Putin und seine Schergen Jagd auf russische Jachten: Fahnder aus den USA und Europa wollen Informationen von Lürssen-Werft

Scheherazade
Die Jacht "Scheherazade" im Hafen von Dubrovnik
© Imago Images
Zahlreiche Mega-Jachten sitzen in amerikanischen und europäischen Gewässern fest. Bei vielen liegt nahe, dass sie sanktionierten Oligarchen gehören. Um die Besitzverhältnisse endlich zu klären, erhoffen sich Fahnder Hilfe von deren Erbauer – der Bremer Lürssen-Werft.

Wer eine Jacht kauft, tut das selten mit eigenem Geld und dem Personalausweis. Bei den meisten Mega-Jachten stehen Briefkastenfirmen aus Steueroasen in den Papieren, die Registrierung der Schiffe erfolgt oft in Ländern wie den Marshallinseln, den Kaimaninseln oder den Britische Jungferninseln. An Informationen zu kommen, wer sich wirklich hinter den Firmen und Fahnen verbirgt, gelingt nur mit hohem Aufwand – oder Leaks wie den Panama oder Paradise Papers.

Internationale Ermittlungen an der Weser 

Die hohen Hürden, die Besitzverhältnisse einer Jacht zweifelsfrei einer Person zuzuordnen, stellen sich aber nicht nur neugierigen Privatpersonen, sondern auch Ermittlern in den Weg. Daher suchen Fahnder jetzt nach einer anderen Quelle, wie ein Rechercheverbund der "Süddeutschen Zeitung", "NDR" und "WDR" erfahren hat. Demnach arbeiten Beamte aus den USA und Europa gemeinsam daran, die wahren Eigner hinter eingefrorenen Jachten wie der 700-Millionen-Dollar-Jacht "Scheherazade" oder dem Schwesterschiff "Crescent" zu finden. Und die Suche läuft dort, wo die schwimmenden Paläste entstanden sind: in Bremen.

Denn tatsächlich entstand ein großer Teil der teuersten Jachten der Welt in Deutschland bei Lürssen. Die Werft hat Schiffe wie die "Dilbar", die genannten Mega-Jachten und Rekordpaläste wie die "Azzam" gebaut. Folglich müsste man dort, so die Logik der Ermittler, auf Unterlagen stoßen, die Details über die Verhandlungen, Zahlungen, Baupläne, involvierte Personen und Extrawünsche verraten.

Es heißt, das FBI interessiere sich daher aktuell für mehr als ein halbes Dutzend Schiffe, die einst in den Hallen von Lürssen entstanden sind. Im Fokus stehen dabei Schiffe, hinter denen sanktionierte Eigner vermutet werden, etwa Suleiman Kerimow ("Amadea", "Ice") oder Igor Setschin ("Crescent"). Besonders interessant ist und bleibt dabei die gigantische "Scheherazade", die bereits im Mai an die Kette gelegt wurde und angeblich Putin höchstselbst gehören soll. Auch umgekehrt will man die Akten von Lürssen durchforsten – und bei ein paar Namen prüfen, ob dieses vielleicht im Kundenstamm auftauchen.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass Lürssen vollständig kooperiere und den Ermitteln die gewünschten Unterlagen zukommen lasse. Das entspricht auch dem bisherigen Verhalten der Werft, wenn es um die Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen geht. Schon bei der Verlegung der "Dilbar" aus Hamburg wurde kein Schritt ohne Zustimmung der Behörden ausgeführt, teilte Lürssen damals mit. Leider setzt Lürssen aber auch das Schweigen gegenüber der Presse fort – und teilte weder dem stern, noch der "Süddeutschen Zeitung" mit, was sich hinter den Kulissen derzeit abspielt.

Das Rätsel um den Super-Strohmann

Im Zuge der Ermittlungen hoffen die Fahnder auch, das Rätsel um Eduard Chudainatow endlich klären zu können. Sein Name taucht bei mehr als fünf Jachten mit einem Gesamtwert von weit über zwei Milliarden US-Dollar auf. So sollen ihm beispielsweise auch die "Crescent" und die "Scheherazade" gehören. Chudainatow wurde 2003 Vorstand von Sewerneftegasprom, einer Tochtergesellschaft von Gazprom. Von 2010 bis 2013 war er Präsident des russischen Mineralölunternehmens Rosneft. Im Februar 2021 wurde bekannt, dass Rosneft ihm 9,6 Milliarden Dollar für seine Firma Taimyrneftegaz zahlte.

Politisch ist Chudainatow gut aufgestellt: Im Jahr 2000 leitete er das Wahlkampfhauptquartier von Wladimir Putin und wurde im August desselben Jahres "für seine Arbeitserfolge und seinen großen Beitrag zur Stärkung der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Völkern" mit einem Verdienstorden ausgezeichnet. Er war von 1996 bis 1997 stellvertretender Leiter der Verwaltung des Gebiets Neftejugansk. Dort gründete er unter anderem einen Jachtclub für Kinder.

Obwohl Chudainatow zweifelsohne vermögend ist, wollen die Ermittler offenbar nicht ganz glauben, dass ihm alleine die größten Jachten gehören sollen. Die Vermutung liegt nahe, dass er für mächtigere (oder reichere) Personen eine Art Strohmann ist, um die Aufmerksamkeit von den wahren Eignern zu lenken.

Die Ermittlungen in dem Fall könnten wieder Bewegung in das Jachten-Problem bringen. Denn solange keine stichhaltigen Beweise vorliegen, wem die Schiffe gehören, mit welchen Mitteln sie bezahlt worden sind und ob damit gegen Sanktionen verstoßen wurde, lassen sich keinerlei weitere Schritte einleiten. Ein Verkauf ist ebenso ausgeschlossen wie eine endgültige Beschlagnahmung. Bislang reißen die riesigen Schiffe nur gigantische Löcher in die Kassen der Staaten und Werften, die seit Monaten darauf warten, dass sich endlich etwas tut.

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