Arbeitswelt "Ich würde mehr einstellen"

Michael George beschäftigt einen Meister, zwei Azubis und 15 Gesellen. Es könnten zwei mehr sein - wenn der Kündigungsschutz nicht wäre.

Hätten mehr Menschen in Deutschland einen Job, wenn der Kündigungsschutz gelockert würde? "Ja", sagt Michael George, 34.

Der junge Malermeister aus Hamburg sitzt am Computer in seinem Büro, die Wände sind zartblau und weiß "gewickelt", und es sieht ein bisschen aus wie im Himmel. Dabei fühlt sich Michael George eher wie in der Hölle: Vergangenes Jahr rutschte der vom Vater gegründete Betrieb zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren in die roten Zahlen; die Preise sinken, die Zahlungsmoral der Kunden ist schlecht.

Angst vor Einstellungen

Dringend müsste George junior zwei neue Gesellen einstellen, Spezialisten für Wärmedämmung, weil er auf diesem Gebiet lohnende Aufträge an Land ziehen und seinen Umsatz vergrößern könnte. "Aber ich trau mich nicht", sagt George. Weil das deutsche Arbeits- und Kündigungsrecht ihm kaum Chancen lässt, seine Kernmannschaft wieder zu schrumpfen, wenn die Krise sich verschärft oder die neu Eingestellten sich als Nieten erweisen sollten. In so schwierigen Zeiten kann es sich ein 18-Mann-Betrieb nicht leisten, faule Kollegen mitzuschleppen. "Dieser bescheuerte Kündigungsschutz muss weg", sagt der Malermeister.

Deutsche Gründlichkeit

Es gibt in Deutschland im Prinzip zwei Arten von Kündigungen: Will Michael George seinen Betrieb umstrukturieren, verlagern oder stilllegen, kann er betriebsbedingt entlassen. Personen- und verhaltensbedingte Kündigungen dagegen kann der Chef aussprechen, wenn ein Geselle grobes Fehlverhalten an den Tag legt, wenn er säuft oder klaut, die Arbeit verweigert, häufig krank oder arbeitsunfähig ist.

Faire Sozialauswahl oder gutes Team?

Doch aus Sicht von Michael George verfehlen beide Arten der Kündigung ihren Zweck - nämlich dem Betrieb eine möglichst fitte Mannschaft zu sichern: "Wenn ich betriebsbedingt kündige, zwingt mich das Gesetz, eine Sozialauswahl zu treffen", sagt der Malermeister. Das bedeutet: George verliert womöglich seine wichtigsten Mitarbeiter. Denn ein Geselle, der verheiratet ist, Kinder hat und schon lange zum Betrieb gehört, ist praktisch unkündbar, egal, wie gut oder schlecht er auf den Baustellen malocht. "Aber meinen neuen Mann für Wärmedämmung müsste ich wahrscheinlich entlassen, weil er Single ist und deshalb als weniger schützenswert gilt", kritisiert George. Die Sozialauswahl schwächt also die Leistungskraft seines Betriebs und ist für ihn ein denkbar schlechtes Instrument, um Krisen zu bewältigen. Aber auch mit den verhaltensbedingten Kündigungen hat George so seine Schwierigkeiten: Dreimal hat er in den vergangenen Jahren unzuverlässige Leute ordnungsgemäß abgemahnt und ihnen schließlich gekündigt. Jede Kündigung landete vor Gericht. Jedes Mal musste George sich auf einen Vergleich einlassen - und Abfindungen in Höhe von insgesamt fast 20.000 Euro zahlen. Viel Geld für so einen kleinen Betrieb.

Richterrecht

Arbeitsrecht ist Richterrecht, heißt es in Deutschland. Für George bedeutet das: Er kann nie sicher sein, ob die Kündigung vor Gericht durchkommt oder nicht und wie hoch die Abfindung sein wird.

"Gerade in Hamburg sind die Arbeitsrichter wohl alle Sozialpädagogen, die nur den Schutz des Arbeitnehmers im Blick haben", sagt George. Wegen dieser Unsicherheiten stellt er lieber gar keine Leute mehr ein. "Ich will keine "Hire and fire"-Verhältnisse wie in den USA und finde es völlig richtig, dass man jemanden innerhalb eines bestimmten Zeitraums zum selben Problem mehrmals abmahnen muss, bevor man ihm kündigen kann. So bekommt ja auch jeder seine Chance. Aber auf diese Regelung muss ich mich dann auch verlassen können."

"Ehen werden leichter aufgelöst"

Wie George geht es vielen Unternehmern. Werner Averkamp vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft lästert: "Es ist leichter, bei uns eine Ehe aufzulösen als ein Arbeitsverhältnis." Zwar sei es im Prinzip eine richtige Idee, Arbeitnehmer zu schützen, "aber wir haben in Deutschland übertrieben". Ist der Kündigungsschutz ein Hindernis für Neueinstellungen? "Ein Betrieb wird heute vieles tun, um Einstellungen zu vermeiden, damit er nicht in diese Problematik reinkommt", sagt Averkamp.

Problemlösung mal anders

Viele kleine Handwerksbetriebe, die in einem ähnlichen Dilemma stecken wie der Malermeister Michael George, haben sich inzwischen für einen ganz anderen Ausweg entschieden: Sie gründen Firmen in den neuen Bundesländern. Dort zahlen sie ihren Leuten weniger Geld, kassieren hohe Lohnkostenzuschüsse vom Staat und lassen die Männer oft über 100 Kilometer auf die Baustellen im Westen pendeln.

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Doris Schneyink

PRODUKTE & TIPPS