Kleinunternehmer haben so gut wie keine Chance, an ein Bankdarlehen zu gelangen. Um den Mittelstand zu fördern und damit die Gesamtwirtschaft anzukurbeln, setzt die Regierung von Präsident Vicente Fox auf den Ausbau des Sparkassenwesens. Sie orientiert sich dabei am deutschen Vorbild. Ein neues Gesetz schafft einheitliche Richtlinien für den Betrieb dieser Institute und mehr Sicherheit für die Sparer. Bei dessen Umsetzung hilft die Sparkassenstiftung für internationale Kooperation (Bonn), die in Mexiko fünf Projektbüros eröffnet hat.
Genossenschaftsgedanke keimt
Die Sparkasse «Nuevo México S.C.L.» in Atizapàn de Zaragoza ist eine von mehr als 650 Sparkassen in Mexiko, für die mit dem neuen Jahrtausend neue Zeiten begonnen haben. Der Genossenschaftsgedanke hat in diesem Vorort von Mexiko-Stadt schon vor Jahrzehnten Wurzeln geschlagen. Die Straßen in der Umgebung heißen "Pioniere des Kooperativismus", "Generalversammlung" und "Aufsichtsrat" oder auch, in Erinnerung an die Pioniere des deutschen Genossenschaftswesens, "Hermann Schulze-Delitzsch" oder "Friedrich Wilhelm Raiffeisen".
Wandlung zum modernen Geldinstitut
Die 27 Jahre alte Sparkooperative mit ihren 6.500 Genossen und einer Bilanzsumme von 92 Millionen Pesos (8,1 Millionen Euro) muss sich nach dem Gesetz jetzt in ein modernes Geldinstitut verwandeln. Keine leichte Aufgabe, wie Geschäftsführer José de Jesús Soto Hernàndez, meint. Früher wurde beispielsweise ein Kredit erst als Not leidend eingestuft, wenn er nach Ablauf der Fälligkeit nicht zurückgezahlt wurde. Jetzt muss dies schon nach Ausbleiben von drei Raten geschehen. Entsprechend muss die Sparkasse die Reserven erhöhen. "Das Gesetz gefällt mir nicht, aber es ist ja nicht für mich, sondern für die ganze Gesellschaft gemacht", sagt Soto.
Einige Konkurse erschütterten Branche
Denn nicht alle Sparkassen in Mexiko funktionierten in der Vergangenheit so reibungslos wie die «Nuevo México» in Atizapàn. Einige betrügerische Konkurse haben das Ansehen der Branche in den vergangenen Jahren erschüttert. Viele Mexikaner glauben, dass ihre Pesos unter der Matratze sicherer als bei der Sparkasse seien.
Genehmigung der Bankenaufsicht
Nach dem Gesetz brauchen alle mexikanischen Sparkassen künftig eine Genehmigung der Bankenaufsicht. Ihre Verbände müssen ein Prüfungswesen und einen Einlagensicherungsfonds schaffen. Die Vorschriften über Mindestreserven und Liquidität wurden strenger gefasst. Die Sparkassen haben bis Juni 2005 Zeit, alle Kriterien zu erfüllen. Dann erhalten sie ein Gütesiegel. Das soll ihnen helfen, zusätzliche Kunden zu gewinnen. Das Potenzial ist enorm: 50 Millionen Mexikaner, die Hälfte der Bevölkerung, haben noch nie ein Bankgeschäft getätigt.
Kaum Fremdkapital
Eine der Stärken der Sparkassen ist ihre Unabhängigkeit vom übrigen Bankensektor. Sie können daher ihre Zinsen selber festlegen. Die Sparkasse «Nuevo México» hat nicht einen Peso Fremdkapital, was sich in Krisenzeiten als großer Vorteil erwiesen hat. Die Kunden sind zugleich Gesellschafter, und jeder darf bis zu 250 Prozent seiner Spareinlage als Kredit aufnehmen. Die Freiheit bei der Zinssetzung nutzt die Kasse auch für die Werbung neuer Mitglieder: Während Erwachsene einen Sparzins von neun Prozent pro Jahr erhalten, gibt es auf Kindersparbücher 15 Prozent.