Wer streikt, trägt gern ein auffälliges Leibchen in schillernden Farben - Aufmerksamkeit ist in einem solchen Fall alles. Leibchenträger liefen am Montag zuhauf in der Abflughalle A des Frankfurter Flughafens umher. Nur stand darauf nicht "Verdi - wir streiken", sondern "Lufthansa Service Guide". Deutschlands größte Fluggesellschaft hatte eigens eine Vielzahl von so genannten Streikhelfern eingesetzt, die im Falle von Flugausfällen den größten Frust der Passagiere lindern sollten.
Von den Streikenden und den angekündigten Auswirkungen auf den Flugverkehr war indes nichts zu spüren - keine Trillerpfeifen, keine Transparente, keine Flugblätter. Entsprechend klein war auch der abzubauende Frust bei den Lufthansa-Kunden.
Keine Ausfälle
Die "Service Guides" in ihren leuchtend grünen Westen stürzten geradezu auf jeden, der länger als fünf Sekunden unter der großen Anzeigetafel verharrte. "Nein, wir haben wirklich nicht viel zu tun", sagt einer von ihnen und grinst, "außer dass wir immer wieder nach Interviews gefragt werden."
Neun Stunden nach Streikbeginn starteten am Flughafen Frankfurt ganze fünf Flüge verspätet, nur drei davon von der Lufthansa. Einer war LH 4724 nach Stuttgart. Statt um 9.40 Uhr hob der Flieger erst um 10.50 Uhr ab. Aber wen störte das, wenn direkt vom Bahnhof unter dem Airport die ICE im Halbstundentakt ins Schwäbische rauschen?
Die Passagiere waren froh und dankbar über einen Streik, den keiner bemerkt. "Wir haben schon das Schlimmste befürchtet und Verwandte in Wiesbaden alarmiert, falls wir hängen bleiben", berichtete Jürgen Becker aus dem thüringischen Nordhausen, der mit seiner Familie am Morgen nach Malta fliegen wollte. "Aber bei unserem Flug gibt es Gott sei Dank keine Verspätung." Für die Streiks hat er bedingt Verständnis: "So lange die Sache nicht auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen wird, ist das in Ordnung."
Die streikenden Verdi-Mitglieder blieben indes weitgehend unsichtbar. Am frühen Morgen hatten sich einige von ihnen eher symbolisch auf der anderen Seite des Frankfurter Flughafens im Cargo-Bereich bemerkbar gemacht. Um 5.30 Uhr traten dort rund 150 Beschäftigte in den Ausstand. Man wolle keinen "Krawall" machen, sagte Verdi-Sprecher Willi Rörig und friedlich für höhere Löhne und Gehälter protestieren.
Die Ruhe kann täuschen
Ähnlich ruhig war es auch bei der Lufthansa-Tochter "LSG Sky Chefs" im benachbarten Neu-Isenburg, wo das Essen für die Passagiere der Lufthansa und vieler anderer Fluggesellschaften gekocht wird. Auch hier hielt kein Gewerkschafter öffentlich sein Fähnchen in den Wind.
Doch die Ruhe kann täuschen. Wenn die LSG-Köche und die Lufthansa-Techniker länger streiken, müssen nach und nach immer mehr Flüge gestrichen werden. Flugzeuge bleiben am Boden, weil die Wartungsintervalle nicht eingehalten werden und Interkontinentalflüge können nicht starten, weil es an Bord nichts zu Essen gibt. Und so droht Verdi-Verhandlungsführer Erhardt Ott nicht ohne Grund: "Die Auswirkungen des Streiks werden sich in den nächsten Tagen zeigen. Dann wird es auch zu Flugausfällen kommen."