Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert sexuelle Belästigung als ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten. Dazu zählen nach dem Gesetz unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen. Das AGG sanktioniert diese Tatbestände, da sie die Würde der betreffenden Person verletzen oder ein feindliches Umfeld schaffen kann.
Es gibt eine "Geringfügigkeitsgrenze"
Geringfügige Eingriffe scheiden jedoch aus - ein klarer Unterschied zur Praxis in den USA. Hierzulande muss es sich bei dem unerwünschten Verhalten um eine gewisse Intensität handeln. Zudem stellt jedes einschlägige Verhalten, das im Einvernehmen mit dem anderen erfolgt, keine sexuelle Belästigung und somit auch keine Benachteiligung im Sinne des AGG dar.
Einvernehmen herrscht meist dann, wenn der oder die Betroffene dem Handelnden gegenüber nicht zu erkennen gibt, dass er oder sie das Verhalten des Gegenübers ablehnt. Die Ablehnung muss nicht durch Worte geschehen, sondern kann auch non-verbal ausgedrückt werden. Dies muss aber für den Belästiger erkennbar sein. Außerdem muss das entsprechende Verhalten bezwecken oder bewirken, dass die Würde des oder der Betroffenen verletzt wird. Beispiel: Eine Arbeitnehmerin animiert den schüchternen Kollegen, der Praktikantin an die Brust zu fassen.
Arbeitgeber müssen Mitarbeiter schützen
Arbeitgeber haben nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine Schutzpflicht. Sie müssen dafür sorgen, dass weder ihre Mitarbeiter noch Dritte - zum Beispiel Kunden - andere sexuell belästigen. Und selbstverständlich müssen sie Vorbild sein. Gegebenenfalls müssen sie geeignete Maßnahmen wie Versetzungen, Rügen und Abmahnungen ergreifen, um sexuelle Belästigungen in ihrem Betrieb zu unterbinden. Sie haben auch das Mittel der fristgemäßen, ja sogar der fristlosen Kündigung des belästigenden Arbeitnehmers in der Hand.
Unter Umständen muss der Kündigung jedoch eine Abmahnung vorausgehen. Versäumen oder verstoßen Arbeitgeber gegen diese Pflichten, kann der oder die Geschädigte Schadenersatz oder Entschädigung fordern und die Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einstellen, bis der Arbeitgeber wirksame Abhilfe geschaffen und geeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ergriffen hat.
Wollen Geschädigte Ansprüche nach dem AGG durchsetzen, müssen sie allerdings zunächst Indizien, die für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung sprechen, darlegen und gegebenenfalls beweisen.
Der Sachbuchautor Ulf Weigelt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Weigelt & Ziegler in Berlin, Prenzlauer Berg.