Aufgeflogen ist das Ganze eher durch einen Zufall. Im Rahmen einer Recherche zur Postbank bekam Ariane Lauenburg, Redakteurin bei der Zeitschrift "Finanztest", vor einigen Tagen einen Anruf. Ein freier Mitarbeiter der Bank erklärte ihr, er habe sämtliche Kontoinformationen über sie. Denn auch Ariane Lauenburg ist Postbank-Kundin. Sie sagt: "Ich hab das zunächst nicht für möglich gehalten und war schließlich ziemlich überrascht, als er mir vorlas, wie viel Miete ich zahle, wann wieviel Gehalt auf mein Konto kommt und wann ich wo mit meiner Karte bezahle."
Ariane Lauenburg machte sich auf die Suche, wurde fündig und herausgekommen sind schwere Verwürfe gegen die Datenschutzbestimmungen. Nach den Recherchen des Verbrauchermagazins soll die Postbank ihren rund 4000 freien Handelsvertretern Zugriff auf die vertraulichen Kunden-Kontodaten genehmigt haben. Den Selbstständigen, die im Allgemeinen auf Provisionsbasis für die Bank arbeiten, soll es möglich sein, per Datenbankzugriff den Kontostand als auch die Kontobewegungen einzusehen. "Sobald ein höherer Geldbetrag auf einem Konto eingeht, können die Berater den Kunden anrufen, um Geldanlagen zu verkaufen", schreibt die Zeitschrift.
Nach Erkenntnissen von "Finanztest" sei die Abfrage durch die freien Handelsvertreter auch dann erfolgt, wenn die Kunden der Weitergabe dieser Daten nicht zugestimmt habe. "Dies ist illegal", sagte Bettina Gayk, Sprecherin der für die Postbank zuständigen Datenschutzbehörde Nordrhein-Westfalen auf Nachfrage von stern.de. Die Weitergabe von Kontobewegungen selbst mit Einwilligung der Kunden ist aus Sicht der Datenschützer unzulässig.
Kundendaten nur "im Rahmen der Vertragsbeziehungen" erhoben
Die Postbank weist aber jeden Datenmissbrauch von sich. "Das dargestellte Verfahren der Datenweitergabe von der Postbank an die Postbank-Finanzberatung (das beschuldigte Tochterunternehmen, die Red.) entspricht nicht den Tatsachen". Laut Unternehmen seien die Handelsvertreter ausschließlich für die Postbank tätig. Die Kundendaten seien "im Rahmen der Vertragsbeziehungen" erhoben worden, wozu es keiner besonderer Einwillung bedürfe, so das Kreditinstitut. "Diese Praxis wurde in der Vergangenheit nicht beanstandet."
Postbank-Sprecher Joachim Strunk sagte, dass Finanzberater des Konzerns regional begrenzt auf Kontodaten zugreifen können und dabei nicht nur das Guthaben, sondern auch die einzelnen Abbuchungen und Überweisungen sehen können. Wenn Mitarbeiter die Daten weitergegeben hätten, handele es sich um einen Regelverstoß einzelner "schwarzer Schafe", der strafrechtlich verfolgt werden müsse, so Strunk weiter. Sein Sprecher-Kollege Rüdiger Grimmert sagte, der Datenschutzbeauftragte der Bank halte es für unbedenklich, wenn Finanzberater Einblick in Kontobewegungen nehmen könnten, solange dies anlassbezogen erfolge. Zu den offensichtlich abweichenden Ansichten zwischen der Behörde und der Bank sagte Grimmert: "Da müssen sich sicher die Datenschützer noch mal auseinandersetzen."
Ähnliche Fälle bisher nicht bekannt
Zu dem konkreten Fall und möglichen Konsequenzen will sich die Datenschutzbehörde nicht detailliert äußern, weil sie die Vorwürfe von "Finanztest" zunächst nachprüfen wolle. "Uns interessiert jetzt natürlich, ob diese Art des Umgangs mit Kundendaten auch bei anderen Unternehmen üblich ist. Aber noch haben wir da keine Erkenntnisse", so Lauenburg. Der Datenschutzbehörde sind ähnliche Fälle von anderen Geldinstituten nicht bekannt. Aufgrund von Beschwerden einzelner Kunden habe die Behörde bereits vor Bekanntwerden des Berichts einen Termin im November mit der Postbank vereinbart.
Laut "Finanztest" sollen die Handelsvertreter per Eingabe von Namen und Geburtsdatum an die Kontodaten gelangen. Der Zeitschrift liegt eine interne Anweisung der Bank vor, nach der den freien Mitarbeitern bei ihrer Arbeit geholfen werden solle. Aus den "Finanztest" vorliegenden Arbeitsanweisungen gehe zudem hervor, dass die Mitarbeiter die Informationen zwar nutzen dürften, sie aber vor den Kunden geheim halten sollten. Ein Hinweis darauf, dass sich die Bank ihres Vorgehen sehr wohl bewusst ist.
Auch Promis unter den Betroffenen
"Finanztest" liegen zudem Infos über Kontoinformationen und Briefwechsel zahlreicher, teilweise namhafter Personen vor. Lauenburg: "Wir haben in den Unterlagen auch die Namen einiger Promis gefunden, wie zum Beispiel von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner oder dem Vorstand der Stiftung Warentest selbst, Werner Brinkmann." Bei dem Schriftverkehr handele es sich unter anderem um Anweisungen, über welches Konto Bausparverträge laufen sollen, welche Zahlungsmodalitäten bei Bankgeschäften gewählt werden sollen und ähnliches. Und sie alle hätten der Weitergabe ihrer Daten nicht zugestimmt. "Wir haben das mithilfe verschiedener Postbankkunden überprüft", so Lauenburg und "ich selber habe so ein Einverständnis auch nie erklärt." Pikant: Die Kontodaten einzelner Chefs der Postbank-Gruppe seien ausdrücklich nicht über die Datenbank einsehbar.
Die Hamburger Verbraucherschützern Edda Castello macht Postbank-Kunden nur wenig Hoffnung, dass sie gegen den möglichen Datenmissbrauch etwas unternehmen können: "Der Verbraucher ist leider machtlos, denn nun sind die Kundendaten im Umlauf, der Geist ist aus der Flasche", sagte sie stern.de. Natürlich sollten sich die Kunden bei der Postbank beschweren, doch "Reklamationen verpuffen oft. Und der Nachweis, dass Verträge wegen der angeblich gewonnenden Informationen abgeschlossen wurden, ist auch schwierig".
Keine Auswertung zulassen
Bettina Gayk rät Bankkunden generell davon ab, der Auswertung einzelner Überweisungen und Abbuchungen zuzustimmen. Kontobewegungen im Bankverkehr auszuwerten, sei extrem heikel, denn daraus lasse sich ein sehr detailreiches Profil eines Kunden erstellen.