"Als wir in den 1990er Jahren angefangen haben, an Peptiden zu forschen, sind wir gegen den Strom geschwommen, denn damals wurde in erster Linie auf chemische Wirkstoffe und auf die Optimierung bestehender Ansätze gesetzt", erinnert sich CEO Prof. Dr. Jens Schneider-Mergener von der Jerini AG. Peptide sind Aminosäureketten, wie sie ähnlich auch im menschlichen Körper vorkommen. Sie können allerdings nicht selbst in Medikamenten eingesetzt werden, weil sie sehr schnell im Körper abgebaut werden, sondern bilden nur die Vorstufe für die eigentlichen Wirkstoffe.
Ein wichtiger Pluspunkt peptidbasierter Substanzen ist, dass sie sich durch eine hohe Effektivität und Sicherheit auszeichnen. Dies gilt beispielsweise auch für den von der Jerini AG geprüften Wirkstoff Icatibant zur Behandlung der Erbkrankheit Angioödem. "Peptide können daher die ersten Phasen der Entwicklungszeit verkürzen", so Jens Schneider-Mergener.
Die 1994 gestartete Jerini GmbH ist eine Ausgründung aus der Berliner Charité. In den Anfangsjahren hat der Chemiker mit seinem Team eine auf Peptiden basierende Chip-Technologie-Plattform entwickelt. Mit Hilfe dieser patentierten Technologie können Tausende von Peptiden zu Forschungszwecken wesentlich schneller und preiswerter hergestellt werden, als mit herkömmlichen Verfahren. Außerdem ist die Identifikation möglicher Wirkstoffe wesentlich leichter und effektiver durchführbar. So schuf Jens Schneider-Mergener die Voraussetzungen für die Arbeit der 2001 gegründeten Jerini AG: Das Unternehmen entwickelt innovative Arzneimittel auf Peptid-Basis. Das besondere an dem Jerini-Modell: Aus den Gewinnen der Technologie-Plattform kann die teure und aufwändige Entwicklung der Medikamente teilweise mit finanziert werden.
Das am weitesten fortgeschrittene Produkt der Jerini AG ist der Wirkstoff Icatibant zur Behandlung des vererbbaren Angioödems, einer seltenen Erkrankung, die durch sehr schmerzhafte Schwellungen des äußeren oder inneren Gewebes gekennzeichnet ist und die in Einzelfällen zum Tod durch Ersticken führen kann. "Wir beschäftigen uns bewusst mit einer Nischenkrankheit. Zum einen wollen wir Forschungsarbeiten durchführen, die wir als relativ kleines Unternehmen bewältigen können. Zum anderen möchten wir Patientengruppen helfen, denen sonst nur wenige medizinische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und die ansonsten mit ihrer Krankheit alleine gelassen würden", so der Chemiker. Bemerkenswert ist das rasante Forschungstempo des Unternehmens: Die Zulassung für das erste Medikament der Jerini AG soll bereits 2006 erfolgen.
Diese sehr schnelle Umsetzung einer anspruchsvollen, innovativen Idee und die raschen Erfolge des Unternehmens waren wichtige Gründe für die Jury, die Jerini AG für den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Visionär zu nominieren. Wesentlich war außerdem die Tatsache, dass Jens Schneider-Mergener dazu beitragen wollte, die Pharmaforschung in Deutschland wieder nach vorn zu bringen, denn der Chemiker hatte sich trotz hervorragender beruflicher Chancen in den USA bewusst für eine Rückkehr nach Deutschland entschieden.
"Ich bin schon vor der Wiedervereinigung an die Berliner Charité gegangen. Als die Mauer fiel, war dies für mich ein ganz klares Signal, dazu beizutragen, dass Deutschland wieder zusammenwächst", so Jens Schneider-Mergener. Allerdings war die Umstellung ein wenig gewöhnungsbedürftig: "In den USA hatte ich High-Tech vom Feinsten und in Ost-Berlin saß ich plötzlich vor einem Bakelit-Telefon, das noch nicht einmal funktionierte", erinnert sich der Unternehmer. "Viele haben mich für verrückt erklärt, aber ich hatte die Vision, in Deutschland ein modernes Pharmaunternehmen aufzubauen. Die deutsche Pharmaindustrie war früher international führend, und ich möchte dazu beitragen, dass dies wieder so wird."
Die Nominierung für den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Visionär hilft Jens Schneider-Mergener, dieses Ziel zu erreichen. "Die Nominierung hat uns sehr gefreut. Dadurch haben wir bessere Möglichkeiten, zu kommunizieren, was die Jerini AG mit ihrem innovativen Ansatz so einzigartig macht", so der Unternehmer. "Es gibt auch sehr viel Unwissenheit im Bereich der Biotechnologie insgesamt, hier können wir zu einer besseren Aufklärung beitragen. Außerdem können wir so das seltene vererbbare Angioödem mehr in das Licht der Öffentlichkeit rücken und das ist für die Betroffenen sehr wichtig."