die Ketten reißen, wären Sie froh, nie mitgefahren zu sein. Wir denken langfristig, deshalb ärgern wir uns nicht und müssen nichts aufholen."
Man kann das Gespräch aber auch so beginnen: "Herr Mack, was passiert da auf den Märkten? Ist das Leichtsinn oder Irrsinn?" Und dann sagt er, nicht mehr so ruhig, dass es ein Spiel ist, ein zynisches, riskantes Spiel. Er redet über verzerrte Wahrnehmungen und "kreative Statistiken", die alle Probleme zukleistern, über Banken, die mit einer "staatlich garantierten Spiellizenz" agieren. "Die Strategie der Täuschung wird auf Dauer nicht gut gehen. Irgendwann fallen die Masken."
Notenbanker als Dealer
Es ist keine geschlossene Truppe, die Gemeinde der Ungläubigen hat oft nicht mehr gemein als ihre Skepsis. Es sind kleine und große Namen. Legenden und Freaks, Seriöse und Schrullige und die Dr. Dooms, die einst eine hartnäckige, aber kluge Prognose in den Rang der Propheten hob.
Dirk Müller etwa, der seinen Ruhm zunächst damit erwarb, zufällig vor der Dax-Tafel zu sitzen und die passende Grimasse zum Tagesverlauf zu ziehen. Gerade erst warnte er wieder: "Der Blitz hat noch nicht heftig genug in die Schüssel geschlagen."
Und Mark Faber natürlich, der Schweizer Ökonom und Verfasser des "Gloom Boom & Doom Report", der die Wir-drucken-euch Geld-Notenbanker schon mal als Rauschgifthändler bezeichnet, "die der Welt Drogen geben, um sie ruhig zu stellen", und schwere Zeiten voraussagt: "Ihre Kinder werden einen niedrigeren Lebensstandard haben als Sie." Oder auch Jim Rogers: "Finger weg von Aktien! Die Börsen werden wieder einbrechen", mahnt der Rohstoffguru. Überhaupt, die Rohstoffe.
An einem trüben Novembertag in München schieben sich Hunderte von Menschen in die Event-Arena im Olympiapark. Fast nur Männer sind es. Banker, jung und smart mit obligatorischer Gelfrisur, laufen hier neben alten Männern mit muffiger Kleidung, die für eingesammelte Prospekte einen Trolley hinter sich herziehen. Was bitte schön bringt sie zusammen?
Derivate sind Hirngespinste
Es ist die "Edelmetall- & Rohstoffmesse", das Treffen einer Branche, die im Grunde an nichts glaubt, was man nicht anfassen kann. Derivate sind für sie Hirngespinste in Excel-Tabellen und die Abkehr vom Goldstandard die Ursünde.
Und so tuscheln und tratschen hier südamerikanische Goldminenbetreiber, Barrenverkäufer, Börsenbriefschreiber, Live-Münz-Präger und dubiose "Finanzdienstleister", die Edelmetallrenten vertreiben.
Die Titel der Vorträge lauten: "Goldinvestments, Staatsbankrott und Währungsreform", "Wie kann man sich vor einem Mega-Crash schützen?" oder "Die kommende Hyperinflation aus Sicht der Börsenastrologie". Staatsbankrott, Megacrash, Hyperinflation - so geht das zwei Tage lang, immer Anfang November, inzwischen schon zum fünften Mal. Die Edelmetallmesse, organisiert vom Betreiber der Internetseiten Goldseiten.de, ist so etwas wie die deutsche Leitmesse unter den Börsenskeptikern in Deutschland und zieht inzwischen mehr als 5000 Besucher an.
Hier wird nicht diskutiert, ob, sondern wann das Weltfinanzsystem in die Luft fliegt. Und wie man sich dagegen rüstet. Klar: mit Gold oder Silber. Wie sich das anfühlt, kann man in einer Glasvitrine im ersten Stock schon mal testen: Da glänzt ein 12,5 Kilogramm schwerer Barren, den Besucher durch zwei kleine Handöffnungen anheben können. Man kann Gold aber auch gleich kaufen, in Barren und Münzen und jeder Größe, aber vor allem: anonym. Nichts ist einem Goldfreund wichtiger als der anonyme Erwerb. Denn, so die These, wenn es einmal wirklich kracht, wird der private Goldbesitz von Staats wegen verboten und Bestände konfisziert.
Untergang des Weltfinanzsystems so gut wie sicher
Hier wird nicht diskutiert, ob, sondern wann das Weltfinanzsystem in die Luft fliegt. Und wie man sich dagegen rüstet. Klar: mit Gold oder Silber. Wie sich das anfühlt, kann man in einer Glasvitrine im ersten Stock schon mal testen: Da glänzt ein 12,5 Kilogramm schwerer Barren, den Besucher durch zwei kleine Handöffnungen anheben können. Man kann Gold aber auch gleich kaufen, in Barren und Münzen und jeder Größe, aber vor allem: anonym. Nichts ist einem Goldfreund wichtiger als der anonyme Erwerb. Denn, so die These, wenn es einmal wirklich kracht, wird der private Goldbesitz von Staats wegen verboten und Bestände konfisziert.
Hamsterkäufe von Konserven und Brennholz
Sind die Referenten am Ende ihrer Vorträge, werden Prominente wie Eugen Weinberg von der Commerzbank, Markus Mezger von Tiberius Asset Management oder Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank bestürmt mit Fragen, die oft nur stichwortartig in den Raum gerufen werden. "Zucker bitte!" - "Weizen, Herr Mezger, Weizen!" - "Was ist im Agrarrohstoffmarkt los?" - "Bitte noch Gold, Herr Weinberg, Gold, und wenn die Zeit noch reicht: Palladium!".
Kultstatus unter Eingeweihten hat auch Thorsten Schulte, ein ehemaliger Angestellter von Deutscher Bank und DZ Bank, der einst in einem Anflug von Panik per Rundmail zu Hamsterkäufen von Konserven und Brennholz aufrief. Heute liefert er unter Silberjunge.de im "Premium-Plus-Paket Jahresabonnement zu 249,00 Euro streng vertrauliche Informationen zum Silber- und Finanzmarkt".
Also nur Freaks? Vieles, was seit Jahren postuliert wird, ist inzwischen eingetroffen: Bankenpleiten, drohende Staatsbankrotte, Geld druckende Notenbanken. "Die Besucher dieser Messen waren in den vergangenen Jahren näher an der Wahrheit als die meisten Analysten und Medien, wie sich am Goldpreis ablesen lässt", sagt Folker Hellmeyer. Und so ist die Rohstoffgemeinde voller Selbstbewusstsein. "Viele rennen seit 20 Jahren mit Kurszielen von 50.000 $ je Unze durch die Gegend und haben jetzt Oberwasser, weil Gold nun mal seit acht Jahren steigt", sagt Markus Mezger.
Angst vor der Blase nach der Blase
Nein, es geht den Skeptikern nicht um Miesmacherei oder Verschwörungen. "Ein Pessimist lässt sich von Gefühlen leiten", sagt Martin Mack, der 1989 mit seinem Partner die Hamburger Vermögensverwaltung gründete. "Ein Realist schaut auf die Fakten." Und das tut er: "Von 2000 bis 2007 wendeten die USA 6,50 Dollar an Verschuldung für 1 Dollar Wachstum auf. Heute sind es bereits 18,50 Dollar. Das ist doch eine Scheinwelt."
Selektive Wahrnehmung könnte man das auch nennen oder mehr noch: "Was nicht mehr thematisiert wird, existiert nicht." Beispiel Osteuropa: Vor einem Jahr gab es diese ganzen Horrorberichte über Ungarn oder die baltischen Staaten. "Heute redet niemand mehr über die Probleme dort", sagt Mack, "obwohl Länder wie Lettland inzwischen George Soros um Hilfe rufen." Beispiel Inflationsraten: "Die werden so lange bereinigt, bis irgendwann nur noch der Wüstensand aus Dubai drin ist."
Es ist die Angst vor der Blase nach der Blase, die sogar die Weltbank umtreibt. Rund um den Globus haben Notenbanken Milliarden in die Märkte gepumpt, die EZB will die Banken sogar im Dezember erneut ein Jahr lang mit frischem Geld versorgen. Und immer wieder versprechen sie, die Liquidität beizeiten wieder zu entziehen. Bloß wann und wie? "Es wird sehr schwierig sein, diese Gelder wieder aus dem Markt zu ziehen und Inflation zu vermeiden", prognostiziert David Swensen, der das Stiftungsvermögen der Yale-Universität managt. Sogar Klaus Kaldemorgen, Leiter der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS und zum Börsenoptimismus eher verurteilt, sagt: "Alle Katastrophen wurden bisher geheilt mit expansiver Geldpolitik, aber das ist eine Droge. Entzug nicht möglich." Und er räumt ein: "Man muss in Kauf nehmen, dass wir in eine neue Blase steuern."
Bloß nicht verrückt machen lassen
Nimmermüde zählen die Ungläubigen deshalb die Polder im sicheren Hafen auf: Sachwerte! Edelmetalle, Immobilien, Ackerboden und ja, auch Aktien, sofern sie nicht astronomisch bewertet sind. Ist die Katastrophe unausweichlich? "Die Lage ist so riskant, dass es in den kommenden Jahren nur darauf ankommt, einigermaßen heil mit seinem Vermögen durchzukommen", glaubt Martin Mack. Deshalb hält sein Fonds derzeit vor allem kurz laufende Bundesanleihen, kaum Aktien, und die sind von Gold- und Silberminen. Und ein paar Short-Positionen auf den Dax.
Bloß nicht verrückt machen lassen, sagt Mack sich immer. 50 Punkte rauf, 50 Punkte runter. Am Ende der Woche steht eine Null. Das bringt doch oft nichts. Lieber abwarten, bis es noch mal kracht.
Und dann zitiert Martin Mack Ludwig von Mises, den großen Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie: "Der sagte, es gebe keine Möglichkeit, den Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt wurde. Entweder beendet man das Ganze freiwillig, oder es endet in der Katastrophe für das betreffende Währungssystem." Bisher haben sich kaum Freiwillige gemeldet.