HANDWERK Optiker kämpfen gegen Konsumflaute und Großfilialen

Immer mehr Deutsche können nur noch mit Brille scharf sehen - aber trotz der 38 Millionen Brillenträger geht es der Branche nicht gut. Nur die großen Ketten profitieren.

Von den Bundesbürgern über 16 Jahre brauchen 38 Millionen eine Sehhilfe, das sind knapp zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Und der Bedarf wird weiter steigen, prognostiziert der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA). »Die Menschen werden immer älter, außerdem fällt Fehlsichtigkeit bei Bildschirmarbeit oder beim Autofahren schneller auf«, erklärt Sprecher Stefan Diepenbrock. Die rund 9.750 Augenoptiker in Deutschland könnten also goldenen Zeiten entgegen sehen - doch die allgemeine Konsumzurückhaltung hat den stetigen Aufwärtstrend erst einmal zum Stillstand gebracht. Im ersten Halbjahr 2002 ging der Umsatz der Branche um fünf Prozent zurück, obwohl die Augenärzte nach Angaben ihres Berufsverbandes nicht weniger verschreiben.

Neue Gläser, altes Gestell

Als »Low-Interest-Produkt« steht eine Brille nicht ganz oben auf der Einkaufsliste. Der Wiederbeschaffungszeitraum ist mit etwa vier Jahren relativ lang. Da sich die Sehschärfe nur langsam verändert, kann der Brillenkauf auch noch länger hinausgeschoben werden. Wenn unbedingt neue Gläser fällig sind, sparen viele Kunden am Gestell, zumal es dafür seit 1997 keine Zuschüsse mehr von den Krankenkassen gibt. »Oft werden die Fassungen nur neu verglast, das ist ein verstärkter Umsatztrend«, beobachtet der Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das Augenoptikerhandwerk in Hessen, Robert Mühlfried. Inzwischen werden etwa 30 Prozent der verkauften Gläser in »alte« Fassungen eingeschliffen, wenn diese noch in Ordnung sind. »Viele Kunden fragen gleich beim Kauf einer neuen Brille, ob man die wieder neu verglasen kann«, bestätigt Optiker Oliver Kayser vom Frankfurter Traditionsgeschäft »Oeder Optik«.

Konkurrenz großer Ketten

Außer der Kaufzurückhaltung macht den handwerklichen Optikerbetrieben die Konkurrenz der großen Ketten zu schaffen. Zwar sind nur zwölf Prozent aller Betriebe in Deutschland in der Hand der zehn größten Filialisten, doch sie machen knapp 30 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche von vier Milliarden Euro. »Die Großfilialisten saugen die Nachfrage auf«, stellt Mühlfried fest. Der unangefochtene Marktführer Fielmann verkauft in seinen rund 450 Filialen bereits jede dritte Brille. Mit der Philosophie »die größte Auswahl zum garantiert günstigsten Preis in bester Qualität in Top-Innenstadtlage« trotzt Deutschlands Optiker Nummer Eins auch der Konsumflaute. 2002 rechnet das börsennotierte Unternehmen mit einem neuen Rekordjahr. »Schwierige Zeiten sind gute Zeiten für uns«, sagt Fielmann-Sprecher Matthias Brahnal - denn die Kunden achteten umso mehr auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Chance: Ausgefallenes Sortiment

Über den Preis können die kleinen Geschäfte kaum mit Fielmann, Apollo und Co. konkurrieren. Ihre Chance sehen die Ein- oder Zwei- Mann-Betriebe in gutem Service und einem ausgefallenen Sortiment. Innungsgeschäftsführer Mühlfried beobachtet: »Wo gute Dienstleistung geboten wird, haben die Betriebe Bestand.« Bei Oeder Optik, das gerade sein 75-jähriges Firmenjubiläum feiert, bekommt jeder Kunde viel Zeit und Aufmerksamkeit. »Wenn der nach 14 Tagen wieder kommt, kann ich ihn noch mit seinem Namen begrüßen«, sagt Geschäftsführer Kayser. Dies wüssten auch immer mehr junge Menschen zu schätzen. Der Frankfurter Optikermeister Joachim Steffen, der sein Geschäft erst im Mai eröffnet und sich auf bunte Kunststofffassungen von Markenfirmen spezialisiert hat, setzt ebenfalls auf die persönliche Note. »Unsere Hauptmerkmale sind der Service, eine persönliche Ansprache und eine vertraute Atmosphäre«, sagt Steffen.

Großes Problem: Personalmangel

Ein Problem haben kleine wie große Optiker: Es fehlt qualifiziertes Personal. Seit dem Tiefpunkt 1999 steigt die Zahl der Auszubildenden zwar wieder an, doch es könnten noch mehr sein. Im vergangenen Jahr ließen sich 7.077 junge Männer und Frauen zum Augenoptiker ausbilden, acht Prozent mehr als im Vorjahr. In Zukunft werden aber trotz guter Berufsaussichten die Gesellen fehlen. »Wir konkurrieren vor allem mit IT-Berufen, deshalb müssen wir ganz massiv um Nachwuchs werben«, erklärt Diepenbrock. Auch Optiker Kayser, der das Geschäft mit seinem 73 Jahre alten Vater führt, ist auf der Suche nach Angestellten. Ein Interessent für eine Lehre habe sich schon länger nicht mehr gemeldet. »Der Beruf wird verkannt«, bedauert Kayser. Dabei biete er eine große Vielfalt vom Handwerklichen über die Augenglasbestimmung bis zur Kundenbetreuung: »Das ist viel mehr als ein Brillenverkäufer.«

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