Erneuerbare Energie Die Quelle, die nie versiegt

Von Christoph M. Schwarzer
Langsam, aber unaufhaltsam, steigt der Anteil der erneuerbaren Energie. Nicht nur beim Strom, sondern auch bei der Gebäudewärme und Kraftstoffen fürs Auto sinkt damit die Abhängigkeit von Importen. stern.de erklärt, wo Deutschland heute schon steht.

Spätestens seitdem der Club of Rome 1972 die "Grenzen des Wachstums" ("The Limits to Growth") verkündet hat, ist der breiten Masse die Endlichkeit fossiler Ressourcen bewusst: Öl, Gas und Kohle sind nur begrenzt verfügbar. Außerdem hat die Gier nach Energie inzwischen auch die ehemaligen Schwellenländer Indien und China erfasst. Das Ergebnis: Die Energiekosten steigen und steigen und steigen.

Konkurrenzfähigkeit steigt

Doch was für Betriebs- und Volkswirtschaft ein Problem ist, macht die erneuerbaren Energien täglich konkurrenzfähiger. Windstrom aus landgestützten Anlagen zum Beispiel ist heute schon so billig, dass er ohne staatliche Subventionen bestehen könnte. Nicht nur am Strommarkt ist die Energieproduktion aus nicht-fossilen Quellen auf dem Vormarsch. Auch Biokraftstoffe werden immer bedeutender. Und bei der Heizung unserer Gebäude setzen immer weniger Bausbesitzer auf Heizöl von den Saudis und Erdgas aus Russland.

Die "Renewables", wie Sonne, Wind und Erdwärme auch genannt werden, stützen die deutsche Wirtschaft aber nicht nur durch die nun entstehenden vielen neuen Arbeitsplätze und einer abnehmenden Abhängigkeit von Importen. Sie schonen mit kleinen oder nicht vorhandenen Kohlendioxid-Emissionen auch das Klima. Zwar erregt der Klimawandel weit weniger Aufsehen als explodierende Heizkosten. Drei Grad wärmer und mediterrane Weinsorten in Baden-Württemberg? Klingt doch super! Die reale Folge sehen jedoch anders aus: Immer mehr Schäden durch Stürme und Starkregen, immer mehr Geld für den Küstenschutz und ein Sommer, der im Wechsel aus Hitzewellen mit vielen Toten und Dauerregen kein Vergnügen mehr wird.

Teure Energieimporte vermeiden

Gerne stellen von der Energiewirtschaft bezahlte Lobbyisten die Atomkraft in die Reihe der erneuerbaren Energien. Aber selbst das "Deutsche Atomforum", Dachverband der Kernkraft-Verfechter, sieht bei einem statischen Zukunftsszenario das Ende der Uranressourcen in gut 60 Jahren. Und statisch bedeutet hier: Falls weltweit niemand neue Meiler baut. Bei denen lässt sich die Produktion von Energie weiterhin nie von der des atomwaffenfähigen Urans und Plutoniums trennen. Vom giftigen und strahlenden Abfall ganz zu schweigen. Atomkraft ist also keine erneuerbare Energieform, und umweltfreundlich ist sie auch nicht.

In Deutschland konnten 2007 laut Bundesverband Erneuerbare Energie durch den Einsatz der erneuerbaren Energien Brennstoffimporte im Wert von knapp sechs Milliarden Euro und weitere externe Kosten von über acht Milliarden Euro vermieden werden. Bei der Entwicklung und Produktion sind heimische Betriebe weit vorne im globalen Wettbewerb. stern.de sagt, wie wichtig Sonne, Wind & Co. jetzt schon sind. Beim Strom, bei der Gebäudewärme und im Autotank.

Ökostrom: Jedes Jahr ein AKW weniger

14,3 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland stammen aus erneuerbaren Quellen. In Zahlen sind das über 86 Milliarden Kilowattstunden. In der Sprache der Energiewirtschaft nennt sich das 86 Terrawattstunden (TWh). Allein der Zuwachs von 2006 auf 2007 in Höhe von 13,7 TWh entspricht der Jahresleistung eines sehr großen Atomkraftwerks wie Brokdorf, das darüber hinaus auch noch funktionieren muss. Siehe Brunsbüttel oder Krümmel.

Steigende Erträge

Den Löwenanteil bei der Stromproduktion macht die Windenergie aus. 38,5 Terrawattstunden im letzten Jahr. Die Menge wird weiter steigen, weil neben dem Bau von Offshore-Anlagen im Meer das Repowering, also das Ersetzen alter Turbinen durch leistungsfähigere Modelle, den Ertrag steigen lässt. Mit 21,7 Terrawattstunden leistet die Wasserkraft einen konstant hohen Beitrag zum Strommarkt. Neue Projekte wie das Weserkraftwerk in Bremen werden den Ertrag weiter erhöhen. Es klappert die Mühle am rauschenden Band - nur jetzt mit modernen Turbinen statt hölzernen Schaufelrädern.

Besonders starke Zuwachsraten haben Biogasanlagen, in denen landwirtschaftliche Abfälle zu Strom verarbeitet werden. Weil das Biogas meist in stationären Motoren verbrannt wird, können mit dem Kühlwasser nahegelegene Schwimmbäder, Schulen oder Häuser beheizt werden. Kraftwärmekopplung heißt diese Spartechnik, die seit diesem Sommer stärker staatlich gefördert wird.

Noch viel Forschungsbedarf

Erst drei Terrawattstunden und damit weniger als ein Prozent des bundesdeutschen Strombedarfs decken Photovoltaikanlagen. Beim Solarstrom gibt es, anders als etwa bei der Windkraft, noch viel Forschungsbedarf und Entwicklungspotenzial. Die Zellen müssen billiger und effizienter werden. Bis dahin werden sie stark gefördert, damit Deutschland im internationalen Vergleich nicht zurückfällt. Ebenfalls noch in den Kinderschuhen steckt die Stromproduktion aus Erdwärme. Während die oberflächennahe Geothermie bei Häusern sehr beliebt ist, erzeugen tiefgebohrte Geothermie-Kraftwerke erst 0,1 TWh.

Gebäudewärme: Holz statt Gas

Vielfach unterschätzt wird der Energieverbrauch für die Heizung von Häusern und Wohnungen: Er steht mit 30 Prozent auf dem ersten Platz beim inländischen Primärenergiebedarf. Immer noch beherrschen fossile Energieträger den Markt: 45 Prozent aller Deutschen heizen mit Gas, weitere 34 Prozent mit Heizöl. Erneuerbare Quellen decken erst 6,5 Prozent des Wärmebedarfs.

Holzpellets am beliebtesten

Und die gehen fast komplett auf das Konto der Bioenergie. Damit sind Holzpellets, die kleinen, zylindrischen Presslinge aus Abfällen, sowie Hackschnitzel- und Scheitholzheizungen gemeint. Der Bund fördert zwar den Einbau von Pelletheizungen und hocheffizienten Holzvergaserkesseln. Viele Kunden sind aber immer noch unsicher. Auch, weil Holz weniger Energiegehalt pro Volumen hat. Um die gleiche Menge Energie zu bevorraten, ist also mehr Platz nötig. Und weil ein Keller nicht mal eben ausgebaut werden kann, reicht der Raum für die alten Heizöltanks nur für einen kürzeren Zeitraum. Wer dem faktischen Zwang zur energetischen Sanierung nachkommt, kann dem aber gelassen entgegensehen.

Von den 89 Milliarden Kilowattstunden Wärme, die 2007 aus erneuerbaren Quellen stammten, kamen 83 Milliarden aus Biomasse. 4,4 Milliarden produzierten Solarthermieanlagen, deren Anteil stark ansteigt. Den Rest tragen oberflächennahe Geothermieanlagen mit einer so genannten Wärmepumpe bei. Die rechnet sich aber nur bei Gebäuden, die einen modernen Dämmstandard haben.

Verkehr: Die Pflanze im Tank

Die umstrittenste Form der erneuerbaren Energie sind Biokraftstoffe. Sie werden über das Biokraftstoffquotengesetz zu Benzin und Diesel beigemischt. Ihr Vorteil ist die sinkende Abhängigkeit von Rohölimporten. 7,1 Prozent des Sprits waren 2007 Biodiesel, Bioethanol oder Pflanzenöl. Besonders Lkw wurden massenhaft auf den Betrieb mit reinem Biosprit umgerüstet.

Im Tank statt auf dem Teller

Die Kritik an den Biokraftstoffen: Jede Pflanze, die zur Produktion von Sprit angebaut wird, steht nicht dem Nahrungsmittelmarkt zur Verfügung. Die Vision, dass nur Brachflächen und Abfallpflanzen zur Verwendung kommen sollen, ist eine Illusion. Die Konkurrenz zu Mehl und Mais ist Realität. Wegen der Pflichtbeimischungsquote zu Benzin und Diesel kaufen die Mineralölkonzerne des Biosprit dort, wo er am billigsten ist. Da geht dann schon mal ein Stück Regenwald flöten, und der Zuckerrohrbauer lebt wie ein Sklave.

Wegen des Einsatzes von Düngemitteln, dem Sprit für die Trecker und dem Transport der Rohstoffe ist auch die CO2-Bilanz zweifelhaft. Ob die seit Jahren versprochenen Biokraftstoffe der zweiten Generation besser sind, wird die Zukunft zeigen.

Besser: eAutos

Ein Ausweg aus der Misere könnten Elektroautos sein, die selbst dann besser als jedes moderne Auto mit Verbrennungsmotor dastehen, wenn man fairerweise die Stromproduktion mit einbezieht. Im Massenmarkt sind sie aber faktisch nicht erhältlich. Wie schnell sich das ändert, entscheiden die Entwicklung des Ölpreises und die Manager in den Autokonzernen.